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LiteraturDeutschland

Wer war Franz Kafka?

2. Juni 2024

Franz Kafka gehört zu den bekanntesten deutschsprachigen Autoren weltweit, obwohl er schon seit 100 Jahren tot ist. Warum berührt er die Menschen bis heute?

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Koloriertes Foto des Schriftstellers Franz Kafka
Franz Kafka (1883-1924) zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts.Bild: Darchivio/opale.photo/picture alliance

Franz Kafka, geboren 1883 in Prag, gehörte der deutschsprachigen jüdischen Minderheit an und war schon dadurch ein Außenseiter.

Auch in seiner Familie fand er keinen Halt. Zeitlebens litt er unter seinem Vater, der seinen Sohn lieber als Geschäftsmann denn als Schriftsteller gesehen hätte.

Da er vom Schreiben allein nicht leben konnte, arbeitete Kafka von morgens bis mittags als Versicherungsangestellter und widmete sich danach den Dingen, die ihm Freude bereiteten: Er fuhr Motorrad, ging ins Kino und ins Bordell. 

Er war sportlich, machte Städtetrips nach Berlin und Paris, war gerne unter Menschen. Aber mit Frauen kam er nicht so gut klar, was auch an den gesellschaftlichen Erwartungen lag. Wieviel Nähe war akzeptabel, wenn man es ernst meinte? Kafka war unsicher.

Berliner Straßenszene um 1910 zeigt mehrstöckige Prachtbauten und Fußgänger auf den Straßen
Berlin war Kafkas Sehnsuchtsort - 1910 war er zum ersten Mal zu Besuch in der MetropoleBild: Bildagentur-online/Sunny Celeste/picture alliance

Abends und nachts schrieb er: Tagebuch, Erzählungen, Romane. Sein bester Freund Max Brod, den er während des Jurastudiums kennengelernt hatte, erkannte Kafkas literarisches Talent und ermunterte ihn, seine Texte zu veröffentlichen. Kafka hingegen zweifelte an seinen schriftstellerischen Fähigkeiten. Am 3. Juni 1924 starb er an Kehlkopftuberkulose, wenige Wochen vor seinem 41. Geburtstag. Zuvor hatte er seinen Freund gebeten, nach seinem Tod alle seine Aufzeichnungen zu verbrennen.

Zum Glück für die Nachwelt kam Max Brod diesem Wunsch nicht nach, sonst wäre der "Der Prozess" nie erschienen. Der unvollendete Roman zählt heute zu den bekanntesten Texten Kafkas. Er handelt von einem Mann, der zum Angeklagten wird, aber nie erfährt, was er getan haben soll. Und wie immer bei Kafka geht auch diese Geschichte nicht gut aus.

Wo ist Kafka populär?

In Deutschland gehören Kafkas Bücher bis heute zur Pflichtlektüre in der Schule. Doch Kafka wird auf der ganzen Welt gelesen: in Asien, in Afrika, in Nordamerika, in Lateinamerika, in Europa, in Australien. In Indien ist er in Intellektuellenkreisen bekannt, und auch in Mexiko, Kolumbien und Argentinien ist er bis heute populär. Die Aufzählung könnte ewig fortgesetzt werden.

Zahlreiche internationale Schriftsteller beziehen sich in ihren  Romanen auf Kafka, sehen in ihm einen der wichtigsten modernen Autoren des 20. Jahrhunderts. Der 2014 verstorbene kolumbianische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez sagte sogar, dass ihn erst die Lektüre von Kafkas Buch "Die Verwandlung" dazu inspiriert habe, eigene Texte zu schreiben.

Das deutsche Adjektiv "kafkaesk" gibt es auch in vielen anderen Sprachen, unter anderem im Englischen, Koreanischen, Türkischen, Französischen, Japanischen, Russischen und Italienischen. Der Begriff beschreibt etwas, das auf unergründliche Weise bedrohlich erscheint - absurd, bizarr und unerklärlich.

Warum ist Kafka im 21. Jahrhundert noch aktuell?

Kafka behandelte in seinen Erzählungen zeitlose Themen: Bürokratie zum Beispiel, den Umgang mit Autoritäten oder vielmehr, das Gefühl, ihnen ausgeliefert zu sein. Der kolumbianische Schriftsteller Hernán D. Caro fragt sich in der Podcast-Reihe "Being Kafka" , ob die Texte des berühmten Autors nicht von Träumen, insbesondere Albträumen, inspiriert waren.

Eine Zeichnung  zeigt in groben Strichen einen Mann, der auf einem Stuhl sitzt und den Kopf auf den Tisch vor sich gelegt hat
Kafka schrieb nicht nur unermüdlich, er fertigt auch einige Zeichnungen anBild: picture alliance/akg-images/Archiv K. Wagenbach

Kafkas Erzählungen kreisen meist um menschliche Erfahrungen. Sie beschreiben poetisch das Gefühl der Verlorenheit, der Einsamkeit und der Hilflosigkeit in dieser Welt. Diese Gefühle sind universell. Sie gelten für Menschen damals und heute, sie gelten für Menschen in Deutschland und überall auf der Welt. Sie sind völlig unabhängig von kulturellen Kontexten oder politischen Strukturen. Deshalb wird Kafka auf allen Kontinenten gelesen und verstanden.

Seine klare, verständliche Sprache mache es auch Übersetzern leicht, seine Texte in andere Sprachen zu übertragen, erklärte Hernán D. Caro. Und er habe allen Autorinnen und Autoren nach ihm ein unglaubliches Geschenk gemacht: indem er ihnen gezeigt habe, wie man über die seltsamsten Dinge schreiben kann, als wären sie das Normalste der Welt. 

Tatsächlich war Kafka, dessen Bücher im Nationalsozialismus in Deutschland verbannt und verbrannt wurden, im Ausland zunächst bekannter als in Deutschland.

Warum die Nazis Bücher verbrannten

Was fasziniert die Gen Z an Kafka?

In den sozialen Medien ist Kafka zum Meme geworden. Das gilt insbesondere für das Ungeziefer, in das Protagonist Gregor Samsa in "Die Verwandlung" mutiert.

Auf TikTok tauschen sich Jugendliche über Kafka-Zitate aus. Diese sind zwar nicht immer korrekt, aber das tut der Kafka-Verehrung keinen Abbruch, die in Geburtstagstorten mit Kafka-Porträt gipfelt, die ebenfalls auf der Plattform präsentiert werden. Kafka spricht Jugendliche an, weil auch sie mit Autoritäten in Konflikt geraten und sich manchmal genauso verloren fühlen wie der Autor einst.

Die meisten Kafka-Inhalte auf Tiktok beziehen sich jedoch nicht auf den Schriftsteller, sondern auf eine Figur aus dem chinesischen Videospiel "Honkai: Star Rail". Mit dem echten Kafka hat er außer dem Namen nichts gemein. Und so ist der Schriftsteller unverhofft in der Popkultur angekommen - als weibliche Figur im Anime-Stil, mit lila Haaren, Sonnenbrille und Hotpants.