1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Wer hackte Bulgariens Finanzbehörde?

16. Juli 2019

In Bulgarien haben Hacker offenbar Steuer- und Finanzdaten von mindestens einer Millionen Bürgern kopiert. Die Sache wächst sich gerade zur politischen Affäre aus, denn angeblich stecken Aktivisten aus Russland dahinter.

https://p.dw.com/p/3MAOV
Bulgarien, Sofia: Gebäude der bulgarischen National Revenue Agency
Bild: Reuters/D. Kyosemarliev

Geht es um den Kauf US-amerikanischer Kampfjets - oder um den Wikileaks-Gründer Julian Assange? Die Politiker in Bulgarien tappen noch im Dunkeln - müssen aber kleinlaut eingestehen: "Wir wurden gehackt." Und noch schlimmer: Bisher kann niemand genau sagen, wer und welche Motive hinter dem Datendiebstahl stecken.

Tatsache ist - das hat die bulgarische Regierung inzwischen bestätigt: Im Mittelpunkt der Hackerattacke stand die bulgarische Finanzbehörde NAP (Archivbild). Dort sind die Steuer- und Rentenversicherungsdaten von rund sieben Millionen Menschen und Unternehmen, die in Bulgarien arbeiten, registriert. Der Angriff soll bereits Ende Juni stattgefunden haben; die Angreifer haben nach Regierungsangaben Zugang zu einem der 60 Server der Behörde gehabt.

Regierung oder Hacker - wer sagt die Wahrheit?

Damit hören die Gemeinsamkeiten dann aber auch schon auf. Wie viele Daten wurden gestohlen? Bulgariens Innenminister Marinow spricht davon, dass rund eine Million Menschen und Institutionen betroffen sein sollen. Die Hacker selbst - die sich an Medien gewandt haben - schreiben dagegen in einer E-Mail, sie hätten rund fünf Millionen Datensätze erbeutet - also deutlich mehr.

Genauso unklar ist, wer hinter dem Angriff steckt und was damit bezweckt werden soll. Innenminister Marinow glaubt offenbar, dass es sich um eine Attacke aus Russland handelt. Er vermutet einen Zusammenhang mit dem Kauf von acht US-Kampfjets des Typs F-16 von Lockheed Martin. Der kürzlich von der Regierung beschlossene Rüstungsdeal hat einen Wert von rund 1,2 Milliarden Euro.

Es handelt sich damit um den größten Rüstungskauf Bulgariens seit dem Ende des Kommunismus. Besonders pikant: Die amerikanischen Jets sollen ältere MiG-29-Flieger ersetzen, die noch aus sowjetischer Produktion stammen. Bulgarien war zu Sowjetzeiten ein Verbündeter Russlands, heute ist das Land EU- und NATO-Mitglied und damit fest in die westlichen Strukturen eingebunden.

Russicher MiG-29-Kampfjet
Bulgarien will alte MiG-29-Jets (Foto) durch US-Kampfflieger ersetzen. Ist das der Grund für die Hacker-Attacke?Bild: picture-alliance/dpa/A. Denisov

Denkzettel aus Moskau?

"Die Regierung hat mit dem Kauf der F-16-Maschinen eine wichtige Entscheidung getroffen und die E-Mail war russisch", sagte Innenminister Marinow. Er vermied es jedoch, Russland direkt des Hackerangriffs zu beschuldigen. Der Angriff "kommt aus dem Ausland" und "berührt die nationale Sicherheit", fügte er hinzu.

Aus der Mail, die die - angeblichen - Hacker bulgarischen Medien geschickt haben, lässt sich anscheinend aber auch etwas anderes herauslesen. Demnach könnte es sich eher um eine Solidaritätsaktion für den in Großbritannien inhaftieren Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange handeln. In der Mail soll zur Freilassung von Assange aufgerufen werden. Außerdem verhöhnen die Hacker die Behörden. "Ihre Regierung ist geistig behindert. Der Zustand ihrer Cybersicherheit ist eine Parodie", zitieren bulgarische Medien aus der Mail.

Datendiebstahl macht vielen Menschen Sorge

UK Julian Assange
Julian Assange, im März in London verhaftet - ist die Attacke eine Solidaritätsaktion für ihn?Bild: picture-alliance/empics/V. Jones

In Bulgarien sorgt der Hackerangriff jetzt für viel Aufregung. Die Regierung hat einen nationalen Sicherheitsrat einberufen. Alle staatlichen Institutionen sollen auf ihre Datensicherheit überprüft werden; die Regierung plant außerdem, die EU-Agentur für Cybersicherheit um Hilfe zu bitten. Bulgariens Wirtschaftskammer reagierte entrüstet. "Es gibt heute kaum einen Bürger oder Unternehmer, der sich durch das Informationsleck nicht bedroht fühlt", sagte der Vizechef der Kammer, Popdontschew.

bru/jj /dpa,afp,rtr)