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Machtfrage in Südosteuropa

14. Oktober 2010

Wer ist der stärkere? Parlament? Regierung? Noch immer sind die Machtverhältnisse in Südosteuropa unausgewogen, kritisieren Experten auf einer Konferenz in Dubrovnik. Welche Folgen hat das für die EU-Integration?

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Teilnehmer der 12. Internationalen Parlamentarierkonferenz in Dubrovnik, Kroatien (Foto: FES Zagreb)
Teilnehmer der 12. Internationalen Parlamentarierkonferenz in DubrovnikBild: Friedrich-Ebert-Stiftung Zagreb

In den meisten Ländern Südosteuropas stehen die Parlamente im politischen Schatten der Regierung: Nicht die Parlamente kontrollieren die Exekutive, sondern umgekehrt, lautet die ernüchternde Bestandsaufnahme des Zagreber Politologen Nenad Zakosek auf der internationalen Parlamentarierkonferenz in Dubrovnik Mitte Oktober. Die Abhängigkeit der Legislative von der Exekutive hat ihre Ursachen unter anderem in den schlechten Arbeitsbedingungen und der Vorbildung der Abgeordneten. Wenn diese sich über neu zu verabschiedende Gesetze sachkundig machen wollen, dann fehlen ihnen häufig die erforderlichen Kompetenzen und Kapazitäten. Hinzu kommt der enorme Reformdruck in den Transformationsstaaten, die wegen der EU-Integration eine ganze Reihe von Auflagen erfüllen müssen.

Vertrauensverlust

Parlament in Zagreb (Foto: DW/Subic)
Schwaches kroatisches Parlament muss gestärkt werdenBild: DW / Subic

Gleichzeitig haben die Abgeordneten in den südosteuropäischen Parlamenten mit einem schlechten Image zu kämpfen, wie aktuelle Umfragen zeigen. Trotz vieler Reformen verlieren immer mehr Menschen das Vertrauen in die Politik, stellt Adrian Severin fest, ein rumänischer Abgeordneter im Europaparlament. Seiner Ansicht nach haben sich in vielen Ländern parallel zu den Parlamenten neue Plattformen politischer Auseinandersetzungen gebildet, beispielsweise durch die Polit-Talkrunden in den elektronischen Medien. Doch diese tragen nur wenig zur Klärung von Sachthemen bei, meint Severin.

In Kroatien zum Beispiel entstehen durch den politischen Vertrauensverlust neuer personenzentrierte populistische Kampagnen mit Slogans wie etwa "Der Mensch - nicht die Partei!". "Wir müssen besser mit den Menschen über die Politik kommunizieren", räumt Neven Mimica, stellvertretender kroatischer Parlamentspräsident selbstkritisch ein. Dies gelte auch für die zunehmende Europaskepsis der kroatischen Bevölkerung. Obwohl Kroatien gute Aussichten hat, noch 2012 der EU beitreten zu können, sind gegenwärtig nur noch 38 Prozent der Kroaten für einen EU-Beitritt. Zu langes Warten, Verhandlungsblockaden, sehr harte Beitrittskonditionen sowie die Befürchtung, dass die kroatische Politik ihre nationalen Interessen Brüssel unterordnen muss, haben zu diesem Stimmungsbild beigetragen.

EU-Chefsache

re. Gernot Erler, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender im deutschen Bundestag, li. Bernd Fischer, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Kroatien (Foto: FES Zagreb)
Fordert EU-Perspektive für Südosteuropa, Gernot Erler (rechts)Bild: Friedrich Ebert Stiftung Zagreb

Gleichzeitig nehme auf Seiten der EU die Erweiterungsmüdigkeit zu, je länger die Blockadepolitik in einigen südosteuropäischen Staaten andauere. Als Beispiel führte Balkanexperte Gernot Erler die "politische Dauerbaustelle" Bosnien-Herzegowina an. Seiner Ansicht nach haben die jugoslawischen Nachfolgerepubliken - abgesehen von Slowenien - ohnehin im Vergleich zu Rumänien und Bulgarien schlechtere Voraussetzungen für die Akzeptanz von Demokratie.

Der Grund dafür sei, dass die Auflösung Jugoslawiens teilweise als Verlust von Ordnung wahrgenommen worden sei. Die Anreize von Außen erwiesen sich nicht als stark genug, um die Politik zur Änderung ihrer Verhaltensweisen zu bewegen, so Erler. "Die Beitrittskandidaten im westlichen Balkan brauchen einen verlässlichen Rahmen für eine EU-Perspektive." Das sei präventive Friedenspolitik. Außerdem müssten die Anträge auf Mitgliedschaften zügig bearbeitet werden. Schwelende Konflikte wie etwa der Namensstreit zwischen Griechenland und Mazedonien müsse die EU zur Chefsache machen und sich aktiv einschalten, fordert Erler.

Die verzögerte Transformation auf dem Westbalkan habe in Westeuropa eine "Wegguck-Mentalität" ausgelöst. Deshalb sei geboten, gerade auf der Ebene der Parlamentarier den Dialog fortzusetzen und ihn künftig sogar auf westeuropäische Abgeordnete auszuweiten, sagt Erler. Die Parlamentarierkonferenz in Dubrovnik biete seit zwölf Jahren Gelegenheit zum Austausch und werde auch künftig eine bewährte Plattform für den Dialog der politischen Akteure in der Region sein.

Autorin: Verica Spasovska

Redaktion: Mirjana Dikic / Nicole Scherschun