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Das Problem mit der Libido

Clare Roth
1. März 2024

Häufig haben Paare verschiedene sexuelle Bedürfnisse. Das kann eine Partnerschaft ganz schön auf die Probe stellen. Hier einige Tipps, wie man das Problem angehen kann.

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Paar liegt im Bett
Sex ist nicht immer spontan. Für viele Menschen ist Sex in Wirklichkeit ein Wunsch nach Nähe und Intimität. Bild: McPhoto/Bildagentur-online/picture alliance

Andrea lebt in Berlin und ist mit Ben zusammen, einem freundlichen, kreativen und hilfsbereiten jungen Mann. Sie hatte allerdings schon bald das Gefühl, dass sie zwar intellektuell kompatibel waren und sich gut unterhalten konnten, aber es gab von Anfang an ein Problem: Er war weniger an Sex interessiert als sie.

Zuerst dachte Andrea, dass er vielleicht nicht wirklich Interesse an ihrer Person hatte. Aber das wies er vehement zurück. Sex stand bei ihm nur wesentlich weiter unten auf der Prioritätenliste als bei Andrea.

"Was unsere zwischenmenschliche Beziehung angeht, gab es nicht viel, was wir hätten ändern sollen", sagt sie. Trotzdem fühlte sie sich in der Beziehung einsam, so als ob etwas fehlte.

Die DW hat ihre Namen geändert, um die Privatsphäre des Paares zu schützen. Aber es ist eine wahre Geschichte - und sie passiert häufiger als man vielleicht denkt. Hier erfahrt ihr, wie du und dein Partner oder deine Partnerin eine glückliche Beziehung aufbauen könnt. 

Charaktereigenschaften sind nicht ausschlaggebend

"Ein unterschiedliches sexuelles Verlangen ist in langfristigen Beziehungen ziemlich unvermeidlich", so Kristen Mark. Sie ist Sex- und Beziehungsforscherin und Professorin für Family Medicine und Community Health an der University of Minnesota Medical School.

Es sei wichtig zu verstehen, dass es für sexuelles Verlangen keine festen Regeln gebe. "Früher dachten wir, dass es eine Eigenschaft ist, die sich im Laufe der Zeit kaum verändert, nach dem Motto 'Ich bin einfach ein Mensch mit geringem Sexualtrieb'", sagt Mark.

Stattdessen verschiebt sich das sexuelle Verlangen mit der Zeit. Das hat Folgen. "Bei zwei Menschen, deren Sexualtrieb sich im Laufe ihres Lebens verändert, wird es Momente oder auch längere Zeiträume geben, in denen es zu einem Missverhältnis kommt", so Mark.

Der Sexualtrieb ist individuell

Mark teilt die Faktoren, welche die Libido beeinflussen, in drei Kategorien ein: individuelle, zwischenmenschliche und gesellschaftliche Faktoren. Zu den individuellen Faktoren gehören zum Beispiel Stress, Gesundheit oder auch Schlafmangel. "Bei manchen Menschen dämpft Stress wirklich das Verlangen. Bei anderen wiederum steigert Stress die Lust", so Mark.

Weibliche Libido: Was treibt die Lust auf Sex bei Frauen?

Zwischenmenschliche Faktoren haben damit zu tun, ob ein Paar in der Beziehung glücklich ist oder ob sie eine starke Anziehungskraft aufeinander ausüben. "Wir hören von vielen Menschen, die denken, sie hätten ein geringes Verlangen, aber in Wirklichkeit steckt dahinter: 'Ich mag meinen Partner einfach nicht so sehr'", erklärt Mark.

"Vor allem in langjährigen Beziehungen haben manche Paare ein Muster entwickelt, wie sie ihren Sex initiieren. Wird man zum Beispiel ein paar Mal abgewiesen, kann sich das sehr negativ auf das sexuelle Verlangen auswirken. Man hat dann einfach keine Lust mehr, sich zu nähern", erklärt Mark.

Andrea erzählt, dass sie diese Erfahrung in ihrer Beziehung mit Ben gemacht habe. Aus Angst, aufdringlich zu wirken oder zurückgewiesen zu werden, verzichtete sie lieber ganz auf Sex mit ihm.

Gesellschaftliche Aspekte sind wichtig

Frauen, die den Großteil der häuslichen Pflichten übernehmen, haben möglicherweise weniger Lust auf Sex mit ihren Partnern. Sie haben vielleicht das Gefühl, dass die Partner nicht ihren gerechten Anteil an der Hausarbeit leisten oder dass ihre Partner aktiv zu ihren Stressgefühlen beitragen.

Sex ohne Scham

Sexuelles Verlangen ist oft nicht das, was wir denken: Ein spontaner Drang, aus heiterem Himmel Sex haben zu wollen. Aber es sei seltener als ein Verlangen, das auf verschiedene Reize reagiert. "Es kann sein, dass man vor dem Sex erstmal keine Lust hat, aber dann fühlt es sich großartig an", sagt Mark.

Fehlende Libido überbrücken

Während sich der Partner oder die Partnerin mit dem stärkeren Sexualtrieb vielleicht einsam fühlt, wird die andere Person möglicherweise als problematisch angesehen. Das wiederum setzt die andere Person unter Druck. Paare, die gut mit diesem Unterschied zurechtkommen, träfen sich in der Mitte, sagt Mark.

Paare sollten "ein wirklich offenes Gespräch über sexuelle Bedürfnisse führen", rät Mark. Es ist wichtig herauszufinden, wie ihre individuellen Bedürfnisse erfüllt werden können, so dass es für beide funktioniert.

Für viele Menschen, so Mark, sei der Wunsch nach Sex in Wirklichkeit ein Wunsch nach Nähe und Intimität. Guter Sex in einer Beziehung kann eine Bestätigung dafür sein, dass man anziehend und gewollt ist. Für manche Paare sind zärtliche Berührungen, die nicht zu Sex führen, eine Möglichkeit, diese Kluft zwischen den verschiedenen Bedürfnissen zu überbrücken.

Einen 'normalen' Sexualtrieb gibt es nicht

Es gebe keine Norm dafür, wie oft man Sex pro Woche hat, sagt Mark. Sie ermutigt die Paare, sich von dem Druck zu befreien, dass ihr Sexualleben "unnormal" sei oder schlechter als das des Paares nebenan sei. Einige Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Sex einmal pro Woche der "Sweet Spot" sein könne, also durchaus sinnlich. Aber, so Mark, "das ist wirklich individuell".

Der Text ist ursprünglich auf Englisch erschienen.