Weltwirtschaft 2015: Ein Blick in die Kristallkugel
31. Dezember 2014Die Eurozone wird abermals die Rolle des Sorgenkindes für die Weltwirtschaft übernehmen. Nur ein mageres Wachstum wird ihr vorausgesagt. "Wir erwarten für die Eurozone 0,8 Prozent Wachstum für das nächste Jahr", sagt Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank.
Dabei ist die Eurokrise durch die EZB eingedämmt. Die Wirtschaft in den Krisenländern rappelt sich auf. Es sind diesmal die großen Euro-Volkswirtschaften, die ins Straucheln geraten sind. "In Italien ist es recht dramatisch, wo die Wirtschaft weiter schrumpft. Dort wurden jahrelang Strukturreformen verschleppt", sagt Roland Döhrn, Leiter der Konjunkturabteilung beim Essener Forschungsinstitut RWI. In Frankreich würden hingegen Probleme dadurch gelöst, indem der Staat mehr Geld ausgegeben habe. Nun stoße der Staat aber an seine Grenzen, so Döhrn gegenüber der Deutschen Welle.
Deutschland: nicht mehr als Wachstumsmotor tauglich
Unter der Formschwäche der Euro-Partner leidet auch Deutschland. Laut der Prognose der Bundesbank wird die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr nur um ein Prozent wachsen. Dass dem Wachstumsmotor der Eurozone nicht mehr zugetraut wird, hat auch mit der Politik zu tun. Statt Strukturreformen denke sie wieder ans Verteilen, kritisiert Roland Döhrn und nennt als Beispiel das Rentenpaket, das den mühsam erreichten Kompromiss der Rente mit 67 ohne Not zurückdrehe: "Die Kosten müssen die Unternehmen und die Beitragszahler aufbringen. Das erhöht die Last für die Unternehmen und entzieht Nachfrage bei den Konsumenten."
Mit anderen Worten: Solche vermeintlichen Wohltaten schaffen keine Impulse für das Wachstum. Hinzu kommt die Energiewende, die die Strompreise nach oben treibt. "Die Energiewende ist ein sicherlich erstrebenswertes Ziel. Sie ist aber auch ein teures Ziel. Das ist im internationalen Wettbewerb durchaus ein Bremsfaktor", sagt Bielmeier von der DZ Bank im Gespräch mit der DW.
Was Deutschland bremst, beflügelt die USA. Der Fracking-Boom dort hat die Energiekosten gedrückt und die Reindustrialisierung begünstigt. "Viele Unternehmen kommen aus Asien zurück, um die Produktion in den USA wieder zu starten, weil es einfach wettbewerbsmäßig sehr günstig geworden ist", so der Chefvolkswirt der DZ Bank. Die Bank rechnet mit einem durchschnittlichen Wachstum von drei Prozent für die nächsten Jahre in den USA.
China: kein Crash, aber lahmendes Wachstum
Für die zweitgrößte Volkswirtschaft sagt die Bank einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von knapp über sieben Prozent voraus. Für die wachstumsverwöhnten Chinesen wäre das die niedrigste Rate seit 1990. Das ist durchaus gewollt, da die Regierung in Peking ein nachhaltiges Wirtschaften anstrebt. Das kreditfinanzierte und exportgetriebene Wachstum soll durch mehr Konsum ausbalanciert werden. Mit seinen großen Währungsreserven werde China die Herausforderungen meistern, meint Stefan Bielmeier: "Das ist ein sehr stark stabilisierender Faktor. Wenn irgendwo ein Problem auftaucht, hat man die Möglichkeiten, auszugleichen. Dadurch dürften die Probleme nicht zu einer gesamtwirtschaftlichen Bedrohung führen."
Während der chinesische Drache an Dynamik verliert, macht sich der indische Elefant warm für den nächsten Sprung. Für das zweitbevölkerungsreichste Land prognostiziert die Industrieländer-Organisation OECD ein Wachstum von 6,6 Prozent. RWI-Experte Döhrn ist skeptisch: "Man wird abwarten müssen, inwieweit das jetzt Vorschusslorbeeren für die neue Regierung sind. Schließlich gehört Indien immer noch zu den Ländern, die große strukturelle Probleme haben."
Lateinamerika: Kontinent der Enttäuschung
Das trifft auch auf die zwei Schwergewichte in Lateinamerika, Brasilien und Argentinien, zu, meint der Ökonom. Brasilien leide unter den Engpässen in der Infrastruktur, Argentinien unter der verfahrenen Situation durch die Staatsschulden. "Lateinamerika hat auch immer noch das Problem, dass dort die Wirtschaft in sehr vielen Ländern sehr stark rohstoffbasiert ist, also sehr stark von der Entwicklung der Rohstoffpreise abhängt."
Da sie im Moment eher nach unten gehen, wird Lateinamerika auch im kommenden Jahr der Kontinent der Enttäuschung bleiben. Bei Venezuela wird sogar über einen Staatsbankrott spekuliert, soll der Ölpreis bei 60 Dollar pro Barrel verharren oder gar weiter fallen.
Rezession in Russland
Auch für Nigeria und Russland wird ein fallender Ölpreis die Haushaltslöcher weiter aufreißen. Da die russische Wirtschaft zusätzlich von Sanktionen des Westens belastet wird, wird sie 2015 um eine Rezession nicht herumkommen, so die Einschätzung von Stefan Bielmeier.
Des einen Leid ist des anderen Freud. Für Länder, die Öl importieren, kommt der niedrige Rohölpreis einem Wachstumsprogramm gleich. "Ein Ölpreisverfall ist ja, wenn man so will, eine globale Umverteilung von Einkommen und bedeutet für Länder wie Deutschland letztendlich ein Realeinkommensgewinn", so der Ökonom Döhrn.