1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Weißrussland wird nie 90es Subjekt der Russischen Föderation"

19. Juni 2002

– Reaktion von Aleksandr Lukaschenka auf die kritischen Äußerungen von Wladimir Putin

https://p.dw.com/p/2Qs6

Minsk, 18.6.2002, INTERFAX-SAPAD, russ.

Weißrussland wird nie zum 90en Subjekt der Russischen Föderation, die Union beider Staaten kann nur auf gleichberechtigter Basis errichtet werden, erklärte der Präsident Weißrusslands, Aleksandr Lukaschenka, am Dienstag (18.6.) in Minsk bei einer Sitzung über die Umsetzung der Vereinbarungen, die bei den weißrussich-russischen Verhandlungen in Sankt Petersburg erzielt wurden.

Das weißrussiche Staatsoberhaupt unterstrich, das die Union Weißrusslands und Russlands schon immer Aufmerksamkeit auf sich zog und mehrmals Gegenstand "scharfer und manchmal auch ungewissenhafter Diskussionen war". "Bereits mehrmals waren wir Zeugen von Versuchen, einen Keil zwischen Weißrussland und Russland zu schlagen. Etwas ähnliches ist auch jetzt als Ergebnis der Verhandlungen in Sankt Petersburg geschehen", sagte Aleksandr Lukaschenka. Er unterstrich, dass er und der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, "keine grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten über die Notwendigkeit des Aufbaus der Union Russlands und Weißrusslands haben können". Dem weißrussischen Staatsoberhaupt zufolge "brauchen die einfachen Menschen die Union und nicht die Präsidenten, eine Alternative gibt es nicht". "Wir sind für einen lebendigen und greifenden Mechanismus der Union und nicht für eine ‚Leiche‘, und damit die Union lebt und greift, müssen die vorher erzielten Abkommen umgesetzt werden", erklärte Aleksandr Lukaschenka. (...)

Der Präsident Weißrusslands unterstrich, man dürfe nicht von der Abwertung der Rolle des geltenden Vertrages mit der Russischen Föderation über die Schaffung des Unionsstaates sowie über dessen Abschwächung oder Kündigung sprechen. Der weißrussische Präsident erklärte: "Der Vertrag muss umgesetzt werden, man darf ihn nicht wegwerfen und mit Füßen treten." (...)

Auf die kritischen Äußerungen des russischen Präsident bezüglich der Perspektiven der Union eingehend, die in der letzten Woche "auf allen (russischen) Kanälen" zu vernehmen waren, sagte Aleksandr Lukaschenka, "jemand von der höchsten Ebene Russlands braucht das". Gleichzeitig ist er der Ansicht, dass "unsere Völker und Politiker sich ruhig dazu verhalten müssen: die Russische Föderation ist ein demokratisches Land, in dem nicht nur der Bürger, sondern auch der Präsident – ähnlich wie bei uns - das Recht hat, das zu sagen, was er denkt." Nach Meinung des weißrussischen Führers zeugen die in Moskau abgegebenen Erklärungen davon, dass "die russische Seite nicht den Wunsch hat, sich in Richtung Vereinigung der Brudervölker Weißrusslands und Russlands zu bewegen." "Das ist nicht neu", sagte er. Aleksandr Lukaschenka erklärte, dass "der Dialog im Rahmen der Union schon immer in erster Linie von der russischen Seite torpediert wurde". "Wir haben schon immer zu hören bekommen, dass Weißrussland eine Art Klotz am Bein Russlands sei und seine inneren Probleme auf Kosten der Russischen Föderation lösen wolle: sowohl Essen als auch etwas zu trinken würde man uns geben", unterstrich er. Heute, so Aleksandr Lukaschenka, "haben wir das von der höchsten Ebene zu hören bekommen". "Und das ist gut so, da wir jetzt die Position der Führung Russlands kennen", erklärte er.

Der weißrussichen Seite werde eine föderale Ordnung vorgeschlagen, "damit wird der Republik vorgeschlagen, 90es Gouvernement der Russischen Föderation zu werden", sagte Aleksandr Lukaschenka. Er unterstrich: "Wir werden zu keiner nordwestlichen oder nordöstlichen Regionen eines anderen Staates. Weißrussland ist ein unabhängiger Staat mit allen Merkmalen der Souveränität." Aleksandr Lukaschenka betonte, Weißrussland sei bereit, eine Union nur auf gleichberechtigter Grundlage aufzubauen, unter Beibehaltung der Souveränität beider Staaten.

Der Präsident Weißrusslands teilte mit, dass die russische Seite bei den Verhandlungen in Sankt Petersburg vorgeschlagen habe, "vor der Wahl des Parlaments" den derzeit gültigen Vertrag "auszulaugen, ihn des Inhaltes zu berauben". Ihm zufolge geht es um die Schwächung des Unionsvertrages, "damit das Parlament, das von beiden Völkern gewählt wird, gesichtslos und ohne Vollmachten ist". "Aus dem Vertrag (über die Union) darf kein Feigenblatt gemacht werden: wenn wir uns vor dem künftigen Parlament fürchten, so sollte es überhaupt nicht gewählt werden", so Aleksandr Lukaschenka.

Das Oberhaupt des weißrussichen Staates erklärte, es könne dem Vorschlag Russlands nicht zustimmen, "den derzeit gültigen Vertrag in ein leeres Stück Papier zu verwandeln und ein neues Parlament zu wählen, das danach die Verfassung des Unionsstaates erarbeiten wird".

Der Präsident versicherte, dass "es bereits heute in beiden Staaten einen Mechanismus gibt, der ermöglicht, ein Referendum über die Verfassung abzuhalten". Minsk schlägt vor, "den Vertrag nicht anzutasten, eine Verfassung zu erarbeiten, diese bei den Referenden anzunehmen, danach ein Parlament zu wählen und weitere übernationale Organe zu bilden". "Es kann keine Rede davon sein, dass wir etwas wie die Sowjetunion vorschlagen", betonte Aleksandr Lukaschenka.(...) (lr)