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Weißrussland vor den Parlamentswahlen

11. Oktober 2004

- DW-Forum über Wege zur Unterstützung der demokratischen Kräfte

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Bonn, 11.10.2004, DW-RADIO / Russisch, Britta Kleymann

Seit der Erweiterung der Europäischen Union nach Osten grenzt das Bündnis unmittelbar an Staaten, die früher weit weg erschienen. Zu diesen Staaten zählt auch Weißrussland. Das Land gilt als die letzte Diktatur Europas, seit zehn Jahren herrscht dort der autoritäre Präsident Aleksander Lukaschenko. Am 17. Oktober wählen die Weißrussen ein neues Parlament. Über die Situation vor den Wahlen diskutierten im Bonner Funkhaus der Deutschen Welle deutsche und weißrussische Experten. Britta Kleymann mit Einzelheiten.

Gute Nachrichten aus Weißrussland sind selten, darin waren sich die Experten auf dem Podium schnell einig. Für sie steht fest: freie und faire Wahlen wird es in Weißrussland auch in diesem Jahr nicht geben. Die Anzeichen dafür häufen sich: Oppositionspolitiker verschwinden, unabhängige Organisationen werden in ihrer Arbeit behindert, Grundrechte und Pressefreiheit sind eingeschränkt. Umso wichtiger sei es, mit unverfälschten Informationen an die Öffentlichkeit zu gehen, sagte Oleg Manajew, Professor am Institut für politische und sozialökonomische Forschung in der weißrussischen Hauptstadt Minsk:

"Wegen der totalen Blockade der Massenmedien gibt es für die demokratischen Kräfte und unabhängigen Forscher sehr wenige Möglichkeiten, der Bevölkerung in unserem Land die Wahrheit mitzuteilen. Deshalb wähle ich den Weg über die Deutsche Welle und andere Kanäle."

In Weißrussland gebe es Millionen Menschen, die den Kurs des Präsidenten nicht unterstützen. Dennoch fühlten sich Lukaschenkos Gegner in der Minderheit, so Manajew. Die Meinung der Opposition sei im offiziellen Weißrussland nicht gefragt und komme in den staatlich gelenkten Medien auch nicht vor.

Umso wichtiger sei deshalb die Unterstützung durch den Westen, so die Meinung der Gäste aus Minsk. Man dürfe das weißrussische Volk nicht mit seinem Präsidenten gleichsetzen und müsse den Dialog unbedingt aufrecht erhalten, forderte Rainer Lindner von der deutsch-belarussischen Gesellschaft. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Uta Zapf, OSZE-Beauftragte für Weißrussland, macht sich keine Illusionen über Appelle und Hilfsprogramme des Westens:

"Wirklich etwas bewirken tun wir im Moment mit keinem der Programme, mit gar nichts außer mit der Unterstützung für die Opposition und für die Nichtregierungsorganisationen, die von außen kommt."

Im Laufe der Diskussion bemühten sich die Experten, kein allzu düsteres Bild von der Lage in Weißrussland zu zeichnen und auch positive Entwicklungen aufzuzeigen. Ja, die Wahlen würden manipuliert - aber immerhin dürfen OSZE-Beobachter ins Land, die diese Manipulationen aufdecken. Ja, Lukaschenko herrsche autoritär - aber dennoch gebe es eine lebendige Zivilgesellschaft. Und vor allem - ja, die unabhängige Presse werde unterdrückt. Aber es gebe Chefredakteure, die lieber für ihre Überzeugung ins Gefängnis gehen als zu schweigen.

Man war sich einig: es gibt sie, die guten Nachrichten aus Weißrussland - auch wenn man sie mit der Lupe suchen muss. Und so wagte Dietrich Schlegel, Vertreter der Organisation "Reporter ohne Grenzen", am Ende der Diskussion einen vorsichtig-optimistischen Blick in die Zukunft:

"Das ist es, was uns hoffen lässt, und die Geschichte lehrt, dass auch ein Herr Lukaschenko nicht ewig an der Macht sein wird, und dann haben an der Unterminierung eines solchen Systems diese kritischen Journalistinnen und Journalisten ganz gewiss ihren Anteil, dafür gebührt ihnen große Hochachtung." (lr)