1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Weidmann: Euro-Zone braucht neutralen Aufpasser

Bernd Riegert12. September 2015

Im Interview mit der Deutschen Welle sagt der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, dass eine Art europäischer Finanzminister sinnvoll wäre. Eine Reform der Euro-Zone tue not.

https://p.dw.com/p/1GVdG
Bundesbank-Chef Jens Weidmann vor der Zentrale der Bundesbank (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa/A. Dedert

Bundesbank-Präsident Weidmann: Eurozone braucht bessere Strukturen

Beim informellen Treffen der Finanzminister und Notenbank-Chefs der Euro-Währungsgemeinschaft wurde das so genannte "Fünf-Präsidenten-Papier" diskutiert. In dem Papier haben die Präsidenten der fünf wichtigsten EU-Institutionen ihre Vorstellung von einer vertieften Zusammenarbeit in der krisengeschüttelten Euro-Zone aufgeschrieben. In den nächsten zehn Jahren soll ein EU-Finanzminister eingeführt werden, der die Wirtschafts- und Währungspolitik zentral vorgibt und in die Budgethoheit der Mitgliedsstaaten eingreifen kann. Risiken soll die Gemeinschaft tragen. Zu diesen Plänen nimmt der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, Stellung:

Deutsche Welle: Herr Weidmann, Sie sagen, die fünf Präsidenten haben eine Skizze für die Zukunft der Euro-Zone vorgelegt, keine richtige Zeichnung. Was fehlt denn noch für ein richtiges Gemälde?

Jens Weidmann: Zunächst einmal ist es wichtig, dass wir uns diesen Fragen überhaupt stellen, weil die Richtung, in die sich die Währungsunion entwickeln soll, jetzt diskutiert werden muss. Grundsätzlich stehen dort zwei Wege zur Auswahl. Zum einen der Sprung in eine Fiskalunion. Das bedeutet gemeinschaftliche Entscheidungen und dann auch eventuell gemeinschaftliche Haftung für diese Entscheidungen. Oder die Rückbesinnung auf den Maastricht-Rahmen, also das Prinzip der Eigenverantwortung. Die fünf Präsidenten gehen relativ klar in Richtung Zentralisierung und haben dieses Modell ausgearbeitet.

Im Moment tragen die Staaten Ihrer Meinung nach also nicht selbst genug Verantwortung, sondern schieben das in Richtung Zentrale. Und das muss sich ändern?

Wir haben ja bei Gründung der Währungsunion festgelegt, dass wir die Geldpolitik gemeinsam entscheiden wollen, aber in anderen wichtigen Politikbereichen weiterhin national entscheiden. Damit ein solches System funktioniert, muss dann auch die Verantwortung für diese Entscheidungen bei den jeweiligen Staaten liegen. Das ist das Haftungsprinzip, das jeder Unternehmer kennt, das aber auch für das Funktionieren der Währungsunion ganz zentral ist.

Wir müssen jetzt mit einer institutionellen Ausgestaltung der Währungsunion dazu beitragen, dass dieser Rahmen, den wir beschlossen haben und der geltendes Recht ist, besser funktioniert. Das heißt, die Verbindung zwischen Staaten und Banken trennen. Das heißt, insgesamt das Finanzsystem robuster machen. Das heißt aber auch, eine Insolvenzordnung für Staaten diskutieren. Das sind alles wichtige Faktoren, damit unsere Währungsunion weiterhin auch als Stabilitätsunion funktionieren kann.

Eine der Ideen, die in dem Präsidenten-Papier steht, ist ein europäischer Finanzminister oder Schatzkanzler, der als Schiedsrichter auftritt. Braucht die Euro-Zone so eine Institution und wie sollte die aussehen?

Ein wichtiger Punkt, der in dem Bericht angesprochen wird, ist die Tatsache, dass die Fiskalregeln nicht wirklich funktioniert haben und deshalb die Bindungswirkung der Fiskalregeln gestärkt werden muss. Die Überwachung der Regeln obliegt der EU-Kommission. Die befindet sich aber in einer Doppelrolle. Das ist zum einen eine politische Funktion, zum anderen soll sie auch neutraler Wächter sein.

Der Vorschlag, der in dem Bericht angedacht ist, den wir in der Bundesbank ähnlich sehen, ist, dass es sinnvoll wäre, diese Überwachungsfunktion einer neutralen Instanz zu übertragen. Die wäre nicht den politischen Erwägungen ausgesetzt, damit eben die Fiskalregeln auch wirklich eingehalten werden und wir nicht Wege suchen, warum wir sie nicht einhalten müssen und Überschreitungen zu rechtfertigen sind.

Jens Weidmann (47) ist seit Mai 2011 Präsident der Deutschen Bundesbank. Weidmann ist Mitglied im Rat der Europäischen Zentralbank. Der Volkswirt war zuvor finanzpolitischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel.