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Weißrussland stellt politische Fragen der Union in den Vordergrund, Russland – wirtschaftliche

4. Januar 2002

– "Schicksalhafte" Beschlüsse bei letzter Sitzung des Staatsrates gefasst

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Minsk, 3.1.2002, BELARUS TODAY, russ., nach UTRO.RU

Die Ergebnisse der Sitzung des Obersten Staatsrates der Union Russlands und Weißrusslands, die am 26. Dezember stattfand, sind beachtenswert. Entgegen den Erwartungen standen nicht Fragen der politischen, sondern der wirtschaftlichen Integration beider Staaten im Vordergrund. Lukaschenka ließ sich im Endeffekt auf alle Bedingungen ein, auf denen die russische Seite bestanden hatte. Soweit wir es beurteilen können, machte der Kreml Aleksandr Grigorjewitsch einen klassischen "Vorschlag, bei dem er nicht nein sagen konnte".

Ungeachtet aller leidenschaftlichen Appelle des weißrusssichen Führers zur schnellstmöglichen Vereinigung und entsprechender Beschuldigungen gegenüber Moskau, sah in Wirklichkeit alles ganz anders aus. Zu einer Konföderation kann es tatsächlich nicht kommen ohne die Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes, was eine marktwirtschaftliche Umwandlung der weißrussischen Wirtschaft, die Vereinheitlichung der Gesetzgebung auf diesem Gebiet und die gegenseitige Öffnung des Marktes voraussetzt. Eben darum kämpfte Moskau hartnäckig. Lukaschenka sprach – nicht weniger hartnäckig – von der politischen Vereinigung und setzte alles dran, um der Verpflichtung nicht nachzukommen, in seiner Domäne eine kapitalistische Ordnung herzustellen. In Moskau zur "schicksalhaften" – wie er sagte - Sitzung eingetroffen, erklärte der Präsident Weißrusslands vor allem, dass "es an der Zeit ist zu entscheiden, wie das Parlament und andere Machtstrukturen der Union aussehen werden". Gelöst werden mussten jedoch hauptsächlich andere Fragen.

Der sehnlichste Wunsch, das politische Fuhrwerk vor das wirtschaftliche Zugferd zu stellen, ist verständlich. Natürlich, real ist es kompliziert, sich mit solch einer Konstruktion vorwärts zu bewegen. Aber dabei könnte man auch weiterhin den Hafer auf der russischen Seite des Fuhrwerkes auflesen und müsste sich nicht abrackern, um diesen Hafer zu verdienen.

Noch Anfang Dezember, als russische Experten in Minsk weilten, setzte sich Lukaschenka gegen das von ihnen vorgeschlagene Programm der Privatisierung weißrussischer Betriebe und andere Maßnahmen zur Liberalisierung der Wirtschaft sowie gegen die Anpassung der nationalen Gesetzgebung auf dem Wirtschaftsgebiet an die fortschrittliche russische Gesetzgebung ein. Die Vereinigung der Märkte beider Länder könnte zum Verlust der finanziellen und wirtschaftlichen Selbständigkeit von Minsk führen. Ein jeder würde sich das überlegen. Lukaschenka hat aber eigentlich keine Wahl – das Problem einfach schön zu reden, wie das unter Jelzin der Fall war, wird nicht mehr gelingen.

Als Ergebnis sind bei der Sitzung am 26. Dezember tatsächlich "schicksalhafte" Beschlüsse gefasst worden, jedoch andere als Aleksandr Grigorjewitsch sich vorstellte. Der Entwurf der Verfassung des Unionsstaates ist an diesem Tag ebenfalls erörtert worden. Konkreter wird es darum aller Wahrscheinlichkeit nach jedoch im Februar bei der nächsten Sitzung des Staatsrates gehen. Worüber ist man diesmal übereingekommen? Welchen Forderungen von Lukaschenka ist man nachgekommen?

Die weißrussische Seite hat versprochen, bereits in nächster Zeit den ersten und Ende 2002 auch den zweiten Teil der Steuergesetzgebung anzunehmen unter Festlegung gemeinsamer Prinzipien der Besteuerung (das heißt, die russische Gesetzgebung zu übernehmen). Ferner müssen bis 2003 die Zolltarife vereinheitlicht werden. Ab 2003 werden Russland und Weißrussland eine abgestimmte Haushaltspolitik auf der Grundlage eines Haushaltes ohne Defizit (Aleksandr Grigorjewitsch, kommen Sie zur Vernunft!) betreiben. Und letztendlich wird 2005 die einheitliche Währung eingeführt (die Seiten haben einen entsprechenden Vorgehensplan bestätigt). Es wird der russische Rubel sein (und die Nationalbank Weißrusslands wird kein Geld mehr ausgeben dürfen).

Nachdem Aleksandr Grigorjewitsch die Schlüssel von der eingenommenen administrativen Festung der weißrussischen Wirtschaft herausgerückt hatte, nahm er sofort die Siegerpose ein. Es stellte sich heraus, dass eben er sich für reale Schritte bei der Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsraumes eingesetzt hatte. Putin war in seinen Äußerungen nicht so leidenschaftlich, er unterstrich, dass "der Erfolg der russisch-weißrussischen Integration in deren Konsequenz liegt" und es deshalb "wichtig ist, das eingeschlagene Tempo beizubehalten". Die letzte Bemerkung war wahrscheinlich nach den Erfahrungen bei der Arbeit mit den slawischen Brüdern gemacht worden, die auch früher schon des öfteren Verpflichtungen übernahmen, jedoch nicht immer einhielten.

Ob das alles so klappen wird? Noch vor der Sitzung hatte Lukaschenka aufgerufen, "alle Pünktchen aufs i zu setzen": entweder setzen wir das um, was vorgesehen ist, oder nehmen ernste Änderungen an unseren Plänen vor und sprechen offen darüber". Sollte jedoch Minsk erneut versuchen, den sachlichen wirtschaftlichen Dialog auf das deklarative politische Niveau zu bringen, so könnte Moskau die Pünktchen aufs i einseitig setzen. (...) (lr)