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Was es heißt, für den Kosovo zu starten

12. November 2021

Sportlerinnen und Sportler aus dem Kosovo sind international erfolgreich. Doch immer wieder müssen sie den Preis für den politischen Konflikt um ihre Heimat zahlen.

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Boxer aus dem Kosovo - Bashkim Bajoku
Bashkim Bajoku, Boxer aus dem KosovoBild: Bashkim Bajoku

Dass Bashim Bajoku ein sehr guter Boxer ist, spielte keine Rolle, es zählte nur, dass er aus dem Kosovo stammt. Der 19-Jährige - er hat fünf Boxturniere in seiner Heimat und zwei in Albanien gewonnen und ist seit 2021 Balkanmeister in der Gewichtsklasse bis 52 Kilogramm - wollte eigentlich Ende Oktober bei den Amateur-Boxweltmeisterschaften in der serbischen Hauptstadt Belgrad starten. Doch er und andere Boxer aus dem Kosovo wurden an der serbischen Grenze abgewiesen, weil sie Trainingsanzüge mit den kosovarischen Staatssymbolen trugen. "Das ist unfair", sagt Bajoku der DW. "Als Athleten sind wir sehr enttäuscht, denn wir haben viel trainiert. Und diese Blockade hat negative Auswirkungen auf unsere mögliche Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024."

"Niemals aufgeben"

2008 erklärte der Kosovo formell seine Unabhängigkeit von Serbien - neun Jahre nach dem Ende des Kosovo-Kriegs, der von Februar 1998 bis Juni 1999 dauerte; acht Jahre, nachdem die Region unter die Verwaltung der Vereinten Nationen gestellt worden war. Die Souveränität des Kosovo wird jedoch nur von etwas mehr als der Hälfte der UN-Mitgliedsstaaten anerkannt, unter anderen von den USA, Deutschland und vielen EU-Mitgliedsländern. Zu den Staaten, die den Kosovo nicht als eigenständigen Staat sehen, gehören China, Russland und - wenig überraschend - auch Serbien.

Boxer aus dem Kosovo gewinnt gegen serbischen Boxer
Boxer Bashim Bajoku (r.) nach einem Sieg gegen einen serbischen KonkurrentenBild: Bashkim Bajoku

Im Sport akzeptieren internationale Verbände, darunter der Fußball-Weltverband FIFA und das Internationale Olympische Komitee (IOC), den Kosovo als gleichberechtigtes Vollmitglied. Probleme gibt es jedoch häufig, wenn Sportveranstaltungen in Ländern ausgetragen werden, die den Kosovo nicht anerkennen. Dann stehen die Einreisebeschränkungen dieser Länder im Widerspruch zu den Regeln der internationalen Sportverbände, die allen ihren Mitgliedern eine faire und gleichberechtigte Teilnahme an allen Wettkämpfen garantieren. "Wenn sie uns als Athleten blockieren, berauben sie uns großer Chancen, unsere Karrieren international voranzutreiben", beklagt Boxer Bajoku. "Aber wir werden niemals aufgeben."

Endstation Griechenland

Ähnlich wie jetzt Bajoku und den anderen Boxern aus dem Kosovo erging es Redona Gashi Anfang des Jahres. Die 18 Jahre alte Karate-Kämpferin wollte an einem Wettkampf in Zypern teilnehmen. Obwohl der Inselstaat, der traditionell enge Beziehungen zu Serbien pflegt, den Kosovo nicht als unabhängigen Staat anerkennt, erhielten Gashi und ihre Teamkolleginnen und -kollegen Visa, um bei dem Wettkampf starten zu können. Die Karateka erreichten Zypern jedoch erst gar nicht, weil Griechenland ihnen die Einreise verweigerte. Wie Zypern gehört auch Griechenland zu den fünf EU-Staaten, die den Kosovo nicht anerkennen. "Wir hatten eine Menge Probleme", sagt Gashi der DW. "Eigentlich haben wir immer politische Probleme. Häufig gibt es auch Schwierigkeiten, Visa zu bekommen. Wir werden diskriminiert."

Kosovo Pristina | Karatekämpferinnen
Redona Gashi (r.) mit einer befreundeten Karateka in der kosovarischen Hauptstadt PristinaBild: Redona Gashi

Eine einheitliche Linie in Sachen Sport fehlt bei jenen Staaten, die den Kosovo nicht als unabhängig akzeptieren. So erlaubt etwa das EU-Mitglied Spanien Athletinnen und Athleten aus dem Kosovo den Start bei Sportveranstaltungen im Land - vorausgesetzt, sie verzichten dabei auf nationale Symbole. Auf der anderen Seite stehen Staaten wie Indien, die generell keine kosovarischen Sportlerinnen und Sportler zulassen und ihnen Visa verweigern. So erging es auch Donjeta Sadiku, die 2018 für den Kosovo an den Box-Weltmeisterschaften der Frauen in Indien teilnehmen sollte.

Kosovo lehnte Kompromissangebot ab

Im Fall der Boxer um Bashim Bajoku beschwerte sich die Regierung des Kosovo beim Box-Weltverband AIBA. Der bemühte sich um einen Kompromiss: Das kosovarische Team sollte doch bei der WM antreten dürfen, allerdings ohne nationale Symbole. Diese Lösung empfanden die Verantwortlichen im Kosovo  jedoch als inakzeptabel, auch Präsidentin Vjosa Osmani lehnte diese Bedingung ab.

Die AIBA veröffentlichte nach dem Vorfall eine Presseerklärung, in der sie die Mitgliedsländer aufforderte, die Regeln des Verbandes zu respektieren. Der Sport solle Barrieren abbauen, so die AIBA. Anfragen der DW an serbische Offizielle und Sportverbände blieben bisher unbeantwortet.

Der Generalsekretär des Olympischen Komitees des Kosovo (KOC), Besim Aliti, erklärte gegenüber der DW, er könne nicht viel mehr tun, als zu protestieren und auf die ungerechte Behandlung hinzuweisen. "Zuallererst ist es wichtig, zu reagieren und sich für Chancengleichheit stark zu machen", sagte Aliti. "Für das KOC ist es wichtig, sich von der Politik zu distanzieren. Es ist nicht unsere Aufgabe, Beziehungen zwischen zwei Ländern herzustellen. Uns geht es darum, die Rechte der Athletinnen und Athleten zu schützen."

Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert von Stefan Nestler.

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Vjosa Cerkini Themen: Kosovo, die anderen Westbalkan-Länder und deren Verbindungen zum Westen