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Die besten Ideen kommen unter der Dusche

Fred Schwaller
26. Oktober 2022

Vielleicht sehen auch Sie manchmal einfach nur so aus dem Fenster und lassen Ihren Gedanken freien Lauf? Genau das sind die Momente, in denen sich oft außergewöhnliche Erkenntnisse und brillante Ideen entwickeln.

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Illustration | Archimedes-Prinzip - Archimedes in der Badewanne
Heureka soll Archimedes gerufen haben, als er in der Badewanne die Gesetze des Auftriebs erkannteBild: Leemage/IMAGO

Es heißt, dass der griechische Mathematiker Archimedes in der Badewanne saß, als er das Prinzip des Auftriebs erkannte. Vermutlich brachte ihn sein eigener Körper auf diese Idee, als er im Wasser schwamm. Der entscheidende Moment war der, in dem die bis zum Rande gefüllte Wanne überlief. Die Menge dieses Wassers entsprach dem Körpervolumen von Archimedes.

Das war im Jahr 225 v.Chr. und es war die Geburtsstunde des Archimedischen Prinzips. Er selbst beschrieb es folgendermaßen: "Der statische Auftrieb eines Körpers in einem Medium ist genauso groß wie die Gewichtskraft des vom Körper verdrängten Mediums."

"Eureka, Heureka!" soll Archimedes gerufen haben, bevor er aus der Badewanne sprang und nackt durch die Straßen von Syrakus rannte. 

Wissenschaftliche Entdeckungen durch eine plötzliche Eingebung

Im Laufe der Jahrhunderte waren sogenannte Epiphanien, also Eingebungen, die Initialzündung für viele wissenschaftliche Entdeckungen. Am bekanntesten ist vielleicht die Geschichte von Sir Isaac Newton, der das Gesetz der Schwerkraft entdeckte, nachdem ihm ein Apfel auf den Kopf gefallen war, während er sich unter einem Baum entspannte.

Auch Träume waren von Zeit zu Zeit Nährboden für wissenschaftliche Entdeckungen. So kam Dmitri Mendelejew nach drei Tagen intensiven Nachdenkens im Traum auf die Idee, ein Periodensystem zu erstellen. Und August Kekule fand die chemische Struktur von Benzol heraus, während er von einer Schlange träumte, die sich in ihren eigenen Schwanz biss und so mit ihrem Körper einen geschlossenen Kreis bildete.

Symbolbild Schlaf, Traum
Beim Nichtstun haben wir oft die besten IdeenBild: Eva Blanco/Westend61/imago images

Aber es ist nicht nur das Faulenzen und Dösen, das neue Ideen hervorbringt. Auch Wandern und Reisen sind Erlebnisse, bei denen man auf so manche neue Idee kommen kann, auch wenn sie nicht so bahnbrechend sind, wie die einiger Wissenschaftler. 

Albert Einstein beispielsweise erlebte offenbar einen regelrechten Sturm in seinem Kopf, als er 1905 in einer Straßenbahn in Bern in der Schweiz saß. Diese Fahrt führte ihn letztlich zur allseits bekannten Relativitätstheorie. Etwa 18 Jahre später kam Leo Szilard die Idee der nuklearen Kettenreaktion und damit der Atombombe. Das passierte, als er an einer Ampel in London wartete.

Nachdenken, entspannen, Epiphanie?

Was haben Epiphanien mit Entspannung zu tun? Das Auffälligste an diesen plötzlichen Erkenntnissen ist, dass sie großartigen Wissenschaftlern kamen, während diese eben gerade nicht intensiv mit ihrer Arbeit beschäftigt waren. Psychologischen Theorien zufolge braucht der Geist Phasen der Entspannung, um sich kreativ entfalten zu können. 

Aber natürlich reichen entspannte Spaziergänge nicht aus, um die Entdeckung des Jahrhunderts zu machen. Auch harte Arbeit und intensives Nachdenken sind wichtige Faktoren.

Die erwähnten Geistesblitze kamen den Wissenschaftlern nachdem sie sich über längere Perioden intensiv mit einer Fragestellung auseinandergesetzt hatten.

So hatte sich Archimedes tagelang den Kopf darüber zerbrochen, wie er das Gewicht des Goldes in der Krone von König Hieron berechnen könnte. Dieser hatte ihn dazu beauftragt. Die Lösung kam ihm dann in der Badewanne. Das Archimedische Prinzip, das ihm beim Beobachten seines eigenen Körpers im Wasser einleuchtete, wandte er auch auf die goldene Krone an. 

Soweit wir wissen, gibt es kein Geheimrezept dafür, wie Epiphanien zustande kommen. Wichtig aber scheint eine Kombination aus intensiver Arbeit und ebenso intensiver Entspannung zu sein.

Die Forschung legt allerdings nahe, dass nicht alle Formen von Entspannung dazu führen, dass im Kopf eine Flut von Erkenntnissen und Ideen entsteht. Laut einer Studie sind anspruchslose Aufgaben, die nicht langweilig sind, aber dennoch Aufmerksamkeit erfordern, am besten dafür geeignet, neue Ideen hervorzubringen. Spazierengehen etwa, Stricken oder sogar Duschen können solche Beschäftigungen sein. 

Experten sind der Meinung, dass Bewegungen, die sich wiederholen oder Gedanken, die einfach umherschweifen, eine wichtige Unterstützung für unseren Geist sind. Sie helfen uns, einzelne Ideen miteinander zu verbinden. Das gilt beispielsweise fürs Gehen, von dem Aristoteles, William Wordsworth und Friedrich Nietzsche sagten, es sei die beste Zeit zum Denken.

Illustration | Isaac Newton sitzt unter einem Baum
Isaac Newton war entspannt und ließ seinen Gedanken freien Lauf, als er von einem herabfallenden Apfel getroffen wurde und so das Gesetz der Schwerkraft entdeckteBild: Leemage/IMAGO

Die Psychologie, die hinter Epiphanien steckt

Bei Epiphanien geht es nicht nur um wissenschaftliche Entdeckungen. Wir alle haben von Zeit zu Zeit Aha-Erlebnisse und Eingebungen für unser eigenes Leben, und das geschieht auf ähnliche Weise wie bei den großen Denkern.

Wir sind vielleicht im Supermarkt oder unter der Dusche, und dann - zack! - kommt ganz plötzlich eine wichtige Erkenntnis oder wir haben Einfälle, die vielleicht sogar unser Leben verändern. 

Psychologen wie Carl G. Jungund Christopher Bollas haben dafür Erklärungen. So beschrieb Jung Epiphanien als eine Kommunikation zwischen dem Unbewussten und dem Bewussten.

Bollas bezeichnete Epiphanien als das "ungedachte Bekannte". Mit anderen Worten: Es sind Dinge, die wir tief in unserem Unterbewusstsein bereits wissen und an die wir vorher nicht bewusst gedacht haben. Bollas baute auf Jungs Ansätzen zu Epiphanien auf, der sagte, es handele sich um seltene Momente, in denen das Unbewusste ins Bewusste durchdringt.  

Die Phänomene sind nicht geplant, stehen nirgendwo geschrieben und tauchen plötzlich und aus dem Nichts einfach auf. Sie entziehen sich vollkommen unserer Kontrolle. Wir können Epiphanien nicht bewusst herbeiführen. Eines der grundlegenden Ziele der Psychotherapie besteht darin zu lernen, wie wir es dem Unbewussten ermöglichen können, in unser bewusstes Denken vorzudringen. Nach Jung bedeutet dies, dass wir die Kontrolle unseres Egos über unser Unbewusstes aufgeben müssen.

Was auch immer der Grund sein mag, die Kombination aus intensivem Denken und anschließender Entspannung ist vielleicht der beste Weg, um mit unserem Unbewussten in Kontakt zu treten - oder sogar den nächsten großen Durchbruch in der Wissenschaft zu erzielen – Heureka!

Adaptiert aus dem Englischen von Gudrun Heise