Warum so viele Schiffe unter Panamas Flagge fahren
18. Januar 2025Nahezu zeitgleich mit der Sicherungsaktion des Öltankers "Eventin" hat am vergangenen Wochenende ein weiterer aus Russland abgefahrener Tanker vor Rügen Probleme bekannt gegeben. Die Besatzung des Tankers "Jazz" meldete einen Maschinenschaden. Nach wenigen Stunden habe die Besatzung die Probleme laut Agenturangaben selbst behoben. "Jazz" liegt mittlerweile vor Skagen im Norden Dänemarks, auch die "Eventin" sollte dorthin gebracht werden. Stand Donnerstag darf der Tanker auf Anweisung deutscher Behörden aber noch nicht weiterfahren.
Anders als die "Eventin" steht die "Jazz" nicht auf einer Liste der Umweltorganisation Greenpeace mit Schiffen der sogenannten russischen Schattenflotte - laut Agenturangaben etwa 190 marode Schiffe, mit denen Russland Öl transportiert. Russland soll mit unter fremder Flagge fahrenden Tankern das internationale Ölembargo unterlaufen, das wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine verhängt wurde. Doch beide Schiffe haben eine große Gemeinsamkeit: sie fahren unter der Flagge Panamas. Doch warum ist ausgerechnet die Flagge dieses mittelamerikanischen Landes so beliebt?
Einfache Registrierung möglich
Einer der möglichen Gründe liegt in der einfachen Anmeldung: Panama betreibt ein sogenanntes offenes Register. Das heißt, jede natürliche oder juristische Person kann ein Schiff unter Panamas Flagge registrieren - unabhängig von ihrer Nationalität. Auch die Anzahl der registrierten Schiffe ist nicht begrenzt.
Das mittelamerikanische Land mit seinen 4,4 Millionen Einwohnern liegt bei den Registrierungen weit vorn. Laut dem UN-Organ UNCTAD (Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung) fuhren 2023 rund 16 Prozent der Handelsschiffe weltweit unter der Panama-Flagge. Auch das Online-Portal "The Maritime Executive" bescheinigt dem Land einen Rekordplatz. 2023 sei die Anzahl der Schiffe auf 8540 angewachsen, damit liegt Panama auf Platz 1.
Mit "billiger" Flagge Kosten sparen
"Panama ist ein typischer Billigflaggenstaat", erklärt Alexander Proelß, Professor für internationales Seerecht von der Universität Hamburg der DW. "Solche Staaten ermöglichen es Schiffsreedereien, ihre Schiffe für vergleichsweise niedrige Gebühren registrieren und damit die Flagge führen zu lassen." Zusätzlich können bestimmte Lohnstandards und strengere Schifffahrtsvorschriften umgangen werden. Für Panama dagegen sind die zahlreichen Registrierungen ein lukratives Geschäft.
Unabhängig vom russischen Angriffskrieg sei dies ein seit Jahrzehnten bekanntes Problem, an dem sich im Lichte des seerechtlichen Grundsatzes der Flaggenhoheit kaum etwas ändern lasse, sagt Proelß. Alle bisherigen Versuche seien letztlich gescheitert.
Alkohol-Ausschank statt Prohibition
Panamas Rekordplatz bei den Registrierungen hat eine jahrzehntelange Geschichte. Bereits seit dem Ende des 1. Weltkriegs begann die erste große Welle des sogenannten Ausflaggens, also der Wechsel der Nationalflagge - ohne dass sich die Eigentumsverhältnisse ändern.
Während der US-Prohibition durften US-amerikanische Schiffe keinen Alkohol ausschenken, unter der Flagge Panamas jedoch schon. In dieser Zeit wurde das offene Schiffsregister eingeführt, auch um höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu umgehen, die die US-Gesetzgebung eigentlich vorgeschrieben hatte. Panama machte den Anfang mit dem offenen Register, Honduras und Liberia folgten. Großen Aufschwung erlebte diese Praxis dann laut einem Blog der Universität Bremen in den 1980er Jahren.
Dies stieß auf große Kritik: Europäische Staaten versuchten ihr mit Offshore-Registern zu begegnen, die den Redereien bessere Bedingungen bieten sollten. Offshore-Register sind Register in abhängigen Gebieten größerer Flaggenstaaten. Die Vorschriften sind weniger streng und die Steuern niedriger. Dennoch behält der übergeordnete Flaggenstaat administrative Kontrolle.
Das UN-Seerechtsübereinkommen, ein multilateraler Vertrag, der häufig als "Verfassung für die Meere" bezeichnet wird, sieht zwar vor, dass zwischen dem Staat und dem Schiff, das seine Flagge führt, eine "echte Verbindung" bestehen muss.
Der Internationale Seegerichtshof hat jedoch bereits vor einigen Jahren klargestellt, dass dieses Kriterium nicht das Recht eines Staates einschränkt, einem Schiff seine Flagge zu verleihen. Es soll lediglich die Wahrnehmung der flaggenstaatlichen Pflichten nach Verleihung der Flagge gewährleisten.
Wenig Handhabe
Weder das Fahren unter "fremder Flagge" noch ein Durchqueren bestimmter Gewässer kann generell unterbunden werden. "Ein generelles Befahrensverbot für verdächtige Tanker ist mit dem internationalen Seerecht nicht vereinbar", erklärt Proelß der DW. Das könnte man seitens der EU allenfalls gegenüber Schiffen, die unter russischer Flagge fahren, implementieren.
Derweil erklärt Panamas Schiffsregister zumindest in Punkto Sicherheit bemüht zu sein. Laut "The Maritime Executive" teilte die Behörde mit, man habe 2022 etwa 160 Schiffe aus dem Register gestrichen. Das Durchschnittsalter der aus dem Register gestrichenen Schiffe soll bei rund 17 Jahren gelegen haben. Unter den gestrichenen Schiffen befanden sich 78 Fischereifahrzeuge, die mit nicht gemeldeter und unregulierter Fischerei in Verbindung gebracht wurden.