Warum Rosatom Beteiligungen in Kasachstan an China verkauft
16. Januar 2025Trotz steigender Uranpreise in den letzten fünf Jahren hat Russlands Staatskonzern Rosatom Beteiligungen an drei Joint Ventures mit dem Staatsunternehmen Kazatomprom zum Uranabbau in Kasachstan verkauft. Es handelt sich um 49,99 Prozent der Anteile am Uranförderunternehmen Zarechnoye, um 30 Prozent am Hersteller von Urankonzentraten Khorasan-U und 30 Prozent indirekter Anteile am Uranverarbeiter Kyzylkum. Sie alle gingen Mitte Dezember 2024 an Unternehmen in China.
Eine Folge westlicher Sanktionen?
Rosatom setzt Projekte in mehr als 60 Ländern um. Laut einem Bericht des Konzerns werden Dienstleistungen für 48 Kraftwerke im Ausland erbracht, die in Betrieb oder in Bau sind. Beobachter, mit denen die DW gesprochen hat, gehen davon aus, dass der Verkauf der Rosatom-Beteiligungen an chinesische Firmen auf kasachische Initiative zustande kam. Weil der weltweit größte Uranproduzent Kazatomprom fürchtet, unter die westlichen Sanktionen zu geraten, die gegen Russland wegen des Angriffskrieges auf die Ukraine verhängt wurden.
"Die kasachische Seite hat wahrscheinlich die russische gebeten, sich zurückzuziehen, weil Beteiligungen von Rosatom an Vermögenswerten toxisch sind und Einschränkungen mit sich bringen. Bei einer weiteren Zusammenarbeit könnten Sanktionen auch Kazatomprom treffen", meint der kasachische Ökonom Almas Chukin.
Das Interesse der kasachischen Seite ist durchaus berechtigt, wenn man bedenkt, dass Kazatomprom 29 Prozent seiner Produktion nach Europa verkauft. Im September 2024 erklärte Kazatomprom-Chef Meirzhan Yusupov gegenüber der Financial Times, dass die umfassende Invasion Russlands in der Ukraine und der anschließende Schlagabtausch mit Sanktionen zwischen dem Westen und Russland zu Hindernissen für Uranlieferungen aus Kasachstan geführt habe.
China investiert in Atomkraft
Der Uranabbau in den Lagerstätten Nord-Khorasan und Zarechnoye begann in den 1970er Jahren. Die Reserven gehen laut Kazatomprom zur Neige und betragen nur noch 3500 Tonnen, die in maximal drei bis fünf Jahre abgebaut seien. Die Uranreserven im Gebiet Khorasan-1 der Lagerstätte Nord-Khorasan liegen bei etwa 33.000 Tonnen.
Auf den ersten Blick mag der Erwerb von Anteilen an den genannten Joint Ventures durch chinesische Konzerne verwundern, da eine der Lagerstätten kaum noch Reserven bietet. Für China ist der Deal aber im Hinblick auf seine Energiesicherheit von strategischer Bedeutung. Als weltgrößter Energieverbraucher erzeugt China seinen Strom zum größten Teil aus fossilen Brennstoffen. Insbesondere mit Kohle werden mehr als 60 Prozent des Energiebedarfs des Landes gedeckt. Die Kernenergie macht bislang nur fünf Prozent des Energiemarktes aus.
Vor dem Hintergrund des erklärten Engagements der chinesischen Führung für erneuerbare Energien und den Klimaschutz erhöht das Land aber seine Investitionen in die Atomkraft. Derzeit laufen in China 54 Kraftwerke. Laut dem 14. Fünfjahresplan sollen bis zum Jahr 2035 über 150 neue Reaktoren entstehen. Daher ist das Interesse Pekings an Uranvorkommen nachvollziehbar. Zudem verfügt China über moderne Technologien und ausreichende Mittel für Investitionen in die Erschließung von Uranvorkommen - im Gegensatz zu Rosatom, das noch veraltete Methoden im Bergbau nutzt.
"Alles hängt in erster Linie davon ab, in welche Technologien investiert wird. Der rentabelste Teil der Vorkommen erschöpft sich zunehmend. Aber es gibt noch unerschlossene Gebiete, zum Beispiel am Rande der Vorkommen. Eine Partnerschaft mit dem Unternehmen Kazatomprom, das über viele noch unerschlossene Lagerstätten verfügt, kann somit künftig Profit bringen", meint Ökonom Almas Chukin.
Zugeständnisse an Peking?
Moskau habe mit dem Verkauf jener Beteiligungen gegenüber Peking gewisse Zugeständnisse gemacht, glaubt Daniyar Serikov, Experte des Wirtschaftsportals Inbusiness.kz. Dies sei ein Zeichen der Loyalität und Dankbarkeit für die Hilfe bei der Umgehung möglicher Sanktionen. "Vielleicht hat Rosatom seinen chinesischen Partnern einen Freundschaftsrabatt im Gegenzug für verschiedene Präferenzen gewährt. Der Deal könnte bis zu 500 Millionen Dollar schwer gewesen sein, auch wenn russische Beobachter von einem Preis zwischen 300 und 400 Millionen Dollar sprechen", so Serikov.
Für Kasachstan ist dem Ökonomen Almas Chukin zufolge der Verkauf russischer Unternehmensanteile an China durchaus von Vorteil, da dies für eine langfristige direkte Zusammenarbeit zwischen Produzent und Verbraucher sorgt. Er betont aber, dass ein weiter Weg zwischen dem liegt, was im Boden steckt, und dem, was eines Tages verkauft wird.
Moskau finanziell unter Druck
Ein weiterer Grund, weshalb Rosatom seine Anteile an Uranvorkommen verkauft, ist der Bedarf an Finanzmitteln. Die westlichen Sanktionen und die enormen Kriegsausgaben sorgen in Russland für ein Haushaltsdefizit, das sich auf die Finanzierung verschiedener Programme auswirkt. Zudem erfordert die Erschließung und weitere Ausbeutung von Uranvorkommen erhebliche Investitionen.
"Rosatom braucht das Geld jetzt vor dem Hintergrund der Sanktionen, unter denen die russische Wirtschaft steht", sagt Wirtschaftsexperte Daniyar Serikov und verweist dabei auch auf den Bau von Atomkraftwerken im Ausland, darunter in der Türkei.
Zwar gibt es keine direkten Sanktionen gegen Rosatom, doch die Europäische Union könnte jederzeit welche verhängen. Die USA haben bereits Maßnahmen gegen Strukturen des Konzerns ergriffen. Beispielsweise musste Rosatom aufgrund indirekter Sanktionen die Inbetriebnahme des Kraftwerks Akkuyu in der Türkei verschieben. Moskau und Ankara machten dafür das deutsche Unternehmen Siemens Energy verantwortlich. Es habe gegen Verträge verstoßen und Ausrüstung nicht fristgerecht geliefert, weshalb der für Ende Oktober geplante Start des ersten AKW-Blocks nicht eingehalten werden konnte. Der türkische Energieminister Alparslan Bayraktar teilte im Dezember mit, die fehlende Ausrüstung sei unterdessen in China bestellt und bereits zum Kraftwerk geliefert worden.
Was bleibt von Russlands Einfluss?
Auch nach dem Verkauf von Anteilen an China bleibt Rosatom in mehreren Joint Ventures in Kasachstan aktiv. Als Trumpf gilt das Joint Venture Budenovskoye, das mit geschätzten 114.000 Tonnen über die größten Uranvorkommen verfügt.
"Der starke Einfluss von Rosatom auf kasachisches Uran wird vor allem durch die enge Zusammenarbeit auf höchster politischer Ebene aufrechterhalten. Dies beweist der Erwerb von 49 Prozent am Joint Venture Budenovskoye im Jahr 2022, dessen Produktion in den kommenden Jahren den Verkauf der Beteiligungen an China wettmachen wird", so Experte Serikov.
Den von der DW befragten Experten zufolge wird die Abhängigkeit Rosatoms von kasachischem Uran künftig zunehmen, weil die Uranproduktion in Russland selbst keine 3000 Tonnen pro Jahr mehr übersteigt und sich die neuen Projekte des Staatskonzerns in Afrika nur langsam entwickeln. Gleichzeitig will Rosatom aber weiterhin Atomkraftwerke sowohl in Russland als auch im Ausland bauen.
Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk