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Warum Menschenhändler in Afrika immer neue Opfer finden

Martina Schwikowski
30. Juli 2024

Sieben Millionen Afrikanerinnen und Afrikaner leben in Formen moderner Sklaverei. Viele von ihnen sind Menschenhändlern in die Fänge geraten beim Versuch, die eigenen Lebensumstände zu verbessern.

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Migranten auf dem Weg durch die Sahara nach Libyen: Ein Lastwagen ist überfüllt mit Migranten, sie fahren durch den hellen Sand der Wüste
Immer mehr Afrikaner durchqueren die Sahara und nutzen die Wüste als Migrationsroute Richtung LibyenBild: Joe Penney/REUTERS

Sie gehen als Au-Pairs in eine fremde Stadt oder vertrauen sich Schleppern an bei ihrer Reise in eine vermeintliche Zukunft: Oft wird den Opfern erst im Laufe der Zeit bewusst, dass sie in die Fänge von Menschenhändlern geraten sind. Häufig sind es Menschen aus Nigeria, Mali, Niger oder dem Senegal, die es erst mit der Wüste Sahara und dann mit dem Mittelmeer aufnehmen, um nach Europa zu gelangen. 

Diese Routen sind lebensgefährlich - denn zu den Gefahren der Reise kommt noch das Risiko, verschleppt und ausgebeutet zu werden. So erging es der Nigerianerin Joyce Vincent, die ihre Migrationsreise überlebt hat. Sie berichtete 2023 der DW: "Wenn dich die Asma-Jungen erwischen, diese Diebe, die man in der Wüste Asma-Jungen nennt, dann verkaufen sie dich entweder in die Prostitution oder sie entnehmen dir deine Organe."

Afrikanerin in hellen Gewand und dunkel Kopftuch mit einer Gruppe von Migranten
Afrikanische Migranten, gestrandet an der Küstenregion in Grenznähe zu Tunesien und LibyenBild: MAHMUD TURKIA/AFP/Getty Images

Treibender Faktor für den Menschenhandel in Afrika ist die schwierige politische und soziale Lage der Menschen in den westafrikanischen Ländern, sagt Elvis Adjetey Sowah, Migrationsforscher an der Universität von Ghana. 

 "Wir müssen ihre komplette Situation betrachten, um das Problem angehen zu können", sagt Sowah zur DW. Ein Mangel an Lebensmitteln, Wohnraum und Arbeitsplätzen und die sich verschlechternde Sicherheitslage in Krisenregionen sind Hauptfaktoren, sich auf den Weg zu machen. Unterwegs würden viele von Betrügern und Schleppern ausgenutzt. 

Menschenhändler haben leichtes Spiel 

Oftmals geht den Migranten unterwegs das Geld aus, dann drohen ihnen Verschleppung und Zwangsarbeit, Mädchen und Frauen die Zwangsprostitution und Zwangsheirat.

Laut Schätzungen der internationalen Menschenrechtsgruppe "Walk Free" lebten im Jahr 2021 in Afrika sieben Millionen Menschen mit und ohne Migrationserfahrung in moderner Sklaverei: Mehr als 3,1 Millionen waren zwangsverheiratet und 3,8 Millionen Menschen in Zwangsarbeit, oft als Minenarbeiter im Bergbau, in der Landwirtschaft oder in Privathaushalten.

Binnenvertrieben in Sudan in bunten afrikanischen Gewändern stehen im Sand im Freien an, um sich für Lebensmittelrationen zu registrieren
Krise im Sudan: Durch gewaltsame Konflikte werden Millionen von Menschen vertriebenBild: Guy Peterson/AFP

In Eritrea, Mauretanien und Südsudan fallen Menschen besonders häufig der Sklaverei zum Opfer, in Mauritius, Lesotho und Botswana dagegen am seltensten in Afrika. Der Mangel an Strafverfolgung habe zudem viele Menschenhändler ermutigt, die notleidende Menschen mit dem Versprechen zu umgarnen, ihnen ein besseres Leben in Europa zu verschaffen. Stattdessen finden viele den Tod.

So starben im vergangenen Jahr laut einem Bericht der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mindestens 8565 Menschen auf den internationalen Migrationsrouten - davon mehr als 3100 im Mittelmeer und weitere rund 1900 innerhalb AfrikasDamit sei 2023 das tödlichste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen gewesen.

Konflikte verstärken die Not 

"Oftmals fliehen Personen, die Opfer von Menschenhandel wurden, vor ihren Tätern und vor Gewalt ausübenden Personen in andere Staaten", sagt auch Leonie Zantzer von der Hilfs- und Menschenrechtsorganisation Medico International zur DW. Nicht zuletzt seien auch Migranten, die sich auf den Weg machen, zum Teil Opfer von Menschenhandel. 

Ein blaues Holzboot, überfüllt mit Migranten in orangefarbenen Rettungswesten, auf dem Mittelmeer
Rettung von Migranten auf einem Holzboot im Mittelmeer: Nur wenigen Afrikanern gelingt eine Überfahrt nach EuropaBild: Simone Boccaccio/SOPA/IMAGO

Besonders Frauen und Mädchen seien betroffen: "Ihnen wurde in ihren Herkunftsländern versprochen, dass sie nach Europa oder in die Magreb-Staaten transportiert werden, aber sie finden sich in den Fängen der Menschenhändler wieder, müssen ihren Körper verkaufen und der Sexarbeit nachgehen", sagt Jantzer. Sich aus dieser Situation zu befreien, erscheine besonders schwierig. 

 Migration wird "kriminalisiert" 

 "Wäre Migration legal, würde das Geschäft der Schlepper gar nicht funktionieren", betont Jantzer. Migration auf dem afrikanischen Kontinent werde zunehmend kriminalisiert, das fördere den Menschenhandel, kritisiert die Referentin für Flucht und Migration. Auf Druck der EU gebe es derzeit mehr Abschiebewellen beispielsweise von Algerien in den Niger. Die Mehrheit der Migranten habe nicht genügend Geld, in die Europäische Union zu gelangen

Aber seit Mitte der 2000er-Jahre sei erkennbar, dass die EU ihre Grenzen auf den afrikanischen Kontinent vorverlagere und dort in Kooperation mit afrikanischen Sicherheitskräften nicht nur Küstengebiete, sondern auch Grenzübergänge und innerafrikanische Routen kontrolliere, sagt Jantzer. Migrationsbewegungen sollten somit unterbunden werden. 

Die Mitgliedsländer der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten ECOWAS, aber auch zahlreiche andere Länder Afrikas arbeiten gemeinsam an der Eindämmung des Menschenhandels und Schleusung von Migranten - mit Hilfe von Interpol und Afripol. An der ersten gemeinsamen Operation "Flash-Weka" vor einem Jahr arbeiteten Polizisten aus 54 Ländern Afrikas mit - es kam zu mehr als 1000 Verhaftungen und zur Aufdeckung von Tausenden von Opfern der kriminellen Netzwerke. 

Ein rotes Boot der spanischen Küstenwache hat ein bunt bemaltes Holzboot im Schlepptau, auf dem sich viele Menschen drängen. Im Vordergrund ein Hafenkai, im Hintergrund eine Landzunge.
Die spanische Inselgruppe der Kanaren - hier der Hafen von La Restinga auf der westlichsten Insel El Hierro - ist in den vergangenen Jahren verstärkt zum Ziel von riskanten Bootsüberfahrten gewordenBild: Europa Press/ABACA/picture alliance

Die Mitarbeiter stellten eine Zunahme der Online-Rekrutierung über Internet-Plattformen fest. Menschenhändler nutzen immer modernere Kommunikationstechnologien, um ihre Opfer gleich mehrfach auszubeuten: von Anwerbung potenzieller Opfer bis hin zur Erpressung mit Fotos und Videos. Solche Netzwerke sind in Burkina Faso, Kamerun, Elfenbeinküste, Ghana, Guinea und Mali aufgedeckt worden. 

Trotz derartiger Teilerfolge, bleiben die Maßnahmen gegen Menschenhandel laut "Walk Free" hinter den gesteckten Zielen zurück. Denn: Nach dem internationalen Völkerrecht ist Menschenhandel und Sklaverei verboten. 

Regierungen müssten enger zusammenarbeiten, bestehende Gesetze konsequenter umsetzen, Täter vor Gericht bringen, fordern Menschenrechtsanwälte der Organisation. Sie ruft auch zum Boykott des Kaufs von Waren und Dienstleistungen auf, die in Zwangsarbeit hergestellt werden. 

Mitarbeit: Isaac Khaledzi, Ghana

Migration: Mauretanien als Transitland nach Europa