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Kein Wort mehr über die Krise?

Katrin Gänsler21. Oktober 2015

Amtsinhaber Ouattara gilt als Favorit auf das Präsidentenamt der Elfenbeinküste und punktet mit Wirtschaftserfolgen. Doch entscheidende Fragen nach Aussöhnung werden ausgeblendet, berichtet Katrin Gänsler.

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Amtsinhaber Ado - Alassane Dramane Ouattara - ist im Land überall präsent
Bild: DW/K. Gänsler

Das große Stadion in Treichville, einem beliebten Stadtteil der Wirtschaftsmetropole Abidjan, ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Aus den Lautsprechern dröhnt Musik, die immer wieder von lautem Jubel für Amtsinhaber Alassane Ouattara übertönt wird. Ouattaras Wahlkampfteam gelingt es wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl am 25. Oktober, besonders viele Anhänger zu mobilisieren.

Auch Mariame Souaré beklatscht ihren Präsidenten immer wieder. Liebevoll nennt sie ihn bei seinem Spitznamen Ado. "Er ist ein Mann, der zu seinem Wort steht, der macht, was er sagt. Wir stehen hinter ihm, und wir vertrauen ihm. Er wird Präsident der Elfenbeinküste."

Sie schwärmt wie viele Ivorer von der verbesserten Infrastruktur, den neuen Straßen, Brücken und besseren Wirtschaftsperspektiven für Frauen. Nur über die Krise von 2010 und 2011 und die tiefe Spaltung will sie nicht mehr sprechen. "Das gibt es doch alles nicht mehr. Wir haben jetzt den Frieden. Ich bin das beste Beispiel. Ich komme aus dem Norden und lebe ohne Probleme im Süden."

Tiefe Spaltung des Landes

Dabei war das Land nach den Präsidentschaftswahlen im November 2010 tief gespalten. Damals erreichte weder Ouattara noch der damalige Amtsinhaber Laurent Gbagbo die absolute Mehrheit.

Es kam zu einer Stichwahl - Gbagbo weigerte sich nach der Stichwahl jedoch, seine Niederlage anzuerkennen. Damit hatte das Land über mehrere Monate zwei Präsidenten, zwei Armeen, zwei Regierungen. Insgesamt starben rund 3000 Menschen.

Nach der UN-Intervention mithilfe französischer Truppen wurde Gbagbo im April 2011 schließlich verhaftet und wartet jetzt auf seinen Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Der Prozessbeginn ist für den 10. November angesetzt.

Mariame Souaré und andere Wahlkämpfer (Foto: DW/Katrin Gänsler)
Wahlkämpferin Mariame Souaré unterstützt Amtsinhaber OuattaraBild: DW/K. Gänsler

Rund 6.3 Millionen registrierte Wähler von knapp 23 Millionen Einwohnern können am Sonntag zwischen acht Kandidaten wählen. Zwei Anwärter - Mamadou Koulibaly und Amara Essy - zogen ihre Kandidaturen bereits zurück. Essy sagte, er wolle nicht an einer Farce teilnehmen.

Einer von Ouattaras größten Rivalen ist Oppositionspolitiker Pascal Affi N'Guessan, der für Gbagbos alte Partei Front Populaire Ivorien (FPI) antritt und unter diesem auch eine Zeitlang Premierminister war. Doch seine Kandidatur gefällt nicht allen in der FPI - die Hardliner der Partei sehen ihn als Verräter an. Einige von Gbagbos Anhängern haben dazu aufgerufen, die Präsidentschaftswahl zu boykottieren.

Die Krise wird totgeschwiegen

Die Spaltung des Landes wird zumindest bei Wahlkampfveranstaltungen nicht thematisiert. Auch Oppositionspolitiker N'Guessan schüttelt fast ärgerlich den Kopf. Von einer Spaltung will er nichts wissen: "Die Leute aus dem Norden sind im Süden und die Leute aus dem Süden in Norden. Die Ivorer haben immer friedlich zusammen gelebt."

Ein wenig später räumt er allerdings ein: "Gut, es gab einige Moment der Spannung. Aber heute sind wir auf dem Weg der Versöhnung." Dafür wurde eigens eine Versöhnungskommission geschaffen.

Pascal Affi N'Guessan (rechts) (Foto: DW/Katrin Gänsler)
Oppositionspolitiker N'Guessan (rechts) war früher unter Gbagbo PremierministerBild: DW/K. Gänsler

Doch auf den Straßen Abidjans ist das kein Thema. Dabei könnte sie entscheidend für die Zukunft des Landes sein, meint Martin Johr, der das Büro der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Abidjan leitet. "Ich sehe noch sehr viel Misstrauen zwischen den Gruppen." Deshalb müsse dringen geklärt werden, wie es zu einem Dialog kommen und wie das Land gemeinsam gestaltet werden könne.

Möglicherweise helfen könnte eine Verfassungsänderung, die Ouattara Anfang der Woche für den Fall seiner Wiederwahl angekündigt hat. Die Frage, wer wirklich Ivorer ist, galt bereits 2002 als ein Auslöser für den Bürgerkrieg. Vor allem durch den Kakaoanbau gilt die Cote d'Ivoire seit jeher als beliebtes Einwanderungsland, das besonders viele Menschen aus Mali und Burkina Faso anzieht. Seit Jahrzehnten leben sie vor allem im Norden - ohne je Chancen auf einen ivorischen Pass zu haben.

Doch auch die Frage, wer überhaupt Ivorer ist, taucht in den letzten Tagen des Wahlkampfes nicht auf. Auch eine Passantin in Cocody, einem belebten Stadtteil Abidjans, schüttelt den Kopf. "Natürlich habe ich eine Meinung dazu", erklärt sie und rudert sofort wieder zurück: "Aber öffentlich sage ich dazu lieber nichts." Auch Oppositionskandidat N'Guessan wiegelt bei einem Auftritt im Haus der Wirtschaft ab: "Nationalität ist die Nationalität. Damit gibt es kein besonders Problem. Es gibt existierende Gesetze, die das organisieren. Meiner Meinung nach sollte man diese Gesetze einfach anwenden."