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Politik

Wahlsieger in Ägypten steht (fast) schon fest

29. Januar 2018

Neben Amtsinhaber Al-Sisi tritt nur ein weiterer Kandidat an: Mostafa Mussa von der Al-Ghad-Partei. Er hat bestenfalls Außenseiterchancen. Immer deutlicher regt sich nun Protest gegen die als unfair empfundenen Wahlen.

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Gazastreifen Hamas Übergabe Grenzverwaltung an Palästinenserbehörde
Bild: Reuters/I. A. Mustafa

Nun ist er doch nicht allein. Bei den Präsidentschaftswahlen im März trifft der derzeitige Amtsinhaber Abdel Fattah al-Sisi  auf einen Gegenkandidaten: auf Mussa Mostafa Mussa, den Generalsekretär der Al-Ghad-Partei. Kurz vor Ablauf der Frist hatte Mostafa Mussa die notwendigen Unterlagen am Montag bei der zuständigen Wahlkommission eingereicht - und ist somit neben dem Präsidenten der zweite Kandidat für das höchste ägyptische Staatsamt.

Es sind überschaubare Alternativen, zwischen denen sich die Ägypter bei den Wahlen entscheiden können. Und doch hat Mostafa Mussa das Angebot enorm erweitert. Mehrere Tage sah es nämlich so aus, als wäre Al-Sisi der einzige Kandidat. Alle anderen Bewerber waren in den vergangenen Tagen aus dem Rennen geschieden.

Verhaftungen, Willkür und ein Überfall

General Sami Anan, einer der aussichtsreichsten Konkurrenten Al-Sisis, war in der vergangenen Woche verhaftet worden. Er habe ohne Genehmigung kandidiert, lautete der Vorwurf. Anans Stellvertreter, der ehemalige oberste Korruptionsbekämpfer Hischam Geneina, war am Samstag in der Nähe seines Hauses in Kairo von Unbekannten überfallen worden. Nach Angaben seines Anwalts wurde er mit Stichwunden im Gesicht und einem gebrochenem Bein ins Krankenhaus gebracht.

Ein anderer Mitbewerber, der Anwalt und Menschenrechtsaktivist Khaled Ali, hatte seine Kandidatur zurückgezogen, nachdem mehrere Mitglieder seines Wahlkampfteams verhaftet worden waren. Bereits zuvor hatte ein weiterer Kandidat, Ahmed Schafik, unter dem 2011 zurückgetretenen Präsidenten Husni Mubarak Kommandant der ägyptischen Luftstreitkräfte und Minister für Luftfahrt, erklärt, nicht mehr kandidieren zu wollen. Andere Kandidaten, etwa Mohamed Anwar al-Sadad, ein Sohn des 1981 ermordeten Präsidenten Anwar al-Sadad, fühlten sich durch die Behörden gegängelt. 

Ägypten Al-Ghad-Parteichef Mousa Mostafa Mousa
Al-Sisis einziger Gegenkandidat: Mussa Mostafa MussaBild: Reuters/M. Abd El Ghany

Mussa eckte offenbar bislang nicht an. Offenbar schaffte er es auch, die 20 Unterschriften gewählter Parlamentarier vorzulegen, die - alternativ zu 25.000 Unterschriften potentieller Wähler - Voraussetzung sind, um als Kandidat zugelassen zu werden. Sein Ziel sei es, die Grundlagen für einen "ehrlichen Wettbewerb" zu legen, begründete er seine Kandidatur. Grundsätzlich unterstütze er aber Präsident Al-Sisi, erklärte er. Das Programm, mit dem er antritt, ist derzeit noch unbekannt. "Die Partei hat Ideen und Vorschläge, die sie dem ägyptischen Volk während der Bewerbung vorstellen wird", so Mostafa Mussa. Ob Mostafa Mussa aber eine ernsthafte politische Alternative zu Al-Sisi wäre, ist nicht zweifelsfrei ausgemacht: Bis vor kurzem hatte er als Hintergrundfoto seiner Facebook-Seite ein Porträt Al-Sisis verwendet. 

Kritik und Aufruf zum Wahlboykott

Bekannte ägyptische Politiker haben unterdessen zum Boykott der Wahlen aufgerufen. Zu den Unterzeichnern des Papiers gehören unter anderem der den Muslimbrüdern verbundene Präsidentschaftskandidat Abdel Moneim Abol Fotuh, der Weltraumforscher Essam Heggy und Mohamed Anwar al-Sadat.

Bereits seit Tagen stehen die Art und Weise der Wahlvorbereitung in der Kritik. Sauer stieß vor allem der Umstand auf, dass es neben Al-Sisi kaum weitere Kandidaten gegeben hatte, bis sie ihre Kandidatur in der vergangenen Woche zurückgezogen hatten. Der Versuch, die Ägypter davon zu überzeugen, sie würden an einer demokratischen Wahl teilnehmen, würde nur mit Spott aufgenommen, twitterte etwa Mohammed el-Baradei, Friedensnobelpreisträger, ehemaliger Generaldirektor der Internationalen Atomenergieorganisation und im Jahr 2013 für einige Wochen ägyptischer Vizepräsident.

Ägypten Präsident und Minister
Im Zentrum der Macht: Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-SisiBild: picture-alliance/AA/Egyptian Presidency

"Al-Sisi bleibt Präsident"

Nach Auffassung des Al-Jazeera-Kolumnisten Mohamad Elmasry gehen die Rücktritte der Präsidentschaftskandidaten auf erhöhten Druck durch die Regierung zurück. "Man braucht keinen Doktor in Politikwissenschaft zu haben, um die Botschaft des Regimes zu entschlüsseln: Al-Sisi wird auf absehbare Zeit ägyptischer Präsident bleiben, und gegenüber jeglicher Konkurrenz gibt es eine Null-Toleranz-Politik."

Angesichts der desaströsen Wirtschaftslage des Landes - Ägypten leidet unter einer Inflationsrate von fast 24 Prozent, die offizielle Arbeitslosenquote liegt bei über 12 Prozent - habe Al-Sisi Grund, sich Sorgen zu machen, so Elmasry. "Es ist gut möglich, dass Al-Sisis Versuche, seine Konkurrenten aus dem Weg zu räumen, einerseits seine Unsicherheit spiegeln und andererseits seinen Gegnern signalisieren, dass sie ihn nicht herausfordern sollten."

Ebenfalls auf Twitter nimmt ein Nutzer in einem Cartoon das Ergebnis der Wahlen auf sarkastische Weise vorweg. Ausgehen werde es so: 32 Stimmen für Abdel, 41 Prozent für Fattah und 27 Prozent für Al-Sisi. In anderen Worten: 100 Prozent Stimmen für Präsident Abdel Fattah al-Sisi.

Europäer zeigen sich zurückhaltend

Europäische Politiker halten sich mit Kommentaren zu Art und Weise der Wahlvorbereitungen bislang zurück. Generell pflege man in den europäischen Hauptstädten eine sehr unkritische Haltung gegenüber der Regierung Al-Sisi, sagt der Ägypten-Experte Stephan Roll von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. So gewähre man dem Lande weiterhin wirtschaftliche Hilfen in großem Umfang, ohne sie mit politischen Bedingungen zu verknüpfen. "Das hilft ganz klar dem Regime."

Dabei, so Roll, gebe es durchaus Möglichkeiten, politischen Druck auszuüben. "Das muss ja nicht gleich Richtung Regimewechsel gehen. Aber man müsste auf jeden Fall dafür sorgen, dass bestimmte rechtstaatliche Verfahren eingehalten werden. Derzeit werden sie mit den Füßen getreten."

Grundsätzlich, so Roll, sei es Rätsel, warum das Regime nicht von vornherein auf ein Referendum gesetzt habe. Womöglich habe Al-Sisi wirklich angenommen, er könne jede Wahl gewinnen - und in den letzten Wochen gemerkt, dass er eher unbeliebt ist.

Der Sieger des Präsidentschaftsrennens, so sieht es der Karikaturist Emad Hajjaj, dürfte dennoch schon feststehen: der derzeitige Amtsinhaber Al-Sisi. Dessen Gegner, so Hajjaj in seinem Cartoon, hatten einfach die schlechteren Chancen.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika