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Politik

Wahlen in Venezuela: Kann ein Außenseiter Maduro schlagen?

Gabriel González Zorrilla
27. Juli 2024

Am 28. Juli finden in Venezuela Präsidentschaftswahlen statt. Während sich der autoritär regierende Maduro an die Macht klammert, hofft die Opposition auf den Sieg des Außenseiters González Urrutia.

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Edmundo González Urrutia reckt mit freudigem Gesicht eine Hand zum Victory-Zeichen, neben ihm lächelt Oppositionsführerin María Corina Machado
Oppositionskandidat mit Soft Skills: Edmundo González UrrutiaBild: Ariana Cubillos/AP/picture alliance

Am Sonntag finden in Venezuela die mit Spannung erwarteten Präsidentschaftswahlen statt. Der autoritär regierende Amtsinhaber Nicolás Maduro, der seit 2013 an der Macht ist, kandidiert erneut. Seine bisherige Regierungszeit ist von schweren wirtschaftlichen Problemen, politischer Instabilität und internationalen Sanktionen geprägt. Zudem sind die Umstände dieser Wahl umstritten.

"Es handelt sich weder um freie noch um faire Wahlen. Die Opposition war nicht in der Lage, ihre Kandidaten frei zu nominieren", betont der venezolanische Journalist und Netzaktivist Luis Carlos Díaz gegenüber der DW. Die führende Oppositionspolitikerin María Corina Machado hätte Maduro an der Urne gefährlich werden können, doch sie wurde im Januar vom Obersten Gericht Venezuelas von der Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen. Machado ist bekannt für ihre scharfe Kritik an Maduros Regierung und ihre Forderungen nach tiefgreifenden Reformen.

Weder fair noch transparent

Die Frage der Wahlfreiheit in Venezuela ist zentral für die bevorstehende Abstimmung. Internationale Beobachter und Menschenrechtsorganisationen haben wiederholt auf die Einschränkungen der politischen Freiheiten hingewiesen. Die Regierung Maduro wird beschuldigt, die Justiz und die Wahlbehörden zu kontrollieren, oppositionelle Kandidaten zu disqualifizieren und Medien zu zensieren.

Nicolás Maduro im Anzug, die Krawatte in den venezolanischen Landesfarben, hebt den Finger während einer Rede
Desaströste Regierungsbilanz: Venezuelas Präsident MaduroBild: Ariana Cubillos/AP Photo/picture alliance

Auch Ana Soliz de Stange, Politikwissenschaftlerin an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg, formuliert gegenüber DW die von vielen Beobachtern geteilten Bedenken: "Zu diesen Behinderungen gehört die wiederholte Inhaftierung von Mitgliedern der Opposition, die auch ein klares Signal an die Bevölkerung sendet. Hinzu kommt die Kontrolle der Medien durch die Regierung und der Mangel an glaubwürdigen Wahlbeobachtern, nachdem die Einladung an EU-Wahlbeobachter zurückgezogen wurde."

Vorsichtige Hoffnung auf einen Wandel

Und dennoch scheint es, als ob am 28. Juli doch ein Wunder geschehen könnte. Das hat mehrere Gründe. Nach Jahren innerer Zerstrittenheit tritt die Opposition unter María Corina Machado wieder geeinter auf. Zwar kann sie selber nicht an den Wahlen teilnehmen, jedoch hat sich die Opposition auf einen Kandidaten einigen können, der als vermeintlicher Außenseiter auf der Wahlliste steht: Edmundo González Urrutia, ein prominenter Unternehmer und ehemaliger Diplomat, gilt nun als Hoffnungsträger. Laut Umfragen liegt er in der Wählergunst derzeit sogar vor Maduro.

González Urrutia verspricht wirtschaftliche Reformen, die Korruptionsbekämpfung und die Wiederherstellung demokratischer Institutionen. Hinzu kommt die weiterhin katastrophale wirtschaftliche Situation in Venezuela. Das Land leidet unter Hyperinflation, weit verbreiteter Arbeitslosigkeit und einem drastischen Rückgang der Ölproduktion, die einst das Rückgrat der Wirtschaft bildete. Millionen von Venezolanern haben das Land auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen verlassen, was zu einer der größten humanitären Krisen in der Region geführt hat.

María Corina Machado in weißer Bluse beugt sich von der Bühne zu einer Menschenmenge herab, aus der ihr viele Hände entgegengestreckt werden
Von der Wahl ausgeschlossen: Oppositionsführerin María Corina MachadoBild: Ariana Cubillos/AP Photo/picture alliance

"Obwohl es sich weder um eine faire noch transparente Wahl handelt, ist das Bündnis von María Corina Machado und Edmundo González Urrutia zuversichtlich: sie können die Wahl gewinnen und mit Hilfe von zivilen Wahlbeobachtern verhindern, dass die Wahlbehörde ein Ergebnis verkündet, das nicht dem Wunsch der Bevölkerung entspricht", äußert sich der Venezolaner Carlos Díaz vorsichtig.

Der Hoffnungsträger

Doch wer ist Edmundo González Urrutia, dieser freundlich wirkende ältere Herr, der wie aus dem Nichts ins Rampenlicht kam und am Sonntag zum Präsidenten gewählt werden könnte? "González Urrutia ist ein Karrierediplomat, der angesichts der Not der Opposition die Verantwortung als Stellvertreterkandidat übernommen hat. Seine Kandidatur hat die Chancen der Opposition sogar eher begünstigt", vermutet die Politikwissenschaftlerin Soliz de Stange. Dies habe mit der sehr versöhnenden Botschaft von González Urrutia zu tun, der die Einheit der Venezolaner beschwört und jede Polarisierung ablehnt. Damit würde er, so die Forscherin Soliz de Stange, auch enttäuschte Anhänger aus dem Regierungslager ansprechen und einen Weg für einen demokratischen Übergang im Land aufzeigen.

Edmundo González Urrutia sitzt auf einer Gartenbank und blickt lächelnd in die Kamera
Wie aus dem Nichts ins Rampenlicht: Präsidentschaftskandidat Edmundo González UrrutiaBild: Ronald Pena/AFP

Auch Luis Carlos Díaz sieht in den Soft Skills die eigentliche Stärke des politischen Außenseiters: "Er ist kein politischer Anführer, der große Reden schwingt oder auf Konfrontation aus ist. Er ist das Gegenteil eines lateinamerikanischen Populisten. Aber genau das ist paradoxerweise im Moment seine Stärke. González Urrutia stellt keine Bedrohung für das Oppositionsbündnis dar und ist keine feindliche Figur für die Teile der Regierungsanhänger, die lieber in einer Demokratie leben wollen."

Konsequenzen für die Region

Einige Analysten argumentieren, dass die Wahlen aufgrund der ungleichen Bedingungen und der systematischen Unterdrückung der Opposition zugunsten Maduros entschieden sein könnten. Dennoch bleibt ein gewisser Grad an Unvorhersehbarkeit bestehen, denn die wirtschaftliche Not und die Unzufriedenheit in der Bevölkerung könnte auch zu Überraschungen führen.

Die internationale Gemeinschaft verfolgt die Wahlen in Venezuela mit Argusaugen. Länder wie die USA, Kanada und mehrere EU-Mitgliedsstaaten haben Maduro nicht als rechtmäßigen Präsidenten anerkannt. Gleichzeitig gibt es Länder wie Russland, China und Kuba, die Maduro unterstützen und sich gegen ausländische Einmischung aussprechen.

Sollte Maduro am Sonntag den Wahlsieg für sich beanspruchen, befürchtet Luis Carlos Díaz Konsequenzen, die über das Land hinausgehen: "Die Wahlen in Venezuela sind für den Kontinent von großer Bedeutung. Falls sich Maduro wieder durchsetzt, wird dies zu einem weiteren Anstieg der Migration aus Venezuela führen. Acht Millionen Venezolaner haben ihr Land schon verlassen. Das ist ein Viertel der Bevölkerung."

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