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Wahlaufruf für die AfD: Kritik an Elon Musk wächst

30. Dezember 2024

In einem Gastkommentar in der Zeitung "Welt am Sonntag" hatte der Tech-Milliardär erneut zur Wahl der AfD aufgerufen. Ins Visier geraten ist auch der Axel-Springer-Verlag. Die fünf wichtigsten Fragen und Antworten.

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Elon Musk schreit in ein Mikrofon
"Make America Great Again": Elon Musk beim Wahlkampf von Donald Trump am 27. Oktober 2024 in New YorkBild: Evan Vucci/dpa/picture alliance

Was hat der US-Tech-Milliardär in seinem Gastkommentar geschrieben?

Nachdem Elon Musk schon Tage zuvor in seinem Netzwerk X gepostet hatte, dass nur die (in Teilen als rechtsextrem eingestufte) AfD Deutschland retten könne, legte der Trump-Berater nun während des Wahlkampfs zur Bundestagswahl am 23. Februar nach - mit einem Meinungsbeitrag in der Wochenzeitung "Welt am Sonntag: Die Alternative für Deutschland könne Deutschland davor bewahren, ein Schatten seines früheren Selbst zu werden, schrieb Musk dort. "Deutschland hat es sich in der Mittelmäßigkeit zu bequem gemacht - es ist an der Zeit für mutige Veränderungen, und die AfD ist die einzige Partei, die diesen Weg eröffnet."

Die AfD sei "der letzte Funken Hoffnung für das Land", dass am Rande seines "wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenbruchs" taumele, nur sie könne die deutsche Wirtschaft wiederbeleben und durch eine "kontrollierte Einwanderungspolitik" einen Identitätsverlust verhindern. "Denjenigen, die die AfD als extremistisch verurteilen, sage ich: Lassen Sie sich von dem ihr angehefteten Label nicht beirren", endet Musk und verweist auf die AfD-Co-Chefin Alice Weidel, die eine Partnerin aus Sri Lanka habe. "Klingt das für Sie nach Hitler? Ich bitte Sie!"

Wie fielen die Reaktionen auf Musks Gastkommentar aus?

Vernichtend. Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Mika Beuster, warnte alle Redaktionen, sich im Bundestagswahlkampf nicht instrumentalisieren zu lassen und sorgfältig mit Gastbeiträgen umzugehen. "Deutsche Medien dürfen sich nicht als Sprachrohr von Autokraten und deren Freunden missbrauchen lassen." CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz nannte den Wahlaufruf gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe "übergriffig und anmaßend" und kritisierte: "Ich kann mich nicht erinnern, dass es in der Geschichte der westlichen Demokratien einen vergleichbaren Fall der Einmischung in den Wahlkampf eines befreundeten Landes gegeben hat."

SPD-Generalsekretär Matthias Miersch sagte dem "Handelsblatt": "Dass der Springer-Verlag Elon Musk überhaupt eine offizielle Plattform bietet, um Wahlwerbung für die AfD zu machen, ist beschämend und gefährlich." Der Vorgang zeige, "wie weit rechte Netzwerke inzwischen vorgedrungen sind". SPD-Chef Lars Klingbeil warf Elon Musk vor, Deutschland "ins Chaos stürzen" zu wollen. "Elon Musk versucht nichts anderes als Wladimir Putin. Beide wollen unsere Wahlen beeinflussen und unterstützen gezielt die Demokratiefeinde der AfD." 

Die Kanzlerkandidatin der AfD für die Bundestagswahl, Alice Weidel, zitierte auf X einen Ausschnitt aus Musks Beitrag, ohne ihn weiter zu kommentieren.

Welche Strategie verfolgt Elon Musk mit solchen Äußerungen?

Der vermutlich reichste Mensch der Welt dürfte zunächst einmal die eigenen wirtschaftlichen Interessen im Blick haben. In seinem Gastbeitrag in der "Welt am Sonntag" lobt er die AfD für deren Pläne zum "Abbau staatlicher Überregulierung, zur Steuersenkung und Deregulierung des Marktes." Nutznießer wäre unter anderem sein Tesla-Werk in Brandenburg, die erste Elektro-Autofabrik des US-Herstellers in Europa.

Kampf um Teslas Gigafactory

Doch Musk mit seinen 200 Millionen Followern weltweit verfolgt auch eine globale politische Agenda mit dem Ziel, rechte Kräfte zu fördern. Dem britischen Rechtspopulisten Nigel Farage soll er Parteispenden in Höhe von 95 Millionen Euro in Aussicht gestellt haben, um dessen Partei zu unterstützen.

Zudem pflegt Musk enge Kontakte zur italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni mit ihrer Rechtsaußen-Partei Fratelli d'Italia. Zu den richterlich untersagten Plänen der Regierung in Rom, Migranten in Albanien unterzubringen, schrieb er auf X: "Diese Richter müssen weg."

Giorgia Meloni und Elon Musk bei einem Bankett, vor ihnen mehrere Gläser
Die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni mit Elon Musk am 24. September 2024 in New YorkBild: Filippo Attili/US Palazzo Chigi/picture alliance

In Deutschland könnte der Trump-Berater durch seine Unterstützung für die AfD als Türöffner für rechtsextreme Kräfte fungieren, indem er deren Sichtbarkeit erhöht und deren Narrative legitimiert.

Welche Rolle spielt die "Welt" und der Axel Springer-Verlag?

Die Zeitung "Welt" wurde in der britischen Besatzungszone gegründet und erschien erstmals am 2. April 1946. Sieben Jahre später übernahm der Verleger Axel Springer das Blatt. Der Verlagsgruppe ist heute multimedial in mehr als 40 Ländern aktiv. Vor allem mit dem Boulevardblatt "Bild", der am meisten vom Deutschen Presserat gerügten Zeitung, nimmt sie großen Einfluss auf politische Debatten in Deutschland.

Der Gastbeitrag Musks sorgte intern bei dem konservativen Medium für heftige Diskussionen. Steht die Veröffentlichung für Meinungspluralismus oder lässt sich die Zeitung als Sprachrohr von Autokraten und deren Freunden missbrauchen? Die Leiterin des Meinungsressorts, Eva Marie Kogel, kündigte nach der Veröffentlichung des Artikels ihren Rückzug an.

Wie genau der Text in die Zeitung gelangte, ist noch unklar, doch Springer-Chef Mathias Döpfner gilt als Musk-Bewunderer mit persönlichem Kontakt zum US-Milliardär. Der CEO hat in der Vergangenheit kontroverse Ansichten zum Beispiel zum Klimawandel und zur Corona-Pandemie geäußert, es gibt zudem Hinweise auf abfällige Bemerkungen Döpfners über Ostdeutschland und den Versuch, die Berichterstattung der "Bild" zugunsten der liberalen FDP vor der letzten Bundestagswahl zu beeinflussen.

Mann breitet die Hände aus
Der Manager, Verleger und Journalist Mathias Döpfner ist seit 2002 Vorstandsvorsitzender der Axel-Springer-VerlagsgruppeBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Außerdem hatte Döpfner kritisiert, "elitäre Qualitätsmedien" seien gegenüber der AfD voreingenommen. Elon Musks Gastbeitrag in der "Welt am Sonntag" könnte somit als Versuch gewertet werden, rechtspopulistische Denkweisen hierzulande zu normalisieren.

Darf sich die Presse im Vorfeld von Wahlen für oder gegen politische Kandidaten aussprechen?

Ja, es ist in Deutschland erlaubt, aber eher die Ausnahme. Die Meinungs- und Pressefreiheit sind in der Verfassung verankert. Artikel 5 des Grundgesetzes lautet: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu informieren.

Die "Financial Times Deutschland", kurz FTD, empfahl 2002 erstmals, eine Partei zu wählen und brach damit in Deutschland ein Tabu. Die Redakteure der Wirtschaftszeitung erklärten in einem Kommentar ihren Lesern, warum sie am 22. September die CDU wählen sollten und wie sie zu ihrer Entscheidung gekommen waren. Drei Jahre später sprachen die FTD eine Wahlempfehlung zugunsten der FDP aus.

Dass diese journalistische Initiative von der 2012 eingestellten "Financial Times Deutschland" ausging, war nicht überraschend. Wahlempfehlungen haben bei der "Financial Times" in London Tradition – wie bei den meisten Zeitungen in den USA und Großbritannien.

Porträt eines blonden Manns im schwarzen Hemd
Oliver Pieper DW-Reporter und Redakteur