1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wahl ohne Wirkung?

Andreas Becker26. Mai 2014

Europa-skeptische Parteien haben bei der Wahl zum EU-Parlament stark abgeschnitten. Trotzdem wird sich fast nichts ändern, glauben Wirtschaftsvertreter. An den Finanzmärkten sehen die Anleger keinen Grund zur Panik.

https://p.dw.com/p/1C702
Aktion zur Europawahl in Wiesbaden
Bild: picture-alliance/dpa

Die Gemeinschaftswährung Euro hat zu Wochenbeginn kaum auf das Wahlergebnis reagiert. Der Euro kostete am Morgen nach der Wahl 1,36 US-Dollar und damit in etwa genau so viel wie am Freitag. Auch die meisten Börsen setzten ihren Kurs vom Freitag fort. Nachdem der Deutsche Aktienindex Dax in Frankfurt mit einem neuen Schlussrekord ins Wochenende gegangen war, legte er am Montag weiter zu und erreichte mit 9876 Punkten zwischenzeitlich einen neuen Höchststand. Der EuroStoxx 50, der Leitindex der Eurozone, legte im frühen Handel ebenfalls um fast ein Prozent zu.

Europa-kritische Parteien haben fast jeden fünften Sitz des neuen EU-Parlaments gewonnen, sie werden rund 140 der 751 Abgeordneten stellen. Besonders stark fiel der Protest in Frankreich und Großbritannien aus. In Frankreich, der nach Deutschland zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone, wurde die rechtsextreme Partei Front National (FN) mit rund 25 Prozent der Stimmen stärkste Partei.

Infografik Europawahl 2014 Sitzverteilung vorl. amtl. Endergebnis

Kein Grund zur Panik

"Das ist ein Schock, ein Erdbeben", sagte der französische Premierminister Manuel Valls, "ein schwerer Moment für Frankreich und Europa". In Großbritannien triumphierte die EU-feindliche Ukip. In Griechenland hat mit der Linksallianz Syriza ebenfalls eine Partei gewonnen, die der Europäischen Union ablehnend gegenübersteht.

Trotzdem sehen Anleger an den Finanzmärkten keinen Grund zur Panik - schließlich werden zwei Drittel aller Sitze im EU-Parlament von Vertretern der etablierten Parteien besetzt, also den Konservativen und den Sozialdemokraten. "Der pro-europäische Kurs in Straßburg ist also nicht gefährdet", sagt Volkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank, einer liechtensteinischen Privatbank.

Ferdinand Fichtner, Konjunkturexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, sieht das Wahlergebnis ebenfalls als Zeichen für Kontinuität: "Für die deutsche und die europäische Wirtschaft ist das Ergebnis sehr günstig. Man kann damit rechnen, dass der Integrationsprozess und der institutionelle Umbau der Währungsunion fortgesetzt werden", so Fichtner gegenüber der Deutschen Welle. Die neue politische Konstellation werde zudem dazu beitragen, dass sich die Stimmung in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten verbessert.

Weiter wie bisher?

"Kurz- und mittelfristig ändert das Wahlergebnis wenig", schreibt Christoph Weil in einer Wahlanalyse der Commerzbank. Die langfristigen Auswirkungen sieht er allerdings skeptisch. Das Ergebnis zeige "ein beträchtliches Mißtrauen der Bevölkerung gegen die europäischen Institutionen." Somit dürfte es jetzt noch schwieriger werden, "die für das langfristige Überleben des Euro notwendige politische Union voranzutreiben."

"Die Euro-kritischen Parteien werden natürlich versuchen, die Eurozone zu sabotieren", glaubt Robert Halver, der für die Investmentbank Baader die Kapitalmärkte analysiert. Die "Gegenbewegung" mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit der etablierten Parteien sei allerdings stärker. Die Euro-Rettung werde deshalb unverändert fortgeführt. "Das Parlament wird eine Durchwink-Anstalt werden für geldpolitische Offensiven von Mario Draghi." Der Chef der Europäischen Zentralbank hatte bereits im Mai angekündigt, demnächst die Geldpolitik weiter zu lockern.

Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), einer Interessenvertretung der deutschen Wirtschaft, warnt davor, die euro-kritischen Signale der Wahl zu übersehen. "Ein 'Weiter so' gibt es nicht. Die Bürokratie wird sich ändern müssen", so Wansleben zur Deutschen Welle. Er erhofft sich durch das Wahlergebnis neue Impulse. "Wir setzen darauf, dass Europa stärker die Wettbewerbsfähigkeit im Auge hat und weniger bürokratische Regeln."