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Wahl ohne Alternative

Curtis Klaus21. Februar 2003

Bei der von Betrugsvorwürfen überschatteten Präsidentenwahl in Armenien verfehlte der bisherige Amtsinhaber Kotscharjan mit 49,8 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit. Es wird eine zweite Wahlrunde geben.

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Umstrittener Präsident Robert KotscharjanBild: AP

Der 49-jährige armenische Präsident Robert Kotscharjan steht seit 1998 an der Spitze des Kaukasus-Landes. Sein Führungsstil ist im eigenen Land umstritten.

Im Januar 2003 besuchte er Deutschland. Bei einem Gespräch im Funkhaus der Deutschen Welle wurde er auch auf Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen in Armenien angesprochen. Seine Reaktion war einsilbig: "In allen postsowjetischen Staaten gibt es Menschenrechtsverletzungen. Es kommt auf den Umfang, die Systematik und die Gründe an."

Zu Kotscharjans politischen Zielen gehört die Annäherung an Europa und die EU sowie die Aussöhnung Armeniens mit seinen muslimischen Nachbarstaaten, mit denen das älteste christliche Staatsvolk bis heute verfeindet ist.

Isoliertes und traumatisiertes Land

Armenien befindet sich seit seiner Loslösung von der Sowjetunion 1991 in einem dauerhaften Krisenzustand. Experten schätzen, dass über 50 Prozent der 3,3 Millionen Einwohner Armeniens unterhalb der Armutsgrenze leben. Der Durchschnittsverdienst liegt bei weniger als 50 Euro im Monat.

Für die Armut im Land gibt es historische und aktuelle Gründe. Bis heute haben sich die Armenier nicht von dem großen Erdbeben von 1988 erholt, bei dem 45.000 Menschen starben.

Mit dem Nachbarland Aserbaidschan streitet es sich um die armenische Enklave Berg-Karabach, die die Armenier in einem blutigen Krieg Anfang der 1990er-Jahre erobert hatten. Kotscharjan wurde damals zum Präsidenten der Region ernannt. Dennoch sind die Grenzen zu Aserbaidschan und auch zur Türkei noch immer geschlossen. Gute wirtschaftliche Beziehungen hat Armenien nur zu Russland, ohne dessen Hilfe es völlig isoliert wäre. Kotscharjan weiß das und hat sich deshalb stets um die Freundschaft zum Kreml bemüht.

Die Armenier leiden bis heute unter dem Trauma von 1915, als die Türken unter den Armeniern ein Massaker mit über einer Million Toten anrichtete. Dieses Verbrechen wird von der Türkei bis heute geleugnet und auch die Weltgemeinschaft tut sich nach wie vor schwer, den Massenmord offiziell als "Genozid" anzuerkennen. Die alte Kulturnation Armenien fühlt sich deshalb von der Welt vergessen.

Problemfall Menschenrechte

Wahlen in Armenien
Demonstranten für Demirtschjan von der VolksparteiBild: AP

Unter den Gegenkandidaten sind nur zwei bekannte Gesichter. Artasches Gegamjan, der von den Kommunisten unterstützt wird und Stephan Demirtschjan, Chef der "Armenischen Volkspartei". Ihre Chancen werden dennoch nicht besonders hoch eingeschätzt, obwohl Kotscharjan bei den Wählern aufgrund der anhaltenden Armut viel Vertrauen verloren hat.

Kotscharjan versteht es, sich als die beste Alternative zu präsentieren, auch mit Hilfe der Medien des Landes, die größtenteils gleichgeschaltet sind. Kritische Journalisten werden eingeschüchtert. Die Belegschaft des armenischen TV-Senders A1PLUS hat jüngst um politisches Asyl im Ausland gebeten, mit der Begründung: "Um dem Präsidenten den Weg frei zu machen, werden Menschen und Milizionäre ermordet, was nicht bestraft wird. Die treue Presse und das Fernsehen, das dem einen Zentrum dient, schweigen dazu." Kotscharjan will von diesen Vorwürfen nichts wissen.

Die Wahlen am 19.2.2003 sollen unter fairen Bedingungen stattfinden. Nach offiziellen Angaben überwachen etwa 6000 Beobachter den Urnengang, 466 von ihnen kommen von internationalen Organisationen. Mit Hilfe westlicher Staaten, darunter auch Deutschland, wurden bereits durchsichtige Wahlurnen nach Armenien gebracht.