Waffenruhe in Ost-Ghuta offiziell in Kraft
27. Februar 2018Die Lage für die Bewohner in Ost-Ghuta ist verheerend. Seit 2013 wird das syrische Rebellengebiet von Regierungstruppen belagert. Vor allem in den vergangenen Wochen kam es dort zu besonders heftigen Gefechten. Nun sollen täglich wenigstens für ein paar Stunden die Waffen schweigen. Das hatte Russlands Präsident Wladimir Putin am Montag angeordnet. Er zählt zu den wichtigste Verbündete des syrischen Machthabers Baschar al-Assad.
Nach den Worten von Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu sollen die täglichen "humanitären Pausen" zwischen 9 und 14 Uhr Ortszeit (8 bis 13 Uhr MEZ) helfen, "zivile Opfer in Ost-Ghuta zu vermeiden". Es würden zudem "humanitäre Korridore" geschaffen, um Zivilisten die Flucht aus der belagerten Region bei Damaskus zu erlauben. Kranke und Verletzte sollten mit Bussen und Rettungswagen aus der Region gebracht werden. Die Bevölkerung solle mit Flugblättern und per SMS informiert werden.
Die Waffen schweigen nicht
Nach Angaben eines AFP-Journalisten in Duma - der größten Stadt in Ost-Ghuta - war es in der Nacht relativ ruhig geblieben. Kurz vor Inkrafttreten der Waffenruhe waren aber einige Artillerieschüsse zu hören.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldet ebenfalls Verstöße. Ein Hubschrauber habe zwei Fassbomben abgeworfen, in einigen Orten seien zudem Granaten eingeschlagen. Ein Kind sei ums Leben gekommen, mehrere Zivilisten wurden demnach verletzt.
Auch nach Angaben des UN-Büros zur Koordinierung humanitärer Hilfe (Ocha) gibt es keine Anzeichen, dass die Waffen schweigen. Die Lage sei "düster", so der Sprecher des UN-Büros, Jens Laerke, in Genf. So lange die Gewalt anhalte, könnten die Vereinten Nationen und ihre Partnerorganisationen keine Lebensmittel, Medikamente und andere Hilfsgüter nach Ost-Ghuta liefern, sagte Laerke. Zudem sei es unmöglich damit zu beginnen, hunderte Kranke und Verletzte in Sicherheit zu bringen. Demnach feuern Assad-Einheiten auf Ost-Ghuta und Aufständische nehmen aus Ost-Ghuta heraus die Hauptstadt Damaskus unter Feuer.
Nach russischen Angaben halten sich die Rebellen nicht an die Feuerpause. Der sogenannte humanitäre Korridor, über den Zivilisten das umkämpfte Gebiet östlich von Damaskus verlassen sollten, liege unter massivem Beschuss. Eine der drei dort dominierenden Rebellengruppen bestritt eine Behinderung von Zivilisten.
Russland soll Einfluss geltend machen
Für die Bevölkerung Ost-Ghutas wäre die Waffenruhe die erste Gelegenheit seit Tagen, aus ihren Kellern herauszukommen. In dem Gebiet sind knapp 400.000 Menschen eingeschlossen. Nach Angaben der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden allein in der vergangenen Woche bei den Luftangriffen auf Ost-Ghuta mehr als 550 Zivilisten getötet, fast ein Viertel von ihnen Kinder.
Laut einer der Nachrichtenagentur AFP vorliegenden Erklärung des russischen Verteidigungsministeriums soll eine ähnliche Pause auch im südlichen Grenzgebiet Al-Tanf und in Rukban nahe der Grenze zu Jordanien gelten.
Die USA haben die Regierung in Moskau aufgefordert, ihren Einfluss auf Syrien geltend zu machen und ein sofortiges Ende der syrischen Offensive auf Ost-Ghuta durchzusetzen. "Russland hat den Einfluss, diese Operationen zu beenden", so die Sprecherin des US-Außenministeriums, Heather Nauert. Die US-Regierung fordere ein sofortiges Ende der Militäraktionen und "sofortigen Zugang für humanitäre Helfer, um die Verletzten zu behandeln und die so dringend benötigte Hilfe zu liefern".
Umsetzung der UN-Resolution gefordert
Die Vereinten Nationen hatten die Ankündigungen Russlands begrüßt. Fünf Stunden Feuerpause seien "besser als keine Stunde", sagte UN-Sprecher Stéphane Dujarric. Die UNO werde versuchen, Lieferwagen und Helfer in die Gegend zu schicken. Zugleich mahnte Dujarric aber die Umsetzung der UN-Resolution an. In der Entschließung, die der Sicherheitsrats der Vereinten Nationen am Wochenende verabschiedete hatte, wird eigentlich eine landesweite 30-tägige Waffenruhe gefordert worden.
Auch die deutsche Regierung hält die stundenweise Waffenruhe in Ost-Ghuta nicht für ausreichend. Nach Angaben seines Sprechers habe Bundesaußenminister Sigmar Gabriel bei einem Gespräch mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow "mit Nachdruck" für die Umsetzung der UN-Resolution geworben. "Eine fünfstündige Feuerpause kann nicht mehr als ein erster Schritt sein."
Russland warnte vor einer weiteren Zuspitzung der Lage in der umkämpften syrischen Rebellenenklave. Das Außenministerium in Moskau erklärte, die drei islamistischen Rebellengruppen in dem Gebiet am Rande der syrischen Hauptstadt Damaskus agierten "unter einem gemeinsamen Kommando". Dschaisch-al-Islam, Ahrar al-Scham und die mit Al-Kaida verbündete Al-Nusra-Front würden in Ost-Ghuta "hunderte Geiseln, darunter Frauen und Kinder" halten.
AR/kle (afp, dpa)