Waffenhändler Bout in den USA vor Gericht
17. November 2010Der von Thailand ausgelieferte mutmaßliche russische Waffenhändler Viktor Bout ist nach seiner Ankunft in New York am Dienstag (16.11.) in eine Hochsicherheitsgefängnis gebracht worden. Am Mittwoch war eine erste Anhörung vor Gericht anberaumt, wie das US-Justizministerium mitteilte.
Die USA beschuldigen den als "Händler des Todes" bekannten Russen unter anderem der Verschwörung zum Mord an US-Bürgern und der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. "Seine Auslieferung ist ein Sieg für die Rechtsstaatlichkeit weltweit", erklärte Generalstaatsanwalt Eric Holder.
Der weltweit gesuchte mutmaßliche Waffenhändler war im März 2008 nach einem Hinweis US-amerikanischer Agenten in Bangkok festgenommen worden. Die Agenten hatten Bout dort in einem Luxushotel getroffen und sich dabei als vermeintliche Rebellen aus Kolumbien ausgegeben, die Waffen für die FARC kaufen wollten. Sie sollten unter anderem auch gegen die US-Hubschrauber der Drogenbekämpfungsbehörde eingesetzt werden.
Diplomatischer Druck von allen Seiten
Mit der Auslieferung Bouts geht ein jahrelanges juristisches Tauziehen zwischen Thailand, den USA und Russland zu Ende. Seit seiner Verhaftung vor zweieinhalb Jahren verlangten die USA die Auslieferung Bouts und übten massiven Druck auf Thailand aus. Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, bestellte das US-Außenministerium auch den thailändischen Botschafter in Washington ein. Bei dieser Unterredung wurde nach Angaben des Außenministeriums deutlich gemacht, dass der Fall Bout für die USA "höchste Priorität" habe. Sollte die Auslieferung verweigert werden, würde sich das auf die Beziehungen zwischen Washington und Bangkok auswirken, so die deutliche Warnung.
Ein thailändisches Gericht wiederum hatte dieses Ersuchen im vergangenen Jahr noch abgelehnt. Als Begründung hieß es damals, Thailand betrachte die FARC als politische und nicht als terroristische Gruppe. Daher sei das vermeintliche Waffengeschäft mit der kolumbianischen Guerilla auch keine Straftat. Thailändische Gesetze verbieten die Auslieferung an Drittstaaten im Zusammenhang mit politischen Straftaten.
Die russische Regierung ihrerseits hat die Bemühungen der USA um Bouts Überstellung stets scharf kritisiert und sich darum bemüht, den Waffenhändler "in seine Heimat" zurückzuholen. Beobachtern zufolge steckt dahinter die Sorge Moskaus, dass eine Mitverantwortung Russlands bei den Waffengeschäften ans Licht kommt.
Die thailändische Justiz hatte Anfang Oktober eigene Ermittlungen gegen Bout wegen der Vorwürfe der Geldwäsche und des Betrugs abgelehnt. Damit war der Weg für die Auslieferung prinzipiell frei, nachdem ein Richter bereits im August entschieden hatte, den 43-Jährigen doch wegen Terrorvorwürfen an die USA auszuliefern.
Waffenimperium aus den Resten der Sowjetunion
Viktor Bout hatte sein Waffenimperium auf den Ruinen der ehemaligen Sowjetunion aufgebaut. Er wurde 1976 in Duschanbe, der Hauptstadt des heute unabhängigen Tadschikistan, geboren. Bout studierte am Militärischen Fremdspracheninstitut in Moskau, bevor er als Pilot zur Luftwaffe ging. Er soll sechs Sprachen fließend beherrschen, darunter Englisch, Portugiesich und Französisch.
Der UN und westlichen Geheimdiensten zufolge hatte er nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende der Sowjetunion damit begonnen, sowjetische Waffen zu Spottpreisen aufzukaufen. Parallel dazu begann Bout, seine eigene Lufttransportflotte aufzubauen. Amnesty International zufolge soll er zeitweise über fünfzig Transportmaschinen verfügt haben.
Der US-Jounalist Douglas Farah, Ko-Autor des Buches "Händler des Todes" über Viktor Bout, beschreibt den Waffenhändler als einen "sowjetischen Offizier, der es verstanden habe, die Chance zu nutzen, die sich ihm bot, als die Sowjetunion zerfiel." Drei Faktoren seien dabei entscheidend gewesen: "Die verlassenen Flugzeuge auf den Pisten zwischen Moskau und Kiew, große Waffenarsenale, bewacht von Soldaten, die von niemandem mehr bezahlt wurden, und die explosionsartig ansteigende Nachfrage nach Waffen." Bout habe die Flugzeuge billig erworben, sie mit ebenso preiswert eingekauften Waffen beladen und sie dann dorthin geschickt, wo zahlungskräftige Kunden saßen.
"Der umtriebigste Waffenhändler der Welt"
Viktor Bouts Waffen haben Konflikte in aller Welt angeheizt. Seine Flugzeuge seien regelmäßig in Angola, der Demokratischen Republik Kongo, Liberia, Ruanda, Sierra Leone und Sudan, in Afghanistan sowie in Kolumbien und auch in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion geortet worden. Nicht von ungefähr bezeichnet Washington ihn als "einen der umtriebigsten Waffenhändler der Welt". Die US-Behörden werfen ihm unter anderem Verschwörung zum Mord an US-Bürgern und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor.
Dem Journalisten Douglas Farah zufolge soll Viktor Bout im Auftrag von Subunternehmen auch Waffen und Soldaten der US-Armee bei der Invasion in den Irak 2003 transportiert haben.
Bout selbst hat die Vorwürfe, dass er mit Waffen handele, stets bestritten. Bei seiner Festnahme behauptete er, von 1993 bis 2001 ein legales Luftfrachtunternehmen betrieben zu haben, das er jedoch aufgegeben habe, weil es nicht mehr profitabel gewesen sei.
Die Auslieferung an die USA beendet nun wohl die zwanzigjährige steile Karriere des Waffenhändlers Viktor Bout, dessen Leben die Vorlage geliefert hat zu dem Film "Lord of War" - mit einem beeindruckend zynischen Nicolas Cage in der Hauptrolle. Im Film heißt der Waffenhändler Yuri Orlov und kommt am Ende nach einem Verhör wieder frei - im wahren Leben droht Viktor Bout in den USA eine lebenslange Haft.
Autorin: Mirjam Gehrke (afp, dpa)
Redaktion: Oliver Pieper