1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Von der Nothilfe zum Wiederaufbau

Esther Felden8. Januar 2014

Leben nach der Katastrophe: In den vom Taifun Haiyan betroffenen Gebieten auf den Philippinen kehren die Menschen mehr und mehr zum Alltag zurück. Und der Einsatz der Hilfsorganisationen verändert sich.

https://p.dw.com/p/1AmpR
Zwei Männer reparieren das Dach eines vom Taifun zerstörten Hauses in der Provinz Leyte (Foto: Reuters/Romeo Ranoco)
Bild: Reuters

Tische in einem weißen Zelt, gespendet von Hilfsorganisationen. So sehen die provisorischen Klassenzimmer aus. Aber dass die Schulen in der am schlimmsten vom Tropensturm Haiyan betroffenen Region rund um die Stadt Tacloban überhaupt seit Anfang dieser Woche wieder geöffnet sind, ist an sich schon ein Zeichen der Hoffnung. "56 Klassenräume sind mit Hilfe des Deutschen Roten Kreuzes entstanden", berichtet Jörg Fischer, der den DRK-Einsatz vor Ort koordiniert.

Die Stimmung in der Bevölkerung von Tacloban bezeichnet er zwei Monate nach der Katastrophe im Gespräch der Deutschen Welle als hoffnungsvoll. "Es hat sich schon viel getan, die Entwicklung ist deutlich sichtbar. Als ich am 11. November in Tacloban war, lagen Leichen in den Straßen, und überall hing Verwesungsgeruch." Mittlerweile sind die Toten beerdigt und Straßen geräumt. Zwar könne von einem technischen Wiederaufbau noch keine Rede sein. Aber, meint Fischer, "die Menschen haben wieder angefangen, ihr Leben zu leben."

Allerdings: In den wiedereröffneten Schulen blieben erst einmal viele Plätze leer. "Nur etwa die Hälfte unserer fast tausend Schüler ist zurück", sagt Maria Evelyn Encina, Direktorin einer Schule in San Roque in der Nähe von Tacloban. Von den übrigen fehle seit dem Taifun jede Spur. "Sie könnten in Flüchtlingslagern stecken oder bei Verwandten sein." Oder aber sie gehören zu den immer noch fast 2000 Menschen, die nach wie vor als vermisst gelten.

Satellitenbild des Taifuns Haiyan (Foto: Reuters/NOAA)
So sah Taifun Haiyan aus der Luft ausBild: Reuters/NOAA

Von Katastrophenhilfe zum Wiederaufbau

Fast neun Wochen liegt die Katastrophe zurück: Am 8. November 2013 fegte der Wirbelsturm Haiyan über die Philippinen hinweg, riss mehr als 6000 Menschen in den Tod und machte vier Millionen obdachlos. Die Überlebenden brauchen dringend mehr Notunterkünfte, warnte in dieser Woche das UN-Büro für Katastrophenhilfe - und rief zu weiteren Spenden auf.

Während einige Organisationen wie beispielsweise der Arbeiter-Samariter-Bund ihre Hilfseinsätze vor Ort beendet haben und ihr weiteres Engagement von Deutschland aus planen und organisieren, sind andere wie das Deutsche Rote Kreuz, die Malteser oder CARE weiter vor Ort. Das DRK und CARE waren auch schon vor der Katastrophe im Land präsent. Das DRK seit fünf Jahren, CARE sogar seit mehr als sechs Jahrzehnten.

Männer tragen Säcke auf dem Kopf durch eine mit Trümmern komplett bedeckte Straße (Foto: REUTERS/Erik De Castro)
So sah es in Tacloban kurz vor Jahresende ausBild: Reuters

Nachdem in den ersten Wochen nach Haiyan vor allem die unmittelbare Nothilfe - Versorgung mit Trinkwasser, Nahrung, Moskitonetzen oder Hygieneartikeln - im Vordergrund stand, konzentrieren sich die Helfer mittlerweile auf andere Bereiche. "Die Wiederaufbauphase hat begonnen, jetzt geht es darum, Häuser zu bauen, die widerstandsfähiger gegen künftige Taifune sind", erklärt Jörg Fischer.

Langfristiges Engagement nötig

Der Wiederaufbau einer Stadt wie Tacloban mit 200.000 Einwohnern wird seiner Einschätzung nach zwei bis drei Jahre dauern. Diese Meinung teilt auch Sandra Bulling. Die CARE-Mitarbeiterin war schon kurz nach der Katastrophe auf der Insel Leyte, verteilte Lebensmittelrationen: 20 Kilogramm Reis pro Person, Fisch aus der Dose, getrockneten Fisch, Öl und Bohnen. "Vor ein paar Wochen haben wir auch angefangen, Baumaterialien und Werkzeuge zu verteilen - hauptsächlich Plastikplanen, aber auch Hämmer, Nägel und Seile." Viele der Häuser, die sie auf der Insel gesehen habe, seien aus falschen und ungeeigneten Baumaterialien errichtet, erzählt Bulling. Daher setzt CARE jetzt unter anderem auf Weiterbildung. "Wir werden in den nächsten Monaten oder wahrscheinlich ein bis zwei Jahren Schreiner trainieren und ihnen zeigen, wie man Häuser stärker wieder aufbauen kann."

Ende November kehrte Sandra Bulling zurück von den Philippinen. Es sei einer ihrer schwersten Einsätze gewesen, erinnert sie sich. Gleichzeitig aber zieht sie eine positive Bilanz. "Die Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden hat sehr gut funktioniert. Und die Menschen waren unglaublich motiviert, sofort mit dem Wiederaufbau zu beginnen." Viele Überlebende meldeten sich freiwillig bei CARE, boten ihre Hilfe bei der Verteilung von Notpaketen an.

CARE-Mitarbeiterin Sandra Bulling mit einem Handy in Leyte (Foto: Peter Hille / DW)
Sandra Bulling bei ihrem Einsatz auf der verwüsteten Insel LeyteBild: DW/P.Hille

Geschichten, die bleiben

Hilfsbereitschaft, Optimismus, Kampfgeist - das sind die Eindrücke, die die CARE-Mitarbeiterin mit nach Hause genommen hat. Und die Begegnung mit einem kleinen Mädchen drei Tage nach dem Taifun. Die Familie des Kindes hatte ihr Haus verloren und suchte im Schutt nach brauchbaren Dingen. Das Mädchen fand seine Schulbücher. "Die Sonne schien, und sie stand draußen und trocknete ihre Bücher. Sie hoffte, schnell wieder in die Schule gehen zu können." Sie habe sich gefragt, wie sie selbst oder ihre Familie so unmittelbar nach einer Katastrophe reagiert hätte, ob sie die Kraft gehabt hätten, sofort nach vorn zu schauen. "Ich fand das einfach bewundernswert. Diesen Mut, sofort zu sagen: Es muss ja irgendwie weitergehen."

Zwei Monate später ging der Wunsch des kleinen Mädchens mit der Wiedereröffnung der Schulen in Erfüllung.