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Von der Leyen kritisiert Ankaras Kurs

12. Juni 2016

Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat in einem Interview die Türkei kritisiert – und zugleich gelobt. Zur europäischen Flüchtlingspolitik äußerte sich die Christdemokratin selbstkritisch.

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Ursula von der Leyen (Foto: dpa)
Bild: Imago/Metodi Popow

"Es gibt Entwicklungen in der Türkei, die uns zutiefst beunruhigen, wie etwa Einschränkungen bei der Pressefreiheit oder Missachtung von Menschen- und Minderheitsrechten oder der Umgang mit Parlamentariern", sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen der "Welt am Sonntag". "Eine Partnerschaft muss aushalten, dass man Kritik aneinander übt und auch in der Lage ist, Meinungsunterschiede auszuhalten."

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Dienstag die Reform zur Aufhebung der Immunität der türkischen Parlamentsabgeordneten in Kraft gesetzt, die die Volksvertretung Ende Mai beschlossen hatte. Die Aufhebung der Immunität ermöglicht die Strafverfolgung zahlreicher Abgeordneter, darunter etliche Parlamentarier der Kurdenpartei HDP.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (Foto: AP)
Der türkische Präsident Recep Tayyip ErdoganBild: picture alliance/AP Images/M. Cetinmuhurdar

Die türkische Opposition sieht darin einen Versuch, sie mundtot zu machen, auch aus Berlin kam Kritik. Noch schwerer belastet wird das Verhältnis beider Länder durch die türkischen Reaktionen auf die Verabschiedung einer Armenien-Resolution durch den Bundestag. Erdogan warf deutschen Abgeordneten mit türkischen Wurzeln vor, ein Sprachrohr der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu sein und "verdorbenes Blut" zu haben.

"Ganz allein zu verantworten"

Von der Leyen lobte in dem Interview allerdings, dass die Türkei drei Millionen Flüchtlinge aufgenommen habe: "Dafür hat das Land unsere ehrliche Anerkennung verdient." Die CDU-Politikerin räumte ein, dass Europa in der Flüchtlingskrise Fehler gemacht habe. "Dass uns die Flüchtlingskrise so kalt erwischt und erschüttert hat, haben wir Europäer ganz allein selbst zu verantworten", sagte sie.

Flüchtlinge werden auf der griechischen Insel Lesbos zurück in die Türkei gebracht (Foto: dpa)
Flüchtlinge werden auf der griechischen Insel Lesbos zurück in die Türkei gebrachtBild: picture-alliance/dpa/O. Panagiotou

Die Europäer hätten den Schengen-Raum eingeführt und die Vorteile genossen, ohne über "die unangenehmen Seiten" zu sprechen: "Wer sichert wirksam die Außengrenze? Wie gehen wir mit illegalen Flüchtlingen um? Und wie verteilen wir Menschen mit Anspruch auf Asyl innerhalb Europas?" All diese Fragen seien ungeklärt geblieben, "weil es bequem war". Nun müsse dies unter großem Druck nachgeholt werden, sagte von der Leyen.

Druck auf Russland

Zugleich sprach sie sich für eine Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland aus. Deren Aufhebung sei klar an Erfolge bei der Umsetzung des so genannten Minsker Abkommens gekoppelt. "Etliche vereinbarte Fortschritte gibt es noch nicht", erklärte von der Leyen. Dafür müsse allerdings auch die Ukraine mehr tun, nicht nur Russland. "Wenn der Minsker Prozess zum Erfolg führt, werden auch die Sanktionen aufgehoben."

Auf die Frage nach möglichen Islamisten unter den Rekruten der Bundeswehr sagte von der Leyen, es habe in den vergangenen zehn Jahren 320 Verdachtsfälle gegeben: "Aber nur bei 22 Soldaten hatte sich der Verdacht tatsächlich bestätigt. Sie wurden sofort entlassen oder hatten ohnehin den Dienst bereits verlassen. Wir haben es also nicht mit einem flächendeckenden Problem zu tun." Trotzdem bringe sie derzeit ein Gesetz auf den Weg, das eine Routineüberprüfung bereits beim Eintritt in die Bundeswehr vorsehe.

stu/wl (afp, dpa, kna)