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Von der Leistungsschau zum Krisensymptom

14. Dezember 2009

Wenn die Wirtschaft schwächelt, sieht man dies vor allem dort, wo sie in besseren Zeiten stolz ihre eigene Stärke demonstriert: auf den Messen. Durch den Besucherrückgang könnte der Branche eine Schrumpfung bevorstehen.

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Wolken über dem Frankfurter Messegelände (Foto: DW)
Dunkle Wolken über der Messebranche: Auch 2010 wird "kein Champagner-Jahr"Bild: DW

Man muss schon zweimal hinschauen. Auf den ersten (Messe-) Blick strotzt die deutsche Wirtschaft vor Kraft, präsentiert an aufwändig designten Ständen stolz die neuen Produkte und Ideen für das kommende Geschäftsjahr. Erst auf den zweit Blick fällt auf, dass etwas anders ist als in den Vorjahren: Die Messen sind kleiner geworden, einige Aussteller fehlen, andere präsentieren sich eine Nummer kleiner als sonst. Und vor allem: Es kommen weniger Besucher. Jeder zehnte Messebesucher ist dieses Jahr zuhause geblieben. Vor allem die großen Publikumsmessen wie die Internationale Automobilausstellung IAA in Frankfurt oder die Computer-Messe CeBit in Hannover klagten über Besucherrückgang.

Ziele für 2009 verfehlt

Drei Modells präsentieren in Stuttgart bei einer Pressekonferenz zur Messe Hair & Style trendige Kurzhaarfrisuren (Foto: dpa)
Jede Branche zeigt, was sie kann: Neue Trends bei der Messe Hair & StyleBild: picture-alliance/ dpa

Auch der Kölner Messechef Gerald Böse verzeichnete weniger Andrang in den Hallen als sonst. "Die Wirtschaftskrise hat sich schon bemerkbar gemacht. Es kamen weniger Besucher, und wir haben unsere ehrgeizigen Ziele für das Jahr 2009 nicht erreichen können", sagte Böse, dessen Messen jährlich rund zwei Millionen Menschen besuchen. In elf Messehallen der Kölner Messe-Gesellschaft präsentieren 45.000 Aussteller Produkte oder Dienstleistungen.

Wenn weniger Besucher und Aussteller kommen, trifft das nicht nur die Plattformen des Sehen-und-Gesehen-Werdens, sondern auch die gesamte Region. "Alleine in Köln generieren wir jährlich Umsätze von über einer Milliarde Euro", erklärt Gerald Böse. Diese Umsätze werden nach Angaben der Messe Köln hauptsächlich in der peripheren Wirtschaft sowie der Gastronomie getätigt. Messen haben demzufolge weit mehr zu beachten als den eigenen Profit, wie Gerald Böse meint. "Messen sind - gerade für diese Branchen - klassische Wirtschaftsförderer, und insofern ist es extrem wichtig, dass ein Messeplatz funktioniert und auch internationale Ausstrahlung hat."

Das Ein-Liter-Auto von VW zu sehen auf der IAA Frankfurt (Foto: AP)
Vor allem Publikumsmessen wie die IAA in Frankfurt leiden unter gesunkenen BesucherzahlenBild: AP

Zu viele Messestandorte in Deutschland

In der Tat haben Messen wichtige Synergieeffekte für die regionale Wirtschaft: Die Hälfte der Hotelübernachtungen in Köln werden von Messegästen gebucht. Bis zur Wirtschaftskrise ging es der Branche noch gut, wie das Beispiel der Frankfurter Messe zeigt. 2008 machte man dort 440 Millionen Euro Umsatz. In einem globalen Netz aus 28 Tochtergesellschaften beschäftigt die Frankfurter Messe 1500 Mitarbeiter und veranstaltet weltweit über 100 Messen. Nach 13 Jahren mit positiven Geschäftszahlen ist der Umsatz nun spürbar zurückgegangen - außerdem drücken höhere Ausgaben auf den Gewinn der Frankfurter Messegesellschaft, sagt ihr Chef Michael von Zitzewitz. Er führt dies auf die hohen Messegeländekosten zurück. "Die Hallen sind sauteuer, was man oftmals unterschätzt. Wenn man die aus der Eigenfinanzierung heraus bezahlt, muss man sich ganz schön nach der Decke strecken, um das Unternehmen wieder profitabel zu machen."

Blick in die Hallen der Semicon Messe 2008 (Foto: Semicon Brüssel)
Der Andrang in den Messehallen hat nachgelassenBild: Semicon Brüssel

Ein Grund für die schwierige Situation der Messen ist aus Sicht des Frankfurter Messechefs auch die Konkurrenz, die sich die vielen Messeplätze in Deutschland untereinander machen. Das liege daran, dass Messen oft von öffentlichen Trägern zur Standortförderung eingesetzt werden. So halten beispielsweise die Stadt Frankfurt 60 Prozent und das Land Hessen 40 Prozent an der Frankfurter Messe-Gesellschaft. "In Deutschland bekommen wir immer noch neue Messeplätze dazu. Dabei verdienen wir in den bestehenden tatsächlich weniger Geld. Das wird dann oft mit anderen Maßnahmen durch die öffentliche Hand ausgeglichen." Die Löcher in den Kassen von Ländern, Städten und Gemeinden könnten allerdings auch die Messeveranstalter hart treffen, so dass Messen abgesagt werden müssten.

Neue Konkurrenz aus dem Internet

Dennoch ist von Zitzewitz überzeugt, dass die erfolgreiche Geschichte von 800 Jahren Messe-Erfahrung in Frankfurt fortgeschrieben wird. Bei aller Tradition, die die Messen in der Wirtschaft besitzen, müssen sie sich mittlerweile auch mit Bewerbern im Internet auseinandersetzen. So hat die chinesische Handelsplattform alibaba.com bereits 45 Millionen Mitglieder und bringt Handelspartner virtuell zusammen. Michael von Zitzewitz sieht der neuen Konkurrenz aus dem Netz jedoch gelassen entgegen. "Selbstverständlich werden moderne Technologien auch die Messen beeinflussen. Wir haben jedoch einen unschätzbaren Vorteil: der Mensch braucht direkte Kommunikation. Daher wird sich das Messeinstrument behaupten."

Caravan Salon Messe Düsseldorf (Foto: Rene Tillmann / Messe Duesseldorf)
Hohe Hallenkosten belasten das Geschäft der MesseveranstalterBild: Rene Tillmann / Messe Duesseldorf

Mehr als 800 Messen werden jährlich in Deutschland veranstaltet. Das Gros davon sind regionale Veranstaltungen. Die Aussteller kostet der Aufwand dabei mehr, als die Besucher ausgeben: Die rund 330.000 ausstellenden Unternehmen investieren rund 7,8 Milliarden Euro in Ausstellungen. Die knapp 27 Millionen Besucher geben dagegen nur 3,8 Milliarden Euro aus. Messen sind also für die meisten Unternehmen zunächst ein Zuschussgeschäft. Im Schnitt lässt sich jeder Aussteller seine Präsenz auf Messen in Deutschland jährlich einen Mittelklassewagen kosten, wie der Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (AUMA) errechnet hat. Auch für das kommende Jahr zeichnet der Kölner Messechef Gerald Böse ein eher düsteres Bild: "Die Messewirtschaft wird sicherlich erst mit deutlicher Verzögerung von der angelaufenen Erholung der Wirtschaft profitieren können. 2010 wird sicher kein Champagnerjahr werden."

Expansion als Ausweg

Powerboat auf der Messe Boot in Düsseldorf 2009 (Foto: DW)
Luxusartikel wie diese Yacht auf der Düsseldorfer Boot sind seltener nachgefragtBild: DW / Benjamin Wüst

Da die Situation hierzulande weiterhin angespannt bleiben wird, setzen die großen Messegesellschaften weiterhin auf Engagements im Ausland. Bei der Messe Frankfurt erhofft man sich vor allem in Asien dank der dort gestiegenen Binnennachfrage höhere Umsätze. Generell sieht der Wirtschaftswissenschaftler Professor Matthias Schündeln in den Entwicklungs- und in Schwellenländern viel Potenzial für Messeveranstalter: "Messen können in diesen Regionen einiges leisten. Sie können Unternehmen Märkte eröffnen und helfen, neue Abnehmer und Lieferanten zu finden." Die Expansion ins Ausland könnte sich somit für die Messewirtschaft gerade in Krisenzeiten durchaus auszahlen.

Autor: Joscha Weber

Redaktion: Julia Elvers-Guyot