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Volle Depots, leere Kassen

29. April 2003

Museen stellen nur einen Bruchteil ihrer Sammlungen aus – und klagen über immer weniger Geld. Eine Lösung könnte der Verkauf einzelner Stücke sein, meint der ehemalige Präsident der Goethe-Institute, Hilmar Hoffmann.

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Im Dresdener Museum AlbertinumBild: AP

Romy Schneiders Liebesbriefe, Hundertwasser-Modelle, antike Büsten oder Barockmalerei: In den Archiven und Depots der Museen schlummern unzählige verborgene Schätze. Die Lagerräume platzen aus allen Nähten. Doch Vieles ist nicht für Ausstellungen geeignet, weil es zu sperrig, zu unspektakulär oder zu lichtempfindlich ist. Aufbewahrung und konservatorische Betreuung nagen an den Etats der ohnehin von wegschmelzenden öffentlichen Zuschüssen gebeutelten Kunsthäuser.

Unzähliges doppelt

Hilmar Hoffmann
Hilmar HoffmannBild: Porträtstudio Meinen

Mit dem Verkauf von Archiv- und Depotstücken könnten Museen nach Ansicht des früheren Präsidenten des Goethe-Instituts, Hilmar Hoffmann, ihre leeren Kassen füllen. Vieles in den Kellern der Museen werde dort noch in hundert Jahren lagern, ohne jemals ausgestellt worden zu sein, sagt Hoffmann. Unzählige Objekte seien doppelt vorhanden. "Mit diesem Geld könnten die Häuser Exponate erwerben, die sie unbedingt brauchen." Hoffmann weiß, wovon er spricht: In seiner 20-jährigen Amtszeit als Kultur-Dezernent in Frankfurt am Main sind bis zu seinem Abschied 1990 mehr als ein Dutzend Ausstellungshäuser entstanden.

300 von 65.000 Objekten ausgestellt

Beispiel Frankfurt am Main: 200.000 Pläne und 600 Modelle internationaler Architektur des 20. Jahrhunderts bis hin zur Gegenwart gehören zur Sammlung des Deutschen Architekturmuseums, darunter 32 komplette Nachlässe. Gerade einmal 300 von 65.000 Objekten können im Museum der Weltkulturen gezeigt werden. In den Archiven des Deutschen Filmmuseum lagern 800.000 Fotos, 10.000 Filmkopien und 22.000 Plakate. Angefangen vom Drehbuch über Zeichnungen für Kulissenbauten bis hin zu Kostümentwürfen sei für das Museum alles interessant, meint Vize-Direktor Hans-Peter Reichmann. Von der Geschichte des Films zeugen auch 2000 Kameras und Schneidetische, 5000 Drehbücher, in der Musikabteilung schlummern 1500 Schellackplatten. Auch die Liebesbriefe von Romy Schneider an Curd Jürgens werden verwahrt, öffentlich gezeigt werden dürfen sie noch nicht. Ob die Bambi-Auszeichnung für das "Spukschloss im Spessart", ein Drehbuch von Wim Wenders, oder Kostüme von Claudia Cardinale - sie alle warten hier gemeinsam auf ihre Wiederentdeckung.

Hoffmanns Vorschlag stößt bei den Museen trotzdem auf Ablehnung: "Natürlich würden wir die Besucher überfordern, wenn wir beispielsweise alle unsere 1000 chinesischen Porzellanteller zeigen würden", sagt die stellvertretende Direktorin des Frankfurter Museums für Angewandte Kunst, Margret Bauer. Aber alle 40.000 Möbel, Münzen oder Designexponate ihres Hauses seien als Studienobjekte wichtig. "Außerdem können Dinge, die vorher niemand beachtet hat, ganz plötzlich interessant werden."

Depots als kulturelles Gedächtnis

Die gut gefüllten Bestände seien in Zeiten knapper Kassen aber auch Kapital für die Museen, die sich teure Neuerwerbungen nur noch selten leisten können: "Die Museen konzentrieren sich wieder auf ihre Depots, die ein kulturelles Gedächtnis darstellen", sagt der Direktor des Frankfurter Museums für Moderne Kunst, Udo Kittelmann. Er zeigt in seinem Haus neuerdings wie viele seiner Museumskollegen verstärkt Werke aus den eigenen Beständen. Verstärkt wird auch auf Ausleihen gesetzt: "Wir kooperieren weltweit mit anderen Museen", berichtet etwa Reichmann, stellvertretender Direktor des Deutschen Filmmuseums.

Kostenfaktor Lagerung

Die Ansicht der Museen, einmal erworbene oder erhaltene Gegenstände dürften nicht veräußert werden, sei konservativ, meint dagegen Hoffmann. Er wisse beispielsweise von einem Museumsdepot, in dem 100 Gürtelschnallen lagern, die aber nur zehn unterschiedliche Motive hätten. Die Räume platzten aus allen Nähten. Die Lagerung von Exponaten sei ebenso wie die konservatorische Betreuung sehr teuer.

"Weil die Museen für ihre Ankäufe keinen Pfennig mehr haben, sind sie häufig auf das Geld von Stiftungen angewiesen", erklärt Hoffmann. Um die Kassen zu füllen, sollten die Leiter der Museen entscheiden, welche doppelten oder verzichtbaren Stücke zum Verkauf stehen. Die Exponate könnten auf dem Kunstmarkt angeboten werden. Denkbar sei auch ein einmal im Jahr stattfindender Verkaufssonntag, zu dem das Museum einladen könnte.

Hoffmann weiß aber auch, dass seine Vorschläge von Museen leicht als Provokation angesehen werden können: "Leider ist der Verkauf von Archivstücken noch immer ein Thema, das von den Museen tabuisiert wird." (sams)