Viele Tote bei Protesten in Äthiopien
1. Juli 2020Bei der Niederschlagung von Protesten in Äthiopien sind zahlreiche Angehörige der Oromo-Bevölkerungsgruppe getötet worden. Die Nachrichtenagentur Reuters spricht unter Berufung auf regionale Behördenvertreter von 50 Toten, unter ihnen seien auch Vertreter der Sicherheitskräfte. Andere Quellen berichten sogar von mindestens 80 Todesopfern.
Hintergrund der Unruhen ist die Erschießung des populären Sängers Hachalu Hundessa. Der 34-Jährige war am Montag in der Hauptstadt Addis Abeba von Unbekannten getötet worden. Hachalu, der selbst den Oromo angehörte, galt als Galionsfigur mehrjähriger Proteste, die 2018 zum Rücktritt der damaligen Regierung führten. Mit Abiy Ahmed errang daraufhin erstmals ein Vertreter der Oromo das Amt des Ministerpräsidenten.
Leibwächter entwaffnet
Im Zuge der jüngsten Proteste wurde auch der oppositionelle Medienunternehmer Jawar Mohammed festgenommen. Seine Leibwächter seien entwaffnet worden und befänden sich ebenfalls in Gewahrsam, berichtete das Staatsfernsehen. Ein Polizeikommandeur erklärte, die Festgenommenen hätten zu einer Gruppe von Demonstranten gehört, die einen der Beamten getötet habe.
Jawar betreibt das einflussreiche Oromia Media Network (OMN), in dem immer wieder Kritiker von Ministerpräsident Abiy zu Wort kommen. Der einstige Unterstützer des Regierungschefs wirft diesem vor, zu wenig für die Oromo zu tun, und spricht sich für eine Abspaltung von deren Siedlungsgebiet aus. Seine Festnahme könnte die Proteste in der Hauptstadt und in der umliegenden Region weiter anheizen.
"Internetblockade muss aufhören"
Bei einer Durchsuchung im Fernsehsender OMN hatte die Polizei mehrere Mitarbeiter festgesetzt. Das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) mit Sitz in New York verlangte deren Freilassung. Auch die landesweite Blockade des Internetzugangs durch die Behörden müsse rückgängig gemacht werden.
Der Sänger Hachalu soll an diesem Donnerstag in seiner Heimatstadt Ambo beerdigt werden. Schon vor seinem Tod war in dem überwiegend von Oromo bewohnten Gebiet eine Kommunikationssperre verhängt worden. Mobiltelefone und das Internet waren über Monate hinweg nicht benutzbar.
HRW: Menschenrechtsverletzungen im Verborgenen
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hatte im März erklärt, die Regierung versuche mittels technischer Blockaden, Berichte über massive Menschenrechtsverletzungen zu unterbinden. Dem Militär würden Tötungen und Massenfestnahmen in der Region vorgeworfen.
Abiy gehörte vor seiner Wahl zum Regierungschef der Führungsspitze des äthiopischen Geheimdienstes INSA an. Dieser ist mit der Überwachung der Telekommunikation und des Internets betraut. Für seine Bemühungen um eine Aussöhnung mit dem Nachbarland Eritrea und seine Reformen im Innern wurde Abiy 2019 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
jj/qu (dpa, epd, rtr)