Verteilung von Flüchtlingen in EU zäh
9. Juli 2015Deutschland macht in der Flüchtlingspolitik den Vorreiter: "Wir sind bereit, 12.100 Flüchtlinge aus dem Kontingent von 60.000 aufzunehmen", die die EU-Kommission zur Neuansiedlung und Umverteilung vorgesehen hat, erklärte Bundesinnenminister Thomas de Maizière nach einem Treffen mit seinen Amtskollegen in Luxemburg. Das ist mehr als der Anteil, der für Deutschland vorgesehen war. Dabei erinnerte der Minister allerdings noch einmal an den vereinbarten "ganzheitlichen Ansatz", der auch den Kampf gegen Schlepper enthalten soll und die Einrichtung sogenannter Hotspots in den Erstaufnahmeländern.
Dort sollen die Flüchtlinge registriert und ihre Schutzbedürftigkeit vorgeprüft werden. Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve versprach für seine Regierung, dass sie über 8000 Menschen aus diesem Programm Zuflucht gewähren wolle. Und er fordert dabei einmal mehr Solidarität und Verantwortung innerhalb der EU.
Ziel noch nicht erreicht
Allerdings sperren sich nach wie vor einige Mitgliedsländer, u.a. aus Osteuropa, gegen ihren "Anteil" an Migranten. Der Ratsvorsitzende, der Luxemburger Minister Jean Asselborn, war schon zu Beginn der Gespräche nur gebremst optimistisch: Alles werde man nicht erreichen, aber "wir nähern uns zunehmend unserem Ziel". Daran hatte sich auch nach einem langen Verhandlungstag nichts geändert. Bei der Neuansiedlung von Flüchtlingen habe man die Zahl von 20.000 sogar überschritten, bei der Umsiedlung aus Italien oder Griechenland aber fehle es noch an ausreichend Zusagen der Mitgliedsländer.
"Wir brauchen einen neuen Schub", sagte Asselborn, und der soll in zehn Tagen endlich zum Erfolg führen. "Es ist eine schwierige und sensible Diskussion", fügt er hinzu. Einige Länder haben mehr Probleme als andere wie Italien, Griechenland, Ungarn und Österreich. Nur langsam geht es auch beim angekündigten Kampf gegen Schlepperbanden voran. Die EU sucht dabei die Zusammenarbeit mit Libyen, aber die politische Lage dort ist unverändert. Einen Erfolg gebe es dagegen bei der Seenot-Rettung:"Wir erleben weniger Dramen, seit viele Mitgliedsländer dabei helfen."
Die tatsächliche Katstrophe ist weit größer
Während bei den EU-Mitgliedsländern monatelang um die Verteilung einer überschaubaren Zahl von Schutzsuchenden gerungen wird, schilderte der Hohe Flüchtlingskommissar der UN einmal mehr das gewaltige Ausmaß der tatsächlichen Flüchtlingskatastrophe: Allein aus Syrien seien inzwischen vier Millionen Menschen geflüchtet. Doch die Situationder Flüchtlinge in den Nachbarländern Jordanien, Türkei oder Libanon verschlechtere sich dramatisch, berichtet Antonio Guterres. Es fehle an Geld, um die Menschenmassen in den Lagern oder an den Rändern der Städte zu versorgen. Auch bei den internationalen Hilfsorganisationen seien die Mittel erschöpft.
Deshalb sei zu erwarten, so der UN-Kommissar, dass immer mehr Flüchtlinge in ihrer Verzweiflung nach Europa kommen werden. Und sie nehmen inzwischen vorwiegend die östliche Route über Griechenland und den Balkan in Richtung EU. 78.000 Menschen seien in diesem Jahr schon über diesen Weg gekommen, und 85 Prozent von ihnen hätten einen Anspruch auf Schutz oder Asyl.
Griechenland wird mit dem Problem nicht fertig
Besondere Probleme machen dabei die Finanznot in Griechenland und der Mangel an Infrastruktur: Das Land sei seinerseits völlig unfähig, die Registrierung und Versorgung der eintreffenden Mengen an Flüchtlingen zu gewährleisten, wie es die europäischen Verpflichtungen vorsehen. Also lasse man einen Großteil von ihnen weiterziehen. Bei der Weiterreise durch Mazedonien, Serbien, Bulgarien oder Ungarn nach Norden aber träfen die Menschen dann auf weitere Hindernisse und Gefahren. Dabei findet es Guterres besonders beunruhigend, dass UN-Mitarbeiter inzwischen an manchen Orten Rückschiebungsversuche beobachteten.
Großes Lob hat der Flüchtlingskommissar dagegen für Deutschland: 100.000 Asylbewerber aus Syrien seien aufgenommen worden und 30.000 humanitäre Härtefälle: "Wenn sich alle Länder so verhielten, hätten wir keine Probleme."
Auch die Balkanroute ist gefährlich
Wie gefährlich die so genannte Balkan-Route wirklich ist, beleuchtet Amnesty International in seinem jüngsten Bericht: Tausende Menschen seien inzwischen vor allem in Mazedonien und Serbien stecken geblieben. Sie würden dort sowohl von staatlichen Behörden als auch von kriminellen Banden misshandelt und erpresst."Flüchtlinge, die vor Krieg und Verfolgung in die EU fliehen wollen, sitzen in Mazedonien und Serbien in der Falle. (...) Sie haben keine Chance auf ein faires Asylverfahren, das ihnen nach internationalem Recht zusteht. Und sie werden daran gehindert, in die EU weiterzureisen", sagt Selmin Çalışkan, Generalsekretärin von Amnesty Deutschland.
Die Organisation protestiert darüber hinaus gegen die Pläne Ungarns, einen vier Meter hohen Zaun an der serbischen Grenze zu errichten. Die EU müsse endlich sichere Zugangswege für Flüchtlinge schaffen und einen Zugang zum europäischen Asylsystem sicherstellen. Das fordert auch UN-Kommissar Antonio Guterres, der darüber hinaus nach mehr Umsiedlung, Familienzusammenführung und privaten Sponsoren ruft, um die Krise zu lindern.