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Verteidigung der Ukraine: Kein Wahlkampfthema für die Union

12. Januar 2025

CDU und CSU wollen in der Außen- und Sicherheitspolitik entschlossener handeln. Im Wahlkampf nützt der Union das Thema wenig. Auch weil die interne Einigung über den Taurus fehlt und viel vom Koalitionspartner abhängt.

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Friedrich Merz (links) und Markus Söder stehen hinter einem Pult, dahinter der Schriftzug "Politikwechsel in Deutschland"
Friedrich Merz (links) und Markus Söder demonstrieren Einigkeit bei der Vorstellung des WahlprogrammsBild: Michael Kappeler/picture alliance/dpa

"Die Ukraine verteidigt auch uns. Fällt die Ukraine, droht der Angriff auf ein weiteres EU-Land", steht im gemeinsamen Wahlprogramm der konservativen Unionsparteien CDU und CSU. Auch von Sicherheitsgarantien für die Ukraine, die Deutschland gemeinsam mit den USA und europäischen NATO-Partnern geben könnte, ist dort zu lesen. Damit stellt die Union eine Beteiligung Deutschlands an der Sicherung eines möglichen Waffenstillstands in der Ukraine in Aussicht.

Dass dies einen Einsatz deutscher Soldaten in der Ukraine bedeuten könnte, streitet in der Union niemand ab. Darüber sprechen wollen Unionspolitiker allerdings nicht. Denn je konkreter beim Thema Sicherheit und Hilfen für die Ukraine wird, desto weniger lassen sich damit Wählerstimmen gewinnen.

Union entzweit über Taurus

Die größte Skepsis gegen weiterreichende Waffenlieferungen an die Ukraine kommt aus Ostdeutschland und Bayern. Bisher verweigert die Bundesregierung von Olaf Scholz (SPD) die Lieferung der deutschen Marschflugkörper vom Typ Taurus mit der Begründung, Deutschland könne zur Kriegspartei werden, wenn die Ukraine damit Ziele in Moskau träfe. Dabei haben die USA, das Vereinigte Königreich und Frankreich bereits ähnliche Waffen geliefert.

Das Argument, man dürfe sich nicht in den Krieg hineinziehen lassen, hat auch der bayerische CSU-Ministerpräsident Markus Söder bei seinem Wahlkampfauftakt in Seeon vorgebracht und damit einen Satz aus dem Wahlkampfprogramm der Sozialdemokraten (SPD) zitiert. Der Nachfrage der DW zu Taurus-Lieferungen an die Ukraine wich Söder aus: Diese Entscheidung obliege dem nächsten Bundeskanzler.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder steht im Ausstellungsraum des Rüstungsunternehmens MBDA an einem Modell des Marschflugkörpers Taurus
Der Nachfrage der DW zu Taurus-Lieferungen an die Ukraine wich Markus Söder (CSU) aus: Diese Entscheidung obliege dem nächsten Bundeskanzler (Archivbild)Bild: Karl-Josef Hildenbrand/picture alliance/dpa

"In der Bevölkerung hat sich die Meinung verfestigt, dass Waffenlieferungen den Krieg befeuern, während ein Stopp der Lieferungen ihn ausbremst", erklärt Thomas Erndl, ein Außen- und Verteidigungspolitiker der CSU, im Gespräch mit der DW. "Wir müssen mit dieser Stimmung umgehen."

Der Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz (CDU), hat öffentlich die Bereitschaft zu Taurus-Lieferungen erklärt. Sie solle aber in Absprache mit europäischen NATO-Partnern erfolgen. Im Wahlprogramm der Union steht dazu aber keine klare Position. Da sind zwei andere Parteien deutlicher: Die liberal-konservative FDP schreibt, man sei für "die unverzügliche Lieferung des Marschflugkörpers Taurus", die noch regierende SPD ist klar dagegen.

Union will mehr Geld für Verteidigung ausgeben

Wie entschieden die neue Regierung in Berlin handeln wird, hängt vor allem von zwei Faktoren ab. Der erste ist die Dynamik, die nach dem 20. Januar eintritt, an dem Donald Trump zum zweiten Mal als US-Präsident vereidigt wird. Mit Trump dürfte Deutschland stark unter Druck geraten - wirtschaftlich, aber auch sicherheitspolitisch.

Man müsse dann schneller entscheiden und brauche mehr Geld, sagte ein hochrangiger CDU-Politiker aus Ostdeutschland der DW entnervt: "Wenn der Waffenstillstand in der Ukraine kommt, werden wir ihn bezahlen müssen." Gerade im Osten Deutschlands sind die Populisten von AfD und BSW sehr erfolgreich mit ihrer pro-russischen Haltung.

Dezember 2024: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und der CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidaten der Union Friedrich Merz begrüßen sich herzlich in Kyjiw
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (re.), hier in Kiew mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, hat sich für weitreichendere Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochenBild: Efrem Lukatsky/AP Photo/picture alliance

Wenn es ums Geld für die Verteidigung geht, ist die Position der Union klarer. Die Forderungen Trumps nach fünf Prozent des BIP für die Verteidigung schmettert man zwar ab und verweist darauf, dass nicht einmal die USA so viel ausgeben. Die zwei Prozent, die die NATO-Staaten als Ziel vereinbart haben, stehen auch im Wahlkampfprogramm als Mindestbetrag für Deutschland. Die CSU spricht sich gar für drei Prozent aus - wohl auch als Signal an die deutsche Rüstungsindustrie.

Die Frage der Koalitionspartner

Der zweite Faktor, von dem Deutschlands Sicherheitspolitik abhängt, ist die Frage der künftigen Koalition. "Würde die Union mit der SPD regieren, geht es bei der Sicherheit mit angezogener Handbremse voran", prognostiziert Gustav Gressel, Sicherheitsexperte vom European Council of Foreign Relations. Er rechnet nicht damit, dass sich bei der SPD künftig Pragmatiker wie Verteidigungsminister Boris Pistorius durchsetzen.

Wahrscheinlicher sei, dass die Bedenkenträger mitregieren würden, die "die 'Friedenspolitik' fortsetzen, die eigentlich ein 'Friedenspopulismus' ist", meint Gressel. "Die SPD würde dann in die alte Position fallen und sich mit der Angststrategie vom größeren Koalitionspartner absetzen wollen - genauso, wie schon in der 'Ampel'-Regierung." 

Im Deutschen Bundestag sitzen nebeneinander (von links) FDP-Chef Christian Lindner, Vizekanzler Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
Mögliche Koalitionspartner: In der Sicherheitspolitik sind FDP-Chef Christian Lindner (li.) und Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck (M.) der Union näher als die SPD des amtierenden Bundeskanzlers Olaf Scholz (Archivbild)Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Rückenwind könnten sie von Russland-freundlichen Gruppierungen erhalten, die es auch in der Union gebe, so Gressel, vor allem im Osten und in Bayern. Aber auch anderen internen Kritikern von Friedrich Merz traut der Experte zu, dass sie sich bei außen- und sicherheitspolitischen Fragen gegen eine von Merz angeführte Regierung stellen. Genau in diesem Teil der Union sind auch viele Gegner einer Koalition mit den Grünen zu finden.

Eine schwarz-grüne Regierung würde Waffenlieferungen vereinfachen

Eine schwarz-grüne Koalition könnte Deutschland sicherheitspolitisch schneller in eine Führungsposition bringen. Die Grünen haben ihren sicherheitspolitischen Kurs spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine um 180 Grad gedreht: Früher lehnte die Partei, die viele Pazifisten in ihren Reihen zählt, Waffenlieferungen in Krisenregionen kategorisch ab. Heute gehören sie zu den größten Befürwortern der militärischen Hilfe für die Ukraine - auch für die Lieferung moderner Waffensysteme.

Der Marschflugkörper Taurus sei zwar "kein Game-Changer", sagt Sicherheitsexperte Gressel. Doch die Waffe sei inzwischen zum Symbol der deutschen Angst vor einer Verwicklung in den Ukraine-Krieg geworden. Olaf Scholz habe "bei der Taurus-Debatte mit erfundenen Argumenten bewusst Angst in der Bevölkerung geschürt", sagt Gressel. Das erschwere eine sachliche Debatte. 

Dass Deutschland mit Friedrich Merz als Bundeskanzler den Taurus an die Ukraine dennoch liefern würde, darüber gibt es unter Experten und auch in der Union kaum Zweifel. Doch auch jenseits der Debatte um Waffenlieferungen, formuliert Merz einen anderen Anspruch als Scholz: "Wenn Deutschland nicht die Führungsrolle in Europa übernimmt, dann sind wir schwach."