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Vertane Chance des Bundeskanzlers

Uta Thofern18. März 2003

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat nach dem Kriegs-Ultimatum durch die USA bekräftigt, dass er diesen Schritt für falsch hält. Uta Thofern kommentiert.

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Gerhard Schröder bleibt dabei: Vom Irak geht keine Bedrohung aus, die einen Krieg rechtfertigt. Das ist die Position, die der Bundeskanzler seit Monaten vertreten hat - unbeirrt und mit wachsender Unterstützung. Was zunächst wie ein Alleingang aus wahl-taktischen Motiven aussah, eine undiplomatische Aktion, die noch nicht einmal mit dem Bundesaußenminister abgesprochen war, hat sich zu einer internationalen Koalition des Friedens entwickelt: Als Sekundant von Frankreichs Präsident Chirac hat Schröder mit an der Achse gegen den Krieg geschmiedet, die die Veto-Mächte China und Russland inzwischen ebenso selbstverständlich mit einbezieht wie viele Staaten der arabischen Welt.

Innenpolitisch weiß Schröder nicht nur die überwältigende Mehrheit der Deutschen hinter sich - er kann auch auf die uneingeschränkte Unterstützung seines Regierungsbündnisses zählen. Lediglich die konservative Opposition wagt es noch, zaghaft nach einer glaubwürdigen Drohkulisse gegen den Irak zu rufen - versucht aber gleichzeitig in gewundenen Erklärungen alles zu vermeiden, was sie eindeutig an die Seite des amerikanischen Präsidenten stellen würde.

Getragen von einer Welle des Pazifismus, einig mit den Massen, die für den Frieden auf die Straße gehen, beflügelt von der weltweiten Empörung über das rücksichtslose Vorgehen der Amerikaner - es scheint, als ob Gerhard Schröder Recht behalten und das Rechte getan hat.

Und doch bleibt die Frage, ob das Rechte auch das Richtige war. Die Welt steht am Vorabend eines Krieges - so begann der Kanzler seine Fernsehansprache, und das ist das Resumee der monatelangen Bemühungen um den Frieden. Hätte mehr Geschlossenheit im Weltsicherheitsrat ein anderes Ergebnis gebracht? Es mag müßig sein, jetzt noch darüber nachzudenken. Festzuhalten jedoch ist, dass Einmütigkeit nach der vorzeitigen Festlegung der deutschen Position schlicht ausgeschlossen war. Schröders "Nein" erfolgte unabhängig von allen damals noch möglichen Beschlüssen des Sicherheitsrates.

Festzuhalten bleibt auch, dass Deutschland seine - im Kosovo wie in Afghanistan gewonnene - außenpolitische Reputation nicht genutzt hat, um diplomatischen Einfluss auf die US-Regierung zu nehmen. Vertan die Chance, als größter EU-Mitgliedsstaat die traditionellen Beziehungen zu Frankreich und das gute Verhältnis zu Großbritannien in die Waagschale zu werfen, um eine einheitliche und starke europäische Position zu Stande zu bringen. Und - nicht zuletzt - verpasst auch die Gelegenheit, Deutschlands Brückenfunktion in der Mitte Europas für eine konstruktive Einbindung der EU-Beitrittsländer zu nutzen. Was bleibt? Deutschland hat diesen Krieg nicht gewollt. Niemand will diesen Krieg - verhindern wird ihn das jedoch nicht.