Verbesserte Machtbalance in der EU
25. Mai 2005Es gibt eine Vielzahl von guten und fortschrittlichen neuen Bestimmungen in der Verfassung, deren Aufzählung den Rahmen aber sprengen würde. Was ich besonders wichtig finde ist, dass die Europäische Union zum ersten Mal als Union der Staaten und der Bürger definiert wird. Das mag sehr theoretisch klingen, hat aber mehr als nur "akademische" Auswirkungen.
Gestärkte Unionsbürger
Zum ersten Mal werden die Völker Europas und die Staaten Europas auf eine Ebene gesetzt. Der bisherigen Union der Staaten wird nun die Union der Völker gleichgesetzt. Das findet seinen erkennbaren Ausdruck zum einen in der Verankerung allgemeingültiger und einklagbarer Grundrechte für die Bürger der Europäischen Union in der neuen Verfassung, zum andern auch in der erheblichen Ausweitung der Rechte des Europäischen Parlamentes, das von den Unionsbürgern direkt gewählt wird.
Mitentscheidung und Zustimmung sind nun die Regel bei den Europäischen Gesetzgebungsverfahren. Was mich besonders freut ist, dass dies auch für den Bereich Bürgerrechte, Justiz und innere Sicherheit gilt. Damit herrscht weitestgehend Waffengleichheit mit dem Ministerrat. Ein weiterer bedeutender Schritt zur Demokratisierung der Europäischen Union ist getan.
Die Union muss weiter an sich arbeiten
Der Demokratisierungsprozess innerhalb der Europäischen Union ist noch nicht abgeschlossen. Langfristig wünsche ich mir, dass die Europäische Kommission wie eine echte Regierung, wie eine echte Exekutive funktioniert - natürlich unter vollständiger parlamentarischer Kontrolle des Europäischen Parlaments. Auch das Initiativrecht der Kommission müsste dann folgerichtig auf das Parlament übergehen.
Durch das neu eingeführte Bürgerbegehren sind zwar erhebliche Vorteile erzielt worden aber zu meinem Demokratieverständnis gehört eben auch das Initiativrecht der Legislative. Darüberhinaus bedaure ich es, dass es vorerst keinen gesonderten Gesetzgebungsrat geben wird und dass der Ministerrat bis auf weiteres nicht öffentlich tagt.
Viel weltpolitische Arbeit wartet auf Europa
Als überzeugter Europäer hätte ich mir auch mutigere, integrativere Schritte im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik gewünscht. Die künftige Einsetzung eines Europäischen Außenministers ist zwar ein Riesenfortschritt, aber dies wird langfristig nicht genug sein um Europa wirklich mehr Gewicht und effektivere Handlungsmöglichkeiten in der Weltpolitik zu verschaffen.
Keinesfalls aber rechtfertigen diese Defizite einzeln oder in ihrer Gesamtheit gesehen eine grundsätzliche Kritik oder gar eine Ablehnung des Verfassungsvertrag