Vappu kommt - Finnland im Ausnahmezustand
30. April 2008Schon mehrere Tage vor Vappu, dem 1. Mai, sind die Vorboten nicht zu überhören, geschweige denn zu übersehen: Zu Dutzenden ziehen Studenten mit ihren bunt bemalten Studentenoveralls durchs Zentrum Helsinkis und verkaufen wie Marktschreier eigens für den 1. Mai produzierte satirische Zeitschriften. "Vappu-Zeitung Julkku. Kauft Humor der Technikstudenten in seiner schönsten, blühendsten Form! Verbales Intelligenzblatt! Seid nicht dumm – kauft Julkku!", preist der 24-Jährige Physikstudent Pyry Jahkola das Uni-Blatt an, in dem von ätzender Kritik an bildungspolitischen Projekten bis zu dreckigen Witzen und Karikaturen über den Studentenalltag alles zu finden ist.
Vappu-Manie unter Studenten
Die Studentenzeitschriften, weiße Studentenmützen und ordentlich viel Alkohol – das gehört zur Tradition des Vappu. Das finnische Fest ist aus einer Jahrhunderte alten Tradition entstanden: Ursprünglich war es ein Frühlingsfest, doch seit 1870 hat es sich mehr und mehr zu einem Fest der Studenten entwickelt, bei denen die Jugendlichen ihre Universität, ihre Fakultät und das Studentenleben an sich feiern.
Am 30. April geht Vappu richtig los: Obwohl es meist noch ziemlich kalt in Helsinki ist, treibt es die Jugendlichen auf die Straße, wo ausgelassen gefeiert wird. Sie strömen zu Hunderten zur Eröffnung von Vappu ins Stadtzentrum, zur kleinen Havis Amanda Statue. Schüchtern steht die bronzene Meerjungfrau auf ihrem Sockel und versteckt ihre Blößen, während die Jugendlichen sie umlagern, waschen und schmücken, denn um 18 Uhr setzen sie der Havis Amanda eine überdimensionale Studentenmütze auf. Auch Statuen in anderen finnischen Städten erleiden dasselbe Schicksal. Erst danach setzen sich auch alle anderen ihre eigene Studentenmützen auf. "Wir Technologiestudenten machen das erst um Mitternacht, weil erst dann der erste Mai offiziell beginnt", erzählt der 24-jährige Physikstudent Pyry Jahkola.
Besonderer Dresscode an Vappu
In der Praxis halten sich aber nur die wenigsten Technologiestudenten an diese Regelung. Sie tanzen bereits am frühen Abend auf den Strassen und ziehen von Kneipe zu Kneipe - mit Sektflaschen und Luftballons in der Hand und Luftschlangen im Haar, weißen Studentenmützen und Nylon-Overalls, den sogenannten Haalaris, die besonders wichtig sind.
Denn die ursprünglich weißen Haalari-Overalls werden für die Feier kunstvoll mit Unterschriften, Buttons und anderen Accessoires verziert. Auch Pyry Jahkola hat sich seinen Party-Anzug verschönert: "Dieser weiße Physiker-Overall ist ziemlich lahm. Darum habe ich verschiedene Sticker von Studentenveranstaltungen aufgenäht, ein weiteres gelbes Phi - für Physikstudent - auf die Brust geklebt und Teile meiner Ärmel mit Studenten anderer Fakultäten getauscht, als Zeichen der Freundschaft", erzählt Pyry.
Die Finnen halten was aus: Trinken bis zum Umfallen
Ein weiteres Accessoire an Pyrys Kostüm ist der Ledergürtel an dem ein Sektglas und ein Flaschenöffner baumeln, denn getrunken wird bei finnischen Feiern generell gerne und viel – vor allem also an Vappu. Deshalb bestellen viele Läden Extra-Ladungen an Sekt und Bierkisten. So auch Timo Susi vom staatlichen Alkohol-Laden "Alko", denn an Vappu verkauft Susi vier bis sechsmal mehr als an normalen Wochentagen. "Mittsommer und Weihnachten sind die trinkfreudigsten Tage," erzählt der 41-Jährige. "Dann kommt schon Vappu, also der Erste Mai. Besonders Sekt ist dann gefragt. Ich habe für Vappu 10 000 Flaschen extra bestellt. Ich hoffe, dass das reicht."
Wenn das Wetter relativ warm ist, könnte dieser Sektvorrat allerdings knapp werden: Denn dann feiern die Studenten die ganze Nacht durch und gehen danach in die Stadtparks. Dort picknicken sie: Mit Gesang, Kartoffelsalat, Würstchen, Tippaleipä, einem finnischen Spritzgebäck und natürlich – Sekt.