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USA: Unschuldiger Langzeitgefangener fordert Justizreform

7. Januar 2024

Fast ein halbes Jahrhundert saß Glynn Simmons in einem US-Gefängnis - unschuldig. Kurz vor Weihnachten kam er frei. Nun hat er Ziel: eine Reform des Strafrechtssystems der USA.

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Glynn Simmons (19.12.2023)
Unschuldig Inhaftierter Simmons (nach seinem Freispruch am 19. Dezember): Bild: Doug Hoke/AP Photo/picture alliance

48 Jahre, 1 Monat und 18 Tage lang war Glynn Simmons in den USA für einen Mord weggesperrt, den er nicht begangen hat. Vor zweieinhalb Wochen kam der heute 71-Jährige frei. Das Urteil von 1975 sei falsch gewesen, so eine Richterin in Oklahoma City. Sie hob die Strafe deshalb kurz vor Weihnachten auf.

Nun will Simmons sich für andere unschuldig Inhaftierte einsetzen. Der Afroamerikaner will sich für einen Wandel im US-Justizsystem starkmachen. "Das ist meine Inspiration für die Zukunft, der Versuch, zurückzukommen und einigen der Jungs zu helfen, die in der gleichen Situation sind, wie ich es war", sagte Simmons in einem BBC-Interview am Wochenende. "Wir müssen etwas zur Reform der Strafjustiz tun. Wir müssen wirklich überdenken, wie wir das machen."

Simmons war 1975 im US-Bundesstaat Oklahoma im Zusammenhang mit einem bewaffneten Raubüberfall auf ein Spirituosengeschäft zum Tode verurteilt worden. Später wurde die Strafe in lebenslang umgewandelt. 2023 war sein Fall auf Antrag der Verteidigung neu aufgerollt worden, was dann mit dem Freispruch im Dezember endete.

Damit ist Simmons in der US-Geschichte der Häftling, der am längsten unschuldig hinter Gittern saß, bevor er freigesprochen wurde. Der Afroamerikaner geht davon aus, dass in der damals von Rassismus durchzogenen US-Justiz die Hautfarbe auch bei seiner Verurteilung eine Rolle spielte. Nach Angaben des US-Forschungsprojekts National Registry of Exonerations ist die Wahrscheinlichkeit, dass Schwarze in den USA zu Unrecht wegen Mordes verurteilt werden, etwa 7,5-mal höher als bei Weißen.

Weihnachten bei der Familie

Der nun freigelassenes Simmons verbrachte nach eigenen Angaben Weihnachten mit seinem Sohn, drei Enkel- und sieben Urenkelkindern. "Alles, was wir seither gemacht haben, war ein erstes Mal", sagte er der BBC. Unter die Freude über seine Freiheit mischten sich Ärger und Bitterkeit über die verlorenen Jahrzehnte. "Aber das musst du geregelt bekommen, sonst frisst es dich auf."

Glynn Simmons war ein Jahr vor seiner Freilassung zum wiederholten Mal an Krebs erkrankt. Eine Chemotherapie sei im Gefängnis nicht möglich gewesen und es hätten sich Metastasen gebildet, so Simmons. Er habe auf einer Warteliste für eine Behandlung gestanden. Er wolle nun die verbleibende Zeit auch für sich nutzen, die Welt bereisen. "Ich war an einem Extrem der Einkerkerung - jetzt will ich ans andere Extrem der Befreiung gehen."

AR/pg (dpa, BBC)