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PolitikEuropa

US-Wahl: Hat Europa einen Ansprechpartner für Trump?

Anchal Vohra
3. November 2024

In seiner ersten Präsidentschaft hatte Donald Trump bilaterale Gespräche mit Europas Staaten gesucht. Im Falle seiner Wiederwahl, würde er damit EU und NATO schwächen. Wer könnte zwischen Trump und Europa vermitteln?

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Donald Trump Mark Rutte
Der ehemalige niederländische Ministerpräsident Mark Rutte (links) pflegte während der ersten Trump-Administration ein freundschaftliches Verhältnis zu dem damaligen PräsidentenBild: Alex Brandon/picture alliance

Sollte Donald Trump die US-Präsidentschaftswahl am 5. November gewinnen, könnte sein Konfrontationskurs mit den europäischen Partnern das politische und sicherheitspolitische Gefüge von EU und NATO durcheinanderwirbeln. Wer könnte da gut vermitteln? In der EU werden mehrere Politiker als Ansprech- und Gesprächspartner für Trump als neuen US-Präsident gehandelt.  

Wenn es um sicherheitspolitische Herausforderungen geht, gilt der neue NATO-Generalsekretär Mark Rutte vielen als erste Wahl. Doch auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der polnische Präsident Andrzej Duda haben sich als gleichgesinnte Trump-Verbündete in Europa positioniert.

Mark Rutte: Proeuropäischer Trump-Flüsterer

Mindestens drei hochrangige NATO-Quellen, die nicht namentlich zitiert werden wollen, sagten der DW, Rutte habe als Premierminister der Niederlande (2010 bis 2024) während Trumps erster Amtszeit ein gutes Verhältnis zu ihm aufgebaut. Genau dies sei einer der Gründe gewesen, Rutte zum Generalsekretär der NATO zu wählen, um das Verteidigungsbündnis auf eine Rückkehr Trumps vorzubereiten.

Rutte sei dafür bekannt, dass er Trump einbinden, aber auch standhaft bleiben könne, wenn es nötig sei - sowohl in bilateralen Gesprächen als auch bei NATO-Gipfeln, sagte der ehemalige stellvertretende NATO-Generalsekretär Camille Grand, heute Experte für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik beim European Council on Foreign Relations.

Als Trump 2018 beim NATO-Gipfel drohte, die USA würden die Allianz verlassen, wenn Europa seine Verteidigungsausgaben nicht erhöht, rettete Rutte die Situation. Er wies den damaligen Präsidenten sanft darauf hin, dass die Verteidigungsausgaben - dank ihm, Trump - bereits steigen würden.

Ian Lesser, Leiter des Brüsseler Büros des German Marshall Fund of the United States (GMF), sagt, dass Rutte Trump eine noch "bessere Botschaft zur Lastenteilung" übermitteln könne: 23 der 32 NATO-Mitgliedsländer, darunter die Schwergewichte Frankreich und Deutschland, würden das Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung auszugeben, in diesem Jahr voraussichtlich erreichen oder sogar übertreffen. Im Gegenzug würde Rutte von Trump Zusicherungen über Ukraine-Hilfen und eine Fortsetzung des NATO-Engagements der USA erwarten.

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump trifft sich mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda im Trump Tower in Midtown Manhattan.
Der polnische Präsident (Mitte) traf sich im April mit Trump in New YorkBild: Stefan Jeremiah/AP/dpa/picture alliance

Trump hat nicht nur damit gedroht, die Hilfe für die Ukraine einzustellen, und Russlands Präsidenten Putin dazu ermutigt, mit "säumigen" Verbündeten zu machen, "was immer er will". Sein ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater John Bolton meint, er könnte die USA sogar aus der NATO zurückziehen. GMF-Leiter Lesser sagt: "Rutte wird von Washington Berechenbarkeit erwarten, insbesondere vor dem Hintergrund des russischen Krieges."

Viktor Orban: Der "Trump vor Trump"

Rutte steht im Wettbewerb mit Viktor Orban. Der ungarische Ministerpräsident traf sich im Juli nach Besuchen in Peking, Kiew und Moskau zu einer "Friedensmission" mit Trump. Dort präsentierte er sich als Vermittler der EU zur Beendigung des russischen Krieges in der Ukraine.

Als Trumps demokratische Gegenkandidatin Kamala Harris im September sagte, dass die Staats- und Regierungschefs der Welt über den ehemaligen Präsidenten "lachen" würden, führte Trump seine engen Beziehungen zu Orban als Gegenbeispiel an und lobte den Ungarn als starken, zähen und klugen Premierminister.

Zsuzsanna Vegh, GMF-Analystin für Mitteleuropa, sagte, Orban wolle mit seinem Kontakt zu Trump in erster Linie sein eigenes Ansehen steigern und ein Image als international relevante Führungspersönlichkeit aufbauen: "Trumps Sieg könnte Orban auch ermutigen, den Weg der Autokratisierung im eigenen Land fortzusetzen", sagte Vegh, und damit würde Orban "die Glaubwürdigkeit der EU als Gemeinschaft von Demokratien weiter untergraben".

Experten glauben, dass seine migrations- und LGBTQ+-feindliche Politik Orban bei Trumps MAGA-Anhängerschaft beliebt gemacht hat. Trumps ehemaliger Chefberater Steve Bannon hat den ungarischen Staatschef sogar als "Trump vor Trump" bezeichnet. Orban ist ein enger Verbündeter des russischen Präsidenten Wladimir Putin und gegen die Unterstützung der Ukraine durch die EU. Beobachter befürchten deshalb, dass er Trump die Vorstellungen des Kremls einflüstern könnte.

Ist Europa auf einen Wahlsieg von Trump vorbereitet?

Zwar entsprächen Orbans Forderungen nach Waffenstillstand und Verhandlungen den Interessen seiner amerikanischen Kontakte und - unter den derzeitigen Umständen - auch denen Russlands, meint auch Analystin Vegh, aber: "Ich bezweifle, dass Präsident Putin Premierminister Orban braucht, um sich im Weißen Haus für ihn einzusetzen."

Orban möge für Trump ein "gleichgesinnter Verbündeter" sein, sagt GMF-Leiter Lesser, Rutte aber sei ein "strategischer Gesprächspartner", der für die Sicherheitsbelange der NATO eintrete und größeren Einfluss haben sollte.

Duda und Meloni stellen Sicherheit über Ideologie

Andere potenzielle EU-Gesprächspartner stimmen in Fragen wie der Einwanderung ideologisch eher mit Trump und Orban überein, stehen aber strategisch auf Ruttes Seite. Der polnische Präsident Andrzej Duda von der nationalistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) traf sich im April mit Trump. Berichten zufolge überzeugte er den Republikaner davon, dass seine Partei im US-Kongress die Blockade eines 60 Milliarden Dollar (55,5 Milliarden Euro) schweren Hilfspakets für die Ukraine aufgab.

"Angesichts der strategischen Position Polens an der Ostflanke der NATO wird die Aufrechterhaltung robuster Beziehungen zu den USA als entscheidend für die nationale Sicherheit angesehen, unabhängig von der politischen Zugehörigkeit", schrieb Maciej Tyburski vom Thinktank Warsaw Institute der DW. Zwar stünden sich PiS und Republikaner, einschließlich Trump, ideologisch sehr nah, aber die Bedeutung der amerikanisch-polnischen Beziehungen werde seit jeher über das gesamte politische Spektrum bewertet.

Auch die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gilt bei Parteikollegen als perfekte Ansprechpartnerin für Donald Trump im Falle seines Wahlsiegs. Einige Mitglieder ihrer rechtsextremen Partei Brüder Italiens (FdI) haben sich bereits mit dem ehemaligen Präsidenten getroffen. Der FdI-Abgeordnete Antonio Giordano nahm im Juli am Nominierungsparteitag der Republikaner in Milwaukee teil. Der Financial Times sagte er im September, dass Meloni die "natürliche Gesprächspartnerin" für Trump wäre, wenn er "verstehen will, wie man besser mit Europa umgehen kann".

Obwohl Meloni selbst bei den US-Wahlen weder Trump noch die demokratische Kandidatin Kamala Harris unterstützt, wurden ihre Annäherung an Elon Musk seit einem Treffen im Jahr 2023 von einigen Beobachtern als Zeichen ihrer Präferenz für den ehemaligen Präsidenten gewertet. Der Multimilliardär zählt zu den prominentesten Unterstützern von Trumps Wahlkampf. Filippo Simonelli vom Institut für internationale Angelegenheiten, sagte der DW, Meloni könnte versuchen, Bindeglied zwischen dem rechten Flügel der europäischen Politikszene und der von der Leyen-Kommission zu sein, "die bereits mehr denn je nach rechts schaut." Als solche könne sie sich auch als Vermittlerin zwischen den USA und den EU-Institutionen positionieren.

 Giorgia Meloni und Elon Musk
Meloni (links) bat persönlich darum, dass Musk (Mitte) ihr letzten Monat in New York den Global Citizen Award überreichtBild: Michelle Farsi/dpa/picture alliance

Ihre ideologische Nähe zu Trump bedeute jedoch nicht, dass Meloni die Bedrohung durch Russland aus den Augen verloren habe, sagte GMF-Leiter Lesser: "Sie ist eine überzeugte Transatlantikerin." Oft schon hat Meloni ihre Unterstützung für die Ukraine zum Ausdruck gebracht und sich damit in Brüssel Respekt verschafft. Und wie Duda schätzt auch sie den Wert der NATO als Verteidigungsbündnis für Europa.

Trump könnte Europas Rechtsextreme mobilisieren

Verhandlungserfolge rechter Politiker mit einem neuen US-Präsidenten Donald Trump könnte nach Ansicht einiger Politanalysten der europäischen Rechten Aufschwung geben und ihre Bewegung in der EU gewissermaßen normalisieren. Comfort Ero, Leiterin des Thinktanks International Crisis Group, merkt in einem kürzlich erschienenen Artikel an, dass eine zweite Trump-Regierung "die Moral rechtsextremer europäischer Politiker stärken könnte, die gegen ein stärkeres, integrierteres Europa arbeiten".

Ebenso könnten Trumps Versuche, bilateral mit EU- und NATO-Mitgliedern zu verhandeln, wie er es während seiner ersten Amtszeit häufig tat, diese Institutionen schwächen. Trumps unvorhersehbare Außenpolitik, sein Hang zum kurzfristigen Deal und seine Missachtung des Multilateralismus würden es der EU mit ihren 27 Mitgliedsstaaten erschweren, sich auf ihn einzustellen, schreibt Ero: "Europäische Politiker befürchten, dass eine zweite Trump-Präsidentschaft ihre Einheit auf die Probe stellen könnte."

"Orban, Meloni und Duda sind zumindest in innenpolitischen Fragen eher mit Trump verbündet und werden sicherlich versucht sein, diese Gemeinsamkeit auszunutzen", sagt Sicherheitsexperte Grand. "Diese Zersplitterung des europäischen Ansatzes gegenüber einer möglichen Trump-Administration ist für die europäischen Interessen und die NATO nicht hilfreich, da die Bilateralisierung der Sicherheitsbeziehungen mit den USA die NATO langfristig untergraben könnte."