Obamacare-Abschaffung nimmt weitere Hürde
25. Juli 2017Knapper geht es nicht: Mit 51 zu 50 Stimmen stimmte der US-Senat dafür, über die Abschaffung von "Obamacare" zu beraten. Vizepräsident Mike Pence musste das Unentschieden mit seiner Stimme brechen, weil zwei republikanische Senatorinnen mit Nein stimmten. Damit hatte es 50:50 gestanden. Alle Demokraten stimmten mit Nein.
Die formale Entscheidung machte nun lediglich den Weg für die Debatte frei. Bei der Abstimmung war allerdings nicht bekannt, über welches Gesetz mit welchen Inhalten in der Folge debattiert werden sollte. Der politische Prozess im Senat sieht die Möglichkeit zahlreicher Anfügungen und Änderungen zu einem vorliegenden Text vor. Anschließend geht der Text zurück in das Abgeordnetenhaus.
Mehrere Republikaner, die noch in der Vorwoche gegen ein eigenes Alternativgesetz gestimmt hatten, sagten nun Ja zur Eröffnung einer Debatte. Daraus lässt sich gleichwohl keine Voraussage über den Ausgang der kommenden Senatsabstimmung über das Gesetz ableiten.
Die 50. Ja-Stimme kam von Senator John McCain, der trotz einer Gehirnoperation und einer dabei diagnostizierten Krebserkrankung eigens zur Abstimmung nach Washington gekommen war. In einer bewegenden Rede rief der 80-Jährige seine Kollegen leidenschaftlich dazu auf, bei allem Streit in der Sache wieder überparteilich zusammenzuarbeiten. "Wir bekommen sonst überhaupt nichts geregelt", sagte McCain, gezeichnet von einer langen Narbe über dem Auge. Seine eigene Partei warnte er vor Mauscheleien hinter verschlossenen Türen.
Die Abstimmung wurde von Protesten und Rufen wie "Schande" oder "Kill that Bill"(etwa: "Schafft dieses Gesetz ab") von den Zuschauerrängen des Senats begleitet.
US-Präsident Donald Trump bedankte sich bei den republikanischen Senatoren. "Obamacare" sei ein Desaster und hätte schon längst abgeschafft werden sollen, sagte er. Die Gesundheitsgesetzgebung sei extrem komplex, er kenne sich damit aus. Amerika stehe nun vor einer "großen" Krankenversicherung.
Die Führung der Republikaner und Trump selbst hatten über Tage eine Art Alles-oder-Nichts-Szenario aufgebaut: Wer dagegen stimme, die Abschaffung von "Obamacare" in Gang zu setzen, stimme für das Werk von Trumps Amtsvorgänger. Die Republikaner versuchen seit sieben Jahren, die Reform zu torpedieren. Sie argumentieren, Obamacare sei zu teuer und ein zu großer Eingriff des Staates. Sie halten sie für Sozialismus, außerdem trägt das Gesetzeswerk Barack Obamas Namen. Die Demokraten verweisen dagegen auf Millionen Amerikaner, die sich mit Hilfe des Gesetzes überhaupt eine Krankenversicherung leisten können.
Eine mehrheitsfähige Alternative zu der von vielen für die USA als historisch bezeichneten Versicherung hatte die Partei gleichwohl nicht entwickelt. Trump hatte zuletzt großen Druck auf die republikanischen Senatoren ausgeübt. Mehrheitsführer Mitch McConnell sagte, nach Jahren der Debatte müsse man nun ein Versprechen einlösen.
Erst vergangene Woche waren die vorerst letzten Versuche der Republikaner am Widerstand aus den eigenen Reihen gescheitert, einen mehrheitsfähigen Reformvorschlag zu "Obamacare" vorzulegen. Manchen Republikanern ging er zu weit, anderen nicht weit genug. Unabhängige Analysen bescheinigten allen bisher diskutierten Vorschlägen der Republikaner gravierende Verschlechterungen für die Gesundheitsvorsorge von Millionen US-Amerikanern.
stu/qu (dpa, rtr)