Biden befürchtet russischen Einmarsch
17. Februar 2022Die Gefahr einer Invasion sei "sehr hoch", sagte US-Präsident Joe Biden in Washington und nach seiner Einschätzung könne es "in den nächsten paar Tagen" dazu kommen. Alles deute darauf hin, dass Russland bereit dazu sei, die Ukraine anzugreifen.
Es gebe auch Grund zur Annahme, dass Moskau in eine Operation unter falscher Flagge verwickelt sei - so werden Machenschaften bezeichnet, um einen Vorwand für einen Angriff künstlich zu inszenieren. Biden betonte zugleich, es gebe nach wie vor die Möglichkeit einer diplomatischen Lösung. Darum habe er US-Außenminister Antony Blinken zu einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates nach New York geschickt.
Die US-Regierung wirft Russland trotz anderslautender Beteuerungen aus Moskau eine weitere Aufstockung von Truppen und Ausrüstung an der Grenze zur Ukraine vor. Pentagon-Chef Lloyd Austin sagte nach Beratungen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel, die Russen beteuerten zwar, dass sie einige ihrer Kräfte abzögen, nachdem Übungen abgeschlossen seien, "aber wir sehen das nicht - ganz im Gegenteil".
NATO besorgt über Verstöße gegen die Waffenruhe
Ähnliche Sorgen äußerten NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Bundeskanzler Olaf Scholz betonte nach einem EU-Sondertreffen, Russland habe an der Grenze zur Ukraine genug militärisches Potenzial für eine Invasion. "Das ist bedrohlich, und das bleibt auch eine bedrohliche Situation, und da darf man nicht naiv sein."
Stoltenberg äußerte auch Sorge über Berichte über angebliche Angriffe gegen prorussische Separatisten in der Ostukraine. "Wir sind besorgt darüber, dass Russland versucht, einen Vorwand für einen bewaffneten Angriff auf die Ukraine zu inszenieren", sagte er. Man wisse nicht, was passiere, aber der russische Truppenaufmarsch im Grenzgebiet zur Ukraine sei der größte in Europa seit Jahrzehnten. Zugleich wisse man auch, dass es in der Ukraine viele russische Geheimdienstler gebe, die auch im Donbass aktiv seien. Und man habe Versuche gesehen, mit "Operationen unter falscher Flagge" einen Vorwand für eine Invasion der Ukraine zu schaffen. Ostukrainischen Separatisten hatten ukrainischen Regierungstruppen zuvor Verstöße gegen den geltenden Waffenstillstand vorgeworfen.
Stellvertretender US-Botschafter ausgewiesen
Zugleich verschärfen sich die Spannungen durch die Ausweisung des stellvertretenden US-Botschafters in Moskau, Bart Gorman. Die Begründung für die scharfe diplomatische Maßnahme blieb bislang aus. Die Ausweisung des Spitzendiplomaten stelle einen "Schritt der Eskalation" dar, erklärte das Außenministerium in Washington. "Wir prüfen unsere Antwort."
Gorman war die Nummer zwei in der US-Botschaft nach Botschafter John Sullivan. Er hatte nach US-Angaben ein gültiges Visum und war seit weniger als drei Jahren in Russland im Einsatz. "Wir fordern Russland auf, seine grundlosen Ausweisungen von US-Diplomaten und Mitarbeitern zu beenden", hieß es aus Washington weiter. "Jetzt ist es wichtiger denn je, dass unsere Länder das notwendige diplomatische Personal vor Ort haben, um die Kommunikation zwischen unseren Regierungen zu erleichtern."
Moskau besteht auf US-Truppenabzug
Im Streit um Sicherheitsgarantien besteht Russland weiterhin auf dem Abzug sämtlicher US-Soldaten aus Ost- und Mitteleuropa. "Wir sind überzeugt, dass das nationale Potenzial in diesen Zonen völlig ausreichend ist", erklärte das russische Außenministerium in seiner schriftlichen Antwort auf ein Schreiben aus Washington. Sollten die USA nicht die geforderten Sicherheitsgarantien geben, wäre Moskau "gezwungen zu reagieren, einschließlich mit militärisch-technischen Mitteln".
Die USA hatten zuvor schriftlich auf die von Russland geforderten Sicherheitsgarantien für Europa reagiert. Im russischen Antwortschreiben heißt es nun, Russland erwarte von den USA und der NATO konkrete Vorschläge dazu, dass sich das transatlantische Bündnis nicht weiter nach Osten ausdehne. Dialogbereitschaft zeigte Russland in der Frage der gegenseitigen Rüstungskontrolle. So könnte es gegenseitige Inspektionen von Raketenstellungen geben, zitierte die russische Agentur RIA das Außenministerium in Moskau.
uh/rb (dpa, rtr, afp)