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Unternehmen fordern mehr Klimaschutz

7. November 2017

Es ist die größte Unternehmenserklärung für ambitionierten Klimaschutz, die je in Deutschland veröffentlicht wurde: Über 50 große und mittelständische Unternehmen fordern von der Politik einen Klimaschutzplan.

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Oberhausen Kokerei
Bild: Getty Images/L. Schulze

Es muss ein konkreter Klimaschutzplan her und es muss Schluss sein mit der Stromerzeugung aus Kohle. Das fordern rund 50 deutsche oder in Deutschland aktive Konzerne. Sie haben eine Erklärung unterschrieben, in der sie die künftige Bundesregierung auffordern, "Klimaschutz zur zentralen Aufgabe" zu machen und denAusstieg aus der Kohleverstromung voranzubringen.

Zu den Unterzeichnern gehören Schwergewichte wie Siemens, SAP, Adidas, der Stromversorger EnBW, die Deutsche Telekom, die Deutsche Börse, Nestlé sowie Unternehmensverbände. Die unterzeichnenden Firmen beschäftigen zusammen allein in Deutschland über 450.000 Beschäftige und machen einen globalen Umsatz von mehr als 350 Milliarden Euro (mehr als der Bundeshaushalt 2017), heißt es von der Stiftung 2°. Hinter der Stiftung stehen zahlreiche namhafte Unternehmen. Ihr Ziel ist es, die Politik zur Etablierung effektiver marktwirtschaftlicher Rahmenbedingungen für den Klimaschutz aufzufordern und die Lösungskompetenz deutscher Unternehmen zu unterstützen.

Klimaschutz gerade im Fokus der Öffentlichkeit

Der Appell der Unternehmen kommt zu einer Zeit, in der gerade heiß um das Klima gerungen wird. Auf dem Weltklimagipfel in Bonn sollen internationale Politiker sich auf konkrete Maßnahmen einigen, damit das Klimaschutzziel von zwei Grad noch erreicht wird. "Dieser starke Appell eines relevanten Teils der deutschen Wirtschaft ist gerade jetzt ein wichtiger Antreiber", meint Christoph Bals von Germanwatch. Gerade jetzt würde die Welt mit Spannung auf Deutschland schauen, ob in den Koalitionsverhandlungen endlich die notwendigen Umsetzungsschritte für die international angekündigten Klimaziele beschlossen werden". 

Deutschland COP23 UN Klimakonferenz in Bonn
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Meissner

Seit Wochen schon streiten in Berlin die potentiellen Koalitionsparteien darüber, wie viel Klimaschutz im Koalitionsvertrag stehen soll. Ein großes Thema ist dabei der Kohleausstieg. Die Grünen kämpfen dafür, dass die CO2-Emissionen 2020 um 40 Prozent unter denen von 1990 lägen. Dagegen sorgt sich die FDP darum, dass eine zu strikte Klimapolitik die deutsche Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen könnte.

Weniger Wettbewerbsfähigkeit oder sogar mehr?

Ihre Wettbewerbsfähigkeit haben sicherlich auch die unterzeichnenden Unternehmen im Blick. Das scheint für sie aber nicht unbedingt ein Widerspruch zu der Erklärung zu sein. "Klimaschutz muss in den Verhandlungen für das schwarz-gelb-grüne Projekt vom Knackpunkt zur Chance werden, denn er bietet die Gelegenheit für die Wirtschaft, sich zukunftsfähig aufzustellen und wettbewerbsfähig zu bleiben", sagt Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung 2°.

Klimaschutz eröffne den Unternehmen vielmehr auch Chancen. "195 Staaten haben sich verpflichtet, bis Ende des Jahrhunderts den Ausstoß von Treibhausgasen zu stoppen. Wer die dazu notwendigen Technologien, Produkte und Dienstleitungen entwickelt, hat im globalen Wettbewerb die Nase vorne", meint Michael Otto, der Vorsitzende der Michael-Otto-Stiftung für Umweltschutz. Er glaubt, es sei vielmehr ein Risiko für die Unternehmen, diesen Trend zu verpassen.

"Immer mehr Unternehmen haben Sorgen davor, dass Deutschland beim Klimaschutz und damit bei neuen Technologien zurückfällt", sagt auch Maximilian Gege, Vorsitzender von B.A.U.M. e.V.. Viele in der Wirtschaft wollten bei Energie-, Verkehrs- und Wärmewende mehr Tempo, als die Politik bis jetzt bereit ist zuzulassen, so Gege.

Sabine Nallinger betont außerdem, dass die Unternehmen Planungs- und Investitionssicherheit brauche würden, um ihren Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten zu können. Sie plädiert dafür, dass die Politik den Klimaschutz zu dem Modernisierungsprojekt machen sollte, um die deutsche Wirtschaft wettbewerbs- und zukunftsfähig aufzustellen.

Forderungen der Unternehmen

Konkret fordern die Unternehmen von der neuen Bundesregierung effiziente Maßnahmen zum Erreichen des 40 Prozent-Klimazieles für 2020. Außerdem solle für 2050 eine Emissionsminderung auf bis zu 95 Prozent  angestrebt werden. Um das umzusetzen drängen sie auf konkrete Maßnahmenpakete für die Umsetzung des Klimaschutzplans samt Ziele für einzelne Sektoren.

Mehr Ökostrom soll ausgeschrieben werden, Stromnetze und Speicher ausgebaut werden. Es sollen Anreize für mehr Energieeffizenz gegeben werden. Zudem fordern die Unternehmen einen verlässlichen und sozialverträglichen Ausstiegspfad bei der Kohleverstromung und sie plädieren für einen strikteren Emissionshandel mit begleitende Maßnahmen, damit sich der CO2-Preis erhöht. Außerdem solle die neue Regierung Steuern und Abgaben im Hinblick auf Klimaziele überarbeiten und überprüfen, ob die Subventionierung bis 2025 eingestellt wird. Zudem sind sie überzeugt, Deutschland und die EU bräuchten jetzt einen konsequenten Einstieg in die Verkehrswende auf Schiene und Straße.

Infografik Kohleausstieg Europa Kohlekraftwerke DEU

Auch weniger ist noch zu viel

Insgesamt wird etwa die Hälfte aller CO2-Emissionen in Deutschland von der Energiewirtschaft verursacht. Die Stromerzeugung aus Kohle stößt dabei mit Abstand die meisten Klimagase unter allen Energieträgern aus. Laut Umweltbundesamt stießen die Kraftwerke 2014 für eine verbrauchte Kilowattstunde Strom aus Braunkohle etwa 1150 Gramm CO2 aus. Bei Steinkohle waren es knapp 900 Gramm. Zum Vergleich: Für eine Kilowattstunde Strom aus Erdgas wurden etwa 370 Gramm CO2 freigesetzt.

Dabei hat sich schon einiges geändert. 1990 produzierte Deutschland noch über ein Drittel seines Stroms aus Braunkohle, 2016 nur noch 23 Prozent. Bei Steinkohle waren es 1990 noch fast 26 Prozent, vergangenes Jahr aber nur noch 17 Prozent. Es reicht aber trotzdem nicht, wie die CO2-Emissionen der vergangenen Jahre zeigen. Sie sind in  Deutschland seit 2009 nicht mehr gesunken. 

Von einem Kohleausstieg würden einige der Unterzeichner direkt profitieren. Siemens verdient beispielsweise immer mehr Geld mit dem Bau von Gaskraftwerken und Anlagen für Erneuerbare Energie. Auch der Energiekonzern EnBW investiert in letzter Zeit vor allem in den Ausbau der Windenergie.

Insa Wrede, DW-Mitarbeiterin
Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion