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Anne Frank zum 80.

12. Juni 2009

Hätte Anne Frank ihren Traum verwirklichen können, wäre sie eine berühmte Schriftstellerin geworden. Aber das Mädchen überlebte den Nazi-Terror nicht. Berühmt wurde sie dennoch. Ihr Tagebuch zählt zu den Weltbestsellern.

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Das Tagebuch zeigt auf der linken Seite ein Foto Anne Franks und auf der rechten einen Eintrag der Autorin
Das Tagebuch der Anne FrankBild: APTN

Südafrikas Freiheitskämpfer Nelson Mandela erzählte, Anne Franks Tagebuch habe ihm während seiner Gefangenschaft viel Mut gegeben. Der frühere Palästinenser-Führer Yassir Arafat besuchte das Anne-Frank-Haus in der Amsterdamer Prinsengracht 263. Junge Japanerinnen nennen den Tag, an dem sie ihre erste Regel bekommen, sogar "Anne Frank Day". Als Erinnerung, denn Anne Frank sehnte sich trotz ihrer Todesbedrohung danach, eine Frau zu werden.

Heldin wider das Vergessen

Anne Frank ist bekannter als jeder Widerstandskämpfer im Dritten Reich. Es gibt ein Anne-Frank-Museum und Anne-Frank-Schulen. Eine Stiftung, eine Anne-Frank-Rose, eine Briefmarke, ein Denkmal. Musicals am Broadway und in Barcelona wurden nach ihr benannt. Ihr kurzes Leben wurde auch verfilmt. Sämtliche Autoren und Historiker stützen sich auf Aussagen, die das Mädchen in seinem Tagebuch niederschrieb, im Verborgenen aufzeichnete. Es ist das Vermächtnis eines Mädchens voller Lebenswillen und doch ohne Perspektive, es ist ein Zeugnis des Leides der Juden.

Ein Nachlass für die Ewigkeit

Die Geschichte beginnt am 12. Juni 1942. An ihrem 13. Geburtstag bekommt Anne Frank das Tagebuch geschenkt. Ihre Einträge wird sie fortan in niederländisch schreiben, denn schon neun Jahre zuvor hat die jüdische Familie des Kaufmanns Otto Frank Frankfurt am Main verlassen. Inzwischen sind die Franks auch in den Niederlanden vor den Nazis nicht mehr sicher. Ab Juli 1942 werden Juden aus Amsterdam in Arbeitslager deportiert. Die Flucht erscheint Otto Frank unmöglich. Annes Vater bittet daher seine Sekretärin Miep Gies um Hilfe. Sie und weitere Mitarbeiter verstecken die Franks und eine befreundete Familie. Das Tagebuch wird fortan zu Annes wichtigstem Verbündeten. Sie schreibt darin an eine imaginäre Freundin, die sie Kitty nennt. Es sind Gedanken, Hoffnungen, Sehnsüchte, Ängste und Nöte einer Jugendlichen, die erstaunlich erwachsen klingen wie "Ich weiß, dass ich nicht sicher bin. Und ich habe Angst vor den Zellen und Konzentrationslagern. Aber ich fühle, dass ich mutiger geworden bin. Und in Gottes Armen liege."

Gefangen im Hinterhaus

Das Anne-Frank-Haus (Foto: bigfoto.com)
Das Anne-Frank-Haus in AmsterdamBild: bigfoto.com

Anne muss zusammen mit sieben weiteren Menschen auf engstem Raum leben. Das Verlies liegt in einem Hinterhaus, der Eingang verborgen hinter einem schlichten Bücherregal. Eine zunehmend angespannte Atmosphäre macht sich breit, als sich herausstellt, dass sie nicht nach ein paar Wochen oder Monaten frei sein werden. Miep Gies versorgt die Untergetauchten mit dem Lebensnotwendigen. In den insgesamt 25 Monaten der Isolation liest Anne Frank viele Bücher. Sie verschlingt sie geradezu, und sie schreibt. Feilt dabei fortwährend an ihrem Stil, während sie den Wunsch nach Freiheit dokumentiert und Gedanken formuliert, die das Gute im Menschen hervorheben. Ganz nebenbei beschreibt sie einfühlsam die Veränderungen an ihrem Körper während der Pubertät.

Der Traum von einer Zukunft als berühmte Schriftstellerin

Ihr Tagebuch soll die Vorlage für ihren ersten Roman werden. Einen Titel hat sie auch schon: "Das Hinterhaus". Die Geschichte gibt das tägliche Leben vor. Ein Leben in Enge und Abgeschiedenheit. Anne Frank malt sich aus, wie die Welt zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg über ihre Erlebnisse urteilt. Sie selbst wird das Kriegsende nicht erleben.

Ein Leben ohne Happy End

Anne muss ihre Aufzeichnungen zurücklassen, als sie und die sieben anderen am 4. August 1944 aus ihrem Versteck in der Prinsengracht herausgeholt und abtransportiert werden. Es geht direkt ins Vernichtungslager Auschwitz. Kurz darauf werden Anne und ihre Schwester Margot ins Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert. Sie weiß vom Tod in den Gaskammern. Doch beide Mädchen sterben, wahrscheinlich Anfang März 1945, an Typhus, nur wenige Tage vor der Befreiung des Lagers durch die Alliierten.

Rettung des Tagebuchs

Miep Gies steht neben der Großaufnahme eines Fotos von Anne Frank (Foto: AP).
Miep Gies hat Anne Franks Tagebuch gerettetBild: AP

Das Tagebuch Anne Franks hat Miep Gies vor der Gestapo in Sicherheit gebracht. Sie übergibt es ungelesen an Annes Vater. Otto Frank ist das einzige Familienmitglied, das den Nazi-Terror überlebte. Er veröffentlicht die Aufzeichnungen seiner Tochter. Darin heißt es: "Ich will nicht umsonst gelebt haben wie die meisten Menschen... Ich will den Menschen, die um mich herum leben und mich doch nicht kennen, Freude und Nutzen bringen. Ich will fortleben, auch nach meinem Tod." Anne Frank lebt weiter durch ihr Tagebuch, eines der erfolgreichsten Bücher nach der Bibel.

Autorin: Karin Jäger

Redakteur: Hartmut Lüning