Merz setzt in Kyjiw auf starke Ukraine
9. Dezember 2024Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz setzt sich auch knapp drei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskrieges für eine anhaltend konsequente Unterstützung der Ukraine ein. "Wenn unsere Unterstützung für die Ukraine schwächer wird, dann wird dieser Krieg länger dauern", sagte der CDU-Chef bei der Ankunft in der Hauptstadt Kyjiw. "Wenn unsere Unterstützung für die Ukraine konsequent ist, dann wird dieser Krieg schneller enden." Nur wenn die Ukraine stark sei, werde der russische Präsident Wladimir Putin "überhaupt bereit sein, sich auf Verhandlungen einzulassen", sagte Merz. Kreml-Chef Putin lässt in der kalten Jahreszeit vor allem die Strom- und Wärmeinfrastruktur der Ukraine mit Drohnen und Raketen angreifen, um die Bevölkerung zu zermürben.
"Wir wollen, dass dieser schreckliche Krieg so schnell wie möglich endet und der Frieden in Europa wiederhergestellt wird", fügte er hinzu. "Dafür muss die Ukraine in eine Lage versetzt werden, in der sie ihr Selbstverteidigungsrecht ausüben kann." Er sei in die Ukraine gereist, um der Regierung und den Menschen zu versichern, dass die Unionsfraktion fest an ihrer Seite stehe, sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Abgeordneten im Bundestag.
Ein Seitenhieb auf die Deutsche Bahn zum Auftakt
Der Unionsfraktionschef wird von seinem für Außenpolitik und Verteidigung zuständigen Stellvertreter Johann Wadephul (CDU) begleitet. Merz hatte die Ukraine bereits am 3. Mai 2022 und damit gut zwei Monate nach Beginn des russischen Angriffs besucht. Bei der Ankunft seines jetzigen zunächst geheim gehaltenen Besuchs sagte Merz in die Fernsehkameras: "Auf die Minute pünktlich, die ukrainische Bahn." Zudem sei er mit einem perfekten WLAN unterwegs gewesen. Das dürfte als kleiner Seitenhieb auf die Pünktlichkeit der Bahn in Deutschland sowie die Netzabdeckung dort zu verstehen sein.
Er freue sich sehr auf die erneute Begegnung mit Präsident Wolodymyr Selenskyj, betonte Merz. Er wolle "im Laufe des Tages einfach erfahren, wie die Lage in der Ukraine ist und was wir tun können, um diesem geschundenen Land zu helfen, weiter sich gegen die russische Aggression zu verteidigen". Bei den Gesprächen von Merz in der ukrainischen Hauptstadt dürfte die Sorge eine Rolle spielen, ob der designierte US-Präsident Donald Trump nach seinem Amtsantritt am 20. Januar 2025 die Militärhilfe für die Ukraine fortsetzen wird. Sollte das nicht der Fall sein, wären die Europäer kaum in der Lage, diese Lücke zu füllen.
Reizthema Taurus
Außerdem wird mit Spannung erwartet, ob Merz dem ukrainischen Präsidenten Hoffnung macht, dass Deutschland mit ihm als möglichem künftigen Kanzler die von Kyjiw seit langem geforderten weitreichenden Marschflugkörper Taurus liefert. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte Kiew vor genau einer Woche besucht. Bei seinem ersten Besuch in Kiew seit zweieinhalb Jahren hatte Scholz zwar anhaltende Waffenlieferungen Deutschlands zugesichert, aber zugleich sein Nein zu einer Taurus-Lieferung bekräftigt. Das habe "mit der Reichweite zu tun und den Notwendigkeiten, die Zielsteuerung zu kontrollieren".
Der Kanzler befürchtet, Deutschland drohe bei einer Lieferung der Marschflugkörper, die mit einer Reichweite von 500 Kilometern auch Russlands Hauptstadt Moskau erreichen könnten, in den Krieg hineingezogen zu werden. Scholz will auch keine grundsätzliche Erlaubnis für den Einsatz der von Deutschland gelieferten Waffen gegen russisches Territorium erteilen. Einzige Ausnahme ist die Region um die ukrainische Großstadt Charkiw nahe der Grenze, wo die deutschen Raketenwerfer Mars II mit einer Reichweite von 84 Kilometern eingesetzt werden dürfen.
Scholz hatte Merz kürzlich beim SPD-Wahlkampfauftakt vorgeworfen, mit seinem Ukraine-Kurs die Sicherheit Deutschlands aufs Spiel zu setzen. Merz wolle der Nuklearmacht Russland mit Blick auf eine mögliche Taurus-Lieferung ein Ultimatum stellen, sagte Scholz. Merz hatte die Vorwürfe zurückgewiesen und gesagt, er habe einen Vorschlag gemacht, der Ukraine Handlungsoptionen in die Hand zu geben, damit sie auf das Kriegsgeschehen Einfluss ausüben könne "im Sinne eines Waffenstillstandes und eines Schweigens der Waffen". Er habe der Ukraine angeboten, "die Reichweitenbegrenzung aufzuheben und die Taurus-Lieferungen zu ermöglichen, jeweils mit Bedingungen, die die Ukraine bestimmt - und nicht wir und auch nicht ich", sagte Merz.
haz/se (dpa, rtr, afp)