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Politik

Ungarn: Protest gegen Fudan-Universität

Felix Schlagwein
4. Juni 2021

In Ungarns Hauptstadt soll eine chinesische Hochschule entstehen. Doch die Kritik gegen das Projekt wird immer lauter: Zwei Drittel der Bevölkerung sind gegen den Bau, die Opposition versucht, ihn ganz zu stoppen.

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Dalai Lama Straße in Budapest
Aktivisten zeigen Tibets Fahne vor der neuen "Dalai-Lama-Straße" im Budapester Stadtteil FerencvárosBild: ATTILA KISBENEDEK/AFP

Noch sind keine Bagger und Kräne zu sehen im Budapester Stadtteil Ferencváros. Doch wenn es nach der Regierung von Ungarns Premierminister Viktor Orbán geht, sollen sie sobald wie möglich ihre Arbeit aufnehmen. Denn 2024 will hier die renommierte Shanghaier Fudan-Universität ihre erste Außenstelle eröffnen. Es wäre die erste chinesische Hochschule in der Europäischen Union.

Doch der Protest gegen die geplante Universität ist groß. Laut einer aktuellen Umfrage des Budapester Republikon-Instituts lehnen 66 Prozent der Ungarn das Bauvorhaben ab, darunter auch viele Anhänger der Regierungspartei Fidesz. Die Opposition versucht mit allen Mitteln, den Campus zu verhindern, allen voran Budapests Bürgermeister Gergely Karácsony von Ungarns grüner Partei "Párbeszéd" (deutsch: Dialog), der bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr für die vereinigte Oppositionsliste gegen Viktor Orbán ins Rennen ziehen will.

Ungarn l Bürgermeister Gergely Karacsony, Budapest
Der Grüne Gergely Karácsony ist seit Oktober 2019 Bürgermeister von Ungarns Hauptstadt BudapestBild: Laszlo Balogh/AP/picture alliance

Unterstützung bekommt Karácsony von der parteilosen, aber von der Opposition unterstützten Bezirksbürgermeisterin von Ferencváros, Krisztina Baranyi. Am Dienstag benannte sie Straßen rund um das geplante Bauareal um - unter anderem in "Dalai-Lama-Straße", "Straße der uigurischen Märtyrer" und "Freies-Hongkong-Straße".

"Wenn wir öffentliche Plätze nach gesellschaftlichen Gruppen und Menschen benennen, die Opfer des chinesischen Staates sind, setzen wir uns nicht nur für sie ein, sondern auch für das Ideal der Freiheit und Solidarität", erklärte Gergely Karacsóny bei der Einweihung der Straßenschilder am Mittwoch. Regierungssprecher Zoltán Kovács kritisierte die Umbenennungen scharf. Gegenüber dem Internetportal Telex sagte er, die Opposition scheine "ihren gesunden Menschenverstand verloren" zu haben.

Ein teures Geschenk für China

Damit hat der seit Monaten schwelende Konflikt um die Fudan-Universität in Budapest einen neuen Höhepunkt erreicht - und wird mehr und mehr zum Wahlkampfthema. Knackpunkte sind vor allem Größe und Kosten des Projekts: Über eine halbe Million Quadratmeter soll sich der neue Campus erstrecken; damit wäre er wesentlich größer als alle anderen ungarischen Universitäten. Im April enthüllte das Investigativportal Direkt36 zudem die Kosten des Projekts: Umgerechnet rund 1,5 Milliarden Euro will die ungarische Regierung offenbar dafür ausgeben - und damit mehr als für das gesamte ungarische Hochschulwesen 2019.

China Shanghai | Fudan Universität
Der Haupteingang der Fudan-Universität im chinesischen ShanghaiBild: picture-alliance/dpa/S. Wenpeng

Ein Großteil der Kosten soll mit chinesischen Krediten gedeckt, der Bau von einem chinesischen Unternehmen durchgeführt werden. Größe und Kosten des Projekts verwundern vor allem deshalb, weil auf dem Fudan-Campus nur bis zu 8000 Studenten unterrichtet werden sollen. Damit wäre die Universität im Vergleich zu den anderen Budapester Hochschulen klein.

Aufwertung des Bildungsstandorts Ungarn

Die Orbán-Regierung weist jegliche Kritik zurück. Sie führt an, dass zahlreiche Universitäten in Europa und den USA bereits enge Kooperationen mit Fudan hätten. Ein eigener Campus einer Universität von Weltrang würde Ungarn als Bildungsstandort aufwerten und die ungarischen Universitäten wettbewerbsfähiger machen. Kritiker entgegnen, dass Orbán mit der Central European University (CEU) 2018 eine der besten Universitäten der Welt aus dem Land gedrängt habe.

Ungarn Proteste in Budapest
Protest gegen die Schließung der Central European University in Budapest im November 2018Bild: Imago/ZUMA Press/O. Marques

Tamás Matura, Assistenz-Professor an der Budapester Corvinus-Universität und Gründer des Central and Eastern European Center for Asian Studies, sieht den neuen Fudan-Campus zwiegespalten. "Fudan ist in der Tat eine der besten Universitäten der Welt und könnte Ungarn nach vorne bringen, etwa technologisch", so Matura im Gespräch mit der DW. Allerdings befürchtet er, dass die chinesische Hochschule gerade wegen ihres Renommees und ihrer finanziellen Ausstattung die ungarischen Universitäten schwächen könnte, weil die besten Professoren und Studenten zu Fudan abwandern würden. Auch dass der neue Campus mit ungarischem Steuergeld finanziert werde und damit ein Geschenk an China sei, hält er für problematisch.

Chinas "trojanisches Pferd" in Europa

Andere Kritiker gehen noch weiter. Sie befürchten, die neue Universität könnte ein Einfallstor für chinesischen Einfluss in der EU sein. Schließlich verschreibt sich Fudan in seinen Statuten "sozialistischen Grundwerten" und der Führung der Kommunistischen Partei. Immer wieder bezeichnen ungarische Oppositionspolitiker den geplanten Campus deshalb als "trojanisches Pferd". József Pálinkás, langjähriger Präsident der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und Bildungsminister unter der ersten Orbán-Reigerung, spricht gegenüber der DW von einer "chinesischen Festung in der Mitte Europas".

China Peking | Viktor Orban und Xi Jinping
Haben die Beziehungen zwischen Ungarn und China gestärkt: Premier Viktor Orbán und Präsident Xi JinpingBild: Andrea Verdelli/AFP/Getty Images

Tatsächlich hat die Orbán-Regierung ihre Beziehungen zu China in den vergangenen Jahren intensiviert. Zuletzt kritisierte Ungarns Außenminister Sanktionen, die die EU gegen China aufgrund massiver Menschenrechtsverletzungen erlassen hatte. Auch eine EU-Erklärung, die die umstrittene Wahlrechtsreform in Hongkong verurteilen sollte, scheiterte Anfang Mai am ungarischen Veto. Während der Corona-Pandemie setzt Ungarn als einziges EU-Land auch auf den chinesischen Impfstoff Sinopharm.

Protest für geplante "Studentenstadt"

Für China-Experte Matura ist offensichtlich, dass Peking genau deshalb Budapest als Standort für seine neue Universität gewählt hat: "In Berlin oder Paris hätte die Fudan Angst haben müssen, politisch unter die Lupe genommen zu werden. Budapest ist hingegen ein politisch sicherer Raum für China. Hier wird sie niemand angreifen, zumindest nicht, solange diese Regierung an der Macht ist."

Budapests Bürgermeister Gergely Karácsony hat nun eine Konsultation über den Bau des Fudan-Campus angesetzt. Dabei wird es auch um ein bereits seit langem geplantes Wohnungsbauprojekt in Budapest gehen: Die "Studentenstadt" sollte ursprünglich rund 12.000 Studenten eine günstige Unterkunft bieten. Doch der Fudan-Bau würde das Projekt wohl deutlich beschneiden - obwohl die Orbán-Regierung zuvor zugesichert hatte, dass beide Baupläne nicht kollidieren würden. Für Samstag ist in Budapest ein Protestmarsch unter dem Motto "Für die Studentenstadt, gegen Fidesz" geplant.