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Völkermord-Drahtzieher aus Ruanda ist verhandlungsunfähig

7. Juni 2023

Félicien Kabuga gilt als Finanzier und Mitverursacher des Genozids in Ruanda 1994. Doch zur Verantwortung gezogen wird der greise Mann nun nicht mehr. Das zuständige UN-Gericht will einen anderen Weg gehen.

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Félicien Kabuga mit Kopfhörern im Rollstuhl
Félicien Kabuga im vergangenen Herbst bei der Verlesung der Anklageschrift Bild: Handout/MICT/AFP

Das zuständige Straftribunal der Vereinten Nationen (UN) in Den Haag hält den Angeklagten Félicien Kabuga aus Ruanda nicht weiter für verhandlungsfähig. In einem Beschluss der Richter heißt es, drei vom Gericht bestellte medizinische Sachverständige hätten festgestellt, dass Kabuga an schwerer Demenz leide. Seine geistigen Fähigkeiten hätten sich seit Beginn des Verfahrens im September erheblich  verschlechtert. Der Ruander sei daher nicht in der Lage, dem Geschehen vor Gericht zu folgen, Beweise zu verstehen, seine Anwälte zu instruieren oder auszusagen.

Kabuga, der nach offiziellen Angaben 88 Jahre alt ist, aber behauptet, schon 90-jährig zu sein, galt als einer der reichsten Männer Ruandas. Sein Vermögen soll er unter anderem zur Finanzierung des Senders RTLM (Radio-Télévision Libre des Mille Collines) eingesetzt haben, der als Sprachrohr der Hutu-Mehrheit systematisch zu Morden an Tutsi aufgerufen und auch ihre Verstecke veröffentlicht hatte. Dem Genozid in Ruanda fielen nach UN-Schätzungen 1994 rund 800.000 Tutsi und gemäßigte Hutu zum Opfer.

Die Anklage wirft ihm unter anderem Völkermord, direkte und öffentliche Anstachelung zum Völkermord sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.

"Alternatives Verfahren ohne Verurteilung"

Die zuständigen Richter erklärten in ihrem Beschluss weiter, sie wollten, dass der Angeklagte nun ein "alternatives Verfahren" durchlaufe, das einem Prozess so nahe wie möglich komme, jedoch ohne die Möglichkeit einer Verurteilung.

Die Schädel von Opfern, die auf der Suche nach Zuflucht in der katholischen Kirche von Ntarama, Ruanda, ermordet wurden
Schädel von Opfern, die auf der Suche nach Zuflucht in einer Kirche in Ruanda ermordet wurden Bild: Ben Curtis/AP/picture alliance

Es sei für die Opfer, Überlebenden und die internationale Gemeinschaft wichtig, die  Völkermordverbrechen an Kabuga weiterhin vor Gericht zu behandeln, fügten die Richter hinzu. Der Angeklagte sei allerdings nicht verpflichtet, an dem neuen Gerichtsverfahren teilzunehmen.

Das Gericht hatte den Prozess erstmals im März wegen gesundheitlicher Bedenken ausgesetzt, nachdem es zuvor die Anträge von Kabugas Verteidigern, ihn für verhandlungsunfähig zu erklären, abgelehnt hatte.

Kabuga hält sich für nicht schuldig 

Kabuga bestritt im Vorfeld des Verfahrens die Anklagepunkte und plädierte auf nicht schuldig. Er war nach jahrzehntelanger Flucht im Frühjahr 2020 von der französischen Polizei festgenommen und an das Tribunal in Den Haag überstellt worden.

Er ist einer der letzten ruandischen Völkermordverdächtigen, deren Verbrechen vor Gericht aufgearbeitet werden. Ende Mai war in Südafrika mit dem ehemaligen Polizisten Fulgence Kayishema ein weiterer mutmaßlicher Haupttäter des Völkermords in Ruanda gefasst worden.

se/AR (afp, rtr, ap)