Ministerin will Wildtierhandel bekämpfen
20. Mai 2020Als das neue COVID-19-Virus offenbar im Dezember im chinesischen Wuhan vom Tier auf den Menschen übersprang, geschah das wohl auf einem großen Markt, auf dem lebende oder gerade erst geschlachtete Tiere verkauft werden. Zu eng ist hier der Kontakt zwischen Mensch und Tier. Und der Mensch zerstört immer mehr Naturflächen, dringt in Regionen vor, in die er eigentlich nicht gehört, rodet Wald, begradigt Flüsse, jagt exotische Tiere. Und gerät so in Kontakt mit gefährlichen Viren.
UN-Artenschutzkonferenz verschoben
So steigt die Gefahr immer neuer Pandemien. Die Zahl der jährlichen Ausbrüche infektiöser Krankheiten hat sich seit 1980 jedes Jahr verdreifacht. Nur hatten sie nicht solche gravierenden Auswirkungen wie durch das Corona-Virus. Die jetzige Pandemie lenkt die Aufmerksamkeit schlagartig auf den dramatischen Zustand der weltweiten Artenvielfalt. Experten und Politiker nutzen diese Woche, in der der "Internationale Tag der Biodiversität" begangen wird, um darüber zu sprechen, wie diese Entwicklung gestoppt werden kann.
Eigentlich sollte im Herbst in China die UN-Biodiversitätskonferenz stattfinden. Das Treffen ist jetzt wegen Corona auf einen noch unbestimmten Zeitpunkt im nächsten Jahr verschoben worden. Die rund 180 UN-Staaten wollten das Ziel diskutieren, 30 Prozent aller weltweiten Natur- und Wasserflächen bis 2030 unter Schutz zu stellen. Neu ist die Forderung, Viehmärkte wie den in Wuhan grundsätzlich zu verbieten.
Schulze sagt dem Wildtierhandel den Kampf an
Dazu äußerte sich die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) noch zurückhaltend. Sie sagte der DW: "China hat ja sofort reagiert und die gefährlichen Märkte geschlossen. Wichtig aus europäischer Sicht ist, dass wir den Handel mit den Wildtierarten, der größtenteils illegal ist, unterbinden. Dass wir in den kriminellen Bereich besser hineinkommen. Das ist Aufgabe der Polizei und des Zolls. Wir sind da dran."
Ähnlich sieht das der Artenschutz-Experte der Umweltgruppe Greenpeace, Christoph Thies. Er sagte der DW: "Wir können nicht von heute auf morgen erwarten, dass Menschen weltweit kein Wildfleisch mehr essen. Es gibt Regionen auf der Erde, wo das ein wichtiger Teil der Ernährung ist." Tatsächlich leben Millionen von Menschen in Asien und Afrika von solchen Märkten und beziehen von dort ihre Lebensmittel. Und mindestens so bedrohlich wie die Märkte ist der illegale Handel mit exotischen Tieren, der nur schwer zu unterbinden ist.
Klima- und Artenschutz zusammen denken
Dem Greenpeace-Experten Thies ist es wichtig, dass der Artenschutz durch Corona mehr Aufmerksamkeit erfährt. 1992, auf dem Weltgipfel in Rio, waren Klimaschutz, Artenvielfalt und der Kampf gegen die Wüstenausbreitung noch gleichbedeutende Themen, in den Jahrzehnten danach ist der Klimaschutz zum alles überragenden Thema geworden. Thies findet: Eigentlich lassen sich diese Umwelt-Probleme nicht voneinander trennen. "Der Schutz und die Wiederherstellung von Wäldern und anderen natürlichen Systemen kann 20 bis 30 Prozent der gesamten erforderlichen Klimaschutzmaßnahmen ausmachen."
Natürlich sei es die allerwichtigste Aufgabe, aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen. Aber die Rolle von Wäldern und der Natur sei auch für den Klimaschutz sehr groß. "Wir fordern schon seit vielen Jahren, dass diese Dinge im Paket gedacht werden." Dass das oft nicht geschah, liegt nach Ansicht von Thies oft auch an den Politikern: "In vielen Ländern, in vielen Regierungen haben die Leute, die mit Biodiversität und Naturschutz zu tun haben, oft nur wenig Bezug zu denjenigen, die Klimaschutz betreiben."
Besonders Vögel und Insekten bedroht
Umweltministerin Schulze hat unterdessen durchaus ein paar gute Nachrichten zum Thema Artenverlust in Deutschland, aber die intensiven Landwirtschaftsflächen bleiben das große Problem. Schulze stellte in Berlin den aktuellen "Bericht zur Lage der Natur" in Deutschland vor und sagte der DW: "Es hat sich bei den Buchenwäldern, bei den Vögeln, in den Städten, in den Wäldern ein bisschen was verbessert. Aber die Lage in den Agrarlandschaften ist wirklich kritisch. Das, was wir als Insektensterben jetzt schon kennen, zeigt sich jetzt schon in unserem Bericht. Da muss mehr passieren."
So ist der Bestand von Rebhühnern und Kiebitzen auf ein Zehntel des Bestandes von vor 25 Jahren gesunken. Rund 35 Prozent der Insekten und Schmetterlinge sind vom Aussterben bedroht. Antje von Broock von der Umweltgruppe BUND erklärte der DW: "Insektenschutz bedarf der Sachkenntnis und braucht finanziellen Aufwand. Im Moment gehen die Agrarförderungen der EU einfach an die Fläche und nicht an die Leistung. Wir setzen uns stark dafür ein, dass Bäuerinnen und Bauern Geld bekommen, wenn sie dafür auch eine Leistung für die Natur und die Landwirtschaft erbringen."
Pandemie-Vorbeuge als Hilfe für Artenschutz
Eine grundsätzlich andere Agrarpolitik in der EU, weniger große Viehmärkte in Asien und Afrika, Kampf gegen den illegalen Handel mit Tieren: Dies könnte den Artenschutz in und nach der Corona-Krise voranbringen. Christoph Thies von Greenpeace: "Es wird immer deutlicher, dass der Ausbruch von Infektionskrankheiten auch etwas mit der Zerstörung von Wäldern und anderen Naturräumen zu tun hat. Neben den klassischen Gründen für Naturschutz, dem Schutz der Arten und der Wälder, kommt die Gesundheitsprävention und die Verhinderung des Ausbruchs von gefährlichen Krankheiten hinzu." Es gibt also genug zu tun auf der nächsten UN-Biodiversitätskonferenz voraussichtlich im nächsten Jahr.