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PolitikEuropa

Ukrainisch-orthodoxe Kirche: Beten fürs Mutterland

Miodrag Soric aus München
2. Juli 2023

Die ukrainische Regierung fordert zwar von EU und USA Hilfe. Gleichzeitig missachte sie aber westliche Prinzipien wie Religionsfreiheit, kritisiert ein ukrainischer Bischof bei seinem derzeitigen Deutschland-Besuch.

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Bischof Sylvestr (ukrainisch-orthodoxe Kirche) bei einer Messe in Deutschland
Bischof Sylvestr auf Deutschland-Besuch: Kritik an der Regierung SelenskyjBild: Miodrag Soric/DW

"Die Ukrainisch Orthodoxe Kirche durchlebt derzeit die schwierigste Zeit in ihrer Geschichte," so der Bischof Sylvestr (Stoitschev) von der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (UOK) bei einem Besuch in München. Er spricht vor Hunderten meist serbisch-orthodoxer Christen in der Gemeinde des Heiligen Johannes Vladimir. Es sei nicht nur der russische Angriffskrieg, der den orthodoxen Gläubigen in der Ukraine das Leben schwer macht. Hinzu kommen politische Anfeindungen der ukrainischen Regierung gegen die UOK, der sie unterstellt, mit dem Moskauer Patriarchat zusammenzuarbeiten. "Diese Unterstellungen und Vorwürfe haben mit der Wirklichkeit nichts zu tun," sagt Bischof Sylestr der Deutschen Welle.

Beziehungen zu Mutterkirche in Russland gekappt

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 habe die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche die Beziehungen zu Moskau gekappt, eben weil Patriarch Kirill, Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche, den Angriff auf den Nachbarstaat nicht verurteilte. Vielmehr sucht der Moskauer Kirchenfürst auch öffentlich die die Nähe von Präsident Wladimir Putin. Er erfand sogar Gründe, die den brutalen Krieg rechtfertigten, der bislang Hunderttausende Tote und Verletzte forderte. "In unseren Gottesdiensten beten wir nicht für Kirill, erwähnen ihn auch nicht," so Bischof Sylvetr. In den Gottesdiensten gedenken sie der ukrainischen Opfer. "Ich und alle Geistlichen der UOK beten für den Sieg der Ukraine," sagt er. Viele Priester der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche dienen als Militärgeistliche an der Front. Es gebe praktisch keinerlei Kommunikation zwischen der UOK und dem Moskauer Patriarchat, so Bischof Sylestr. Durch einen entsprechenden Beschluss vom 27. Mai 2022 habe sich seine Kirche auch offiziell von Moskau getrennt.

Luftbild Höhlenkloster in Kiew
Streitobjekt: Das prächtige Höhlenkloster in KyivBild: Artjazz/Shotshop/picture alliance

Ein weiterer Beleg für die Unabhängigkeit von Moskau: Die UOK hat - sehr zum Missfallen der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK) - in den letzten Wochen und Monaten damit begonnen, im Ausland eigene Kirchengemeinden zu gründen; in Deutschland etwa in Berlin, Köln, Dresden, Hamburg, Leipzig oder Freiburg. Derzeit leben über eine Million ukrainische Flüchtlinge in Deutschland. Ihnen kann kaum zugemutet werden, in russischen Gemeinden den Gottesdienst zu besuchen, in denen für Patriarch Kirill gebetet wird.

Ukrainische Führung sieht Kirche kritisch

So sehr sich die Führung der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche auch bemüht, ihre Selbständigkeit von Moskau unter Beweis zu stellen: Das Misstrauen der ukrainischen Regierung gegen sie bleibt. 200 Mönche und 400 Seminaristen - also zukünftige Priester - sollen nach dem Willen der ukrainischen Regierung das berühmte Kiewer Höhlenkloster verlassen. Eine Entscheidung, gegen die die UOK gerichtlich vorgeht.

Eine geradezu schikanöse Behandlung der UOK beklagt der renommierte katholische Theologe und Experte Prof. Dr. Thomas Bremer, der jahrzehntelang an der Universität Münster lehrte. "Nach unseren westlichen Vorstellungen bedeutet Religionsfreiheit, dass der Staat sich nicht in die inneren Angelegenheiten von Kirchen einzumischen hat," erklärt er im Gespräch mit der DW. Die Art und Weise, wie der ukrainische Staat gegen die UOK vorgehe, sei am "Rande des Verstoßes gegen die Prinzipien von Religionsfreiheit", meint Bremer. Wenn die Ukraine sich an Europa annähern wollte - etwas, was auch die Europäer unterstützen - dann bedeute dies, dass Kiew die Grundsätze in Bezug auf Menschenrechte und Religionsfreiheit anzuerkennen habe.

DW Beitragsstills |  serbisch-orthodoxer Bischof Grigorije (Duric)
Zögert nicht, den russischen Aggressor beim Namen zu nennen: Bischof Grigorije von der serbisch-orthodoxen Kirche in DeutschlandBild: Miodrag Soric/DW

So sieht das auch der serbisch-orthodoxe Bischof Grigorije (Duric). Er ist das Oberhaupt von rund einer Million serbisch-orthodoxer Christen in Deutschland. Er war es, der Bischof Sylvestr zum gemeinsamen Gottesdienst in die bayerische Hauptstadt eingeladen hat. Viele Gläubige suchen nach dem Gottesdienst das Gespräch mit dem Gast aus der Ukraine: Und Bischof Sylvestr nennt in München den russischen Aggressor klar beim Namen.