Ukrainisch-iranische Erdgas-Pläne
28. Juli 2005Eine Einigung mit der Ukraine würde für iranische Erdgaslieferungen die Tür nach Europa öffnen. Das erklärte jüngst der stellvertretende iranische Ölminister Hadi Nedschad-Hosseinian. Vor wenigen Tagen hatte er sich mit dem Vorstandsvorsitzenden der staatlichen Aktiengesellschaft Naftogas Ukrajiny, Oleksij Iwtschenko, getroffen und über das Projekt gesprochen. Die Idee ist nicht neu. Über sie wird auf bilateraler Ebene bereits seit etwa sieben Jahren gesprochen. Ziel ist der Transport von Erdgas aus dem Iran über Armenien, Georgien, den Meeresgrund des Schwarzen Meeres über ukrainisches Territorium nach Westeuropa.
Schwarzmeer-Route sehr teuer
Der Vize-Präsident der Stiftung Strategie 1, Mychajlo Hontschar, erklärte der Deutschen Welle, warum man trotz langjähriger Gespräche bisher nicht weit gekommen ist: „Es gibt sehr ernste Probleme wegen des Verlaufs der Gasleitung über die Berglandschaft im Südkaukasus und den ziemlich langen Abschnitt der Gasleitung über den Grund des Schwarzen Meeres, zudem über dessen tiefsten Teil. Deswegen sind für die Umsetzung des Projekts gewaltige Investitionen notwendig. Die Ukraine muss in dieser Situation konsequent handeln, erst abwägen, und die Wirtschaftlichkeit genau prüfen, bevor sie riskante Projekte in Angriff nimmt.“
Route über Russland unwahrscheinlich
Es gibt noch einen anderen Weg, über den iranisches Erdgas ukrainisches Territorium erreichen könnte – den längeren Landweg, aus dem Iran über den Südkaukasus und Russland. Im Unterschied zum anderen Transportweg handelt es sich hier um eine Route über russisches Territorium. Russische Experten sind aber von keiner der Routen begeistert. Im Institut für Wirtschaft der Akademie der Wissenschaften Russlands vertritt man die Ansicht, dass beide ukrainisch-iranischen Projekte für Russland inakzeptabel sind. Russische Wirtschaftsexperten weisen darauf hin, dass jede Konkurrenz bei der Versorgung Europas mit Erdgas ohne eine Beteiligung Russlands einen Angriff auf russische Interessen darstellt. Die Ukraine bemüht sich den Experten zufolge auf diese Weise von der Abhängigkeit von russischen Energieträgern wenigstens teilweise zu lösen. Und das sei nicht mehr nur Wirtschaft, sondern Geopolitik.
Moskaus Einfluss auf Teheran groß
Nach Ansicht der russischen Experten sind beide Projekte ohne die Zustimmung Moskaus nicht realisierbar, weil sogar bei einer Verlegung einer Pipeline durch das Schwarze Meer eine Einigung mit Russland notwendig wäre. Außerdem habe Russland großen Einfluss auf den Iran, wegen Teherans friedlichem Atom-Programm. Der Iran wird in absehbarer Zeit nicht in der Lage sein, für Moskau ungünstige Projekte umzusetzen, weil dann ein Stopp der Zusammenarbeit im Rahmen des friedlichen Atom-Programms drohen würde.
Positive Auswirkungen für Kiew
Auch die Ukraine wird dem Experten der deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Alexander Rahr, zufolge aus strategischer Überlegung heraus ihr Vorgehen mit Russland abstimmen. Das Iran-Projekt sei kompliziert, weil an ihm mehr als drei Länder beteiligt wären. Der Experte macht aber auch auf einen Sicherheitsfaktor aufmerksam. Das Projekt würde viele unruhige Konfliktregionen betreffen. Solange sich dort die Situation nicht stabilisiere, könne man nicht von einem sicheren Energietransport sprechen. Rahr meint aber, ein solches Projekt hätte positive Auswirkungen auf die geopolitischen Interessen der Ukraine. Langfristig sei es für die Ukraine gut, wenn sie Erdgas und Erdöl in den Westen transportieren würde. Damit würde sie nicht nur Geld verdienen, sondern auch zu einem wichtigen Sicherheitsfaktor für die Wirtschaft der Europäischen Union werden. Die Ukraine werde, so Rahr, früher oder später in dieser Frage eine Schlüsselposition einnehmen.
Khrystyna Nikolaychuk, Anatolij Dozenko/Moskau
DW-RADIO/Ukrainisch, 26.7.2005, Fokus Ost-Südost