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KonflikteUkraine

Ukraine wechselt Oberbefehlshaber in Frontregion Charkiw aus

13. Mai 2024

Die ukrainische Armee gerät in der Region Charkiw durch die russische Offensive zunehmend in Bedrängnis. Das hat nun einem Medienbericht zufolge eine erste personelle Konsequenz.

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Ein Feuerwehrmann geht durch den Qualm eines brennenden Hauses in Charkiw
Ein zerstörtes Haus nach russischem Beschuss in CharkiwBild: Ukrinform/photonew.ukrinform.com/dpa/picture alliance

Inmitten der laufenden russischen Offensive in der nordöstlichen ukrainischen Region Charkiw tauscht die Ukraine den Oberbefehlshaber für die Armee in dem Frontabschnitt aus, wie die Nachrichtenagentur Reuters meldet. Die Ernennung von Brigadegeneral Mychajlo Drapatyj zum neuen Kommandeur in der Region sei bereits am Samstag beschlossen worden, erklärte das Militär am Montag gegenüber dem Nachrichtenportal RBC-Ukraine. Ein Grund wurde nicht genannt.

Die russischen Truppen hatte am Freitag eine neue Offensive in der Grenzregion gestartet und versucht, in Richtung der Ortschaft Lypzi und der Stadt Wowtschansk vorzurücken. Seitdem haben sie sie nach eigenen Angaben neun ukrainische Dörfer unter ihre Kontrolle gebracht. Das ukrainische Militär sprach von einer schwierigen Lage. Der Generalstab räumte am Montag "taktische Erfolge" der russischen Streitkräfte in der Region Charkiw ein, die dabei hohe Verluste erlitten hätten. Die Armee Russlands habe "bis zu fünf Bataillone" in das umkämpfte Gebiet verlegt.

Russische Soldaten am Stadtrand von Wowtschansk

Heftige Kämpfe wurden vor allem aus der Gegend um die Stadt Wowtschansk gemeldet, die gut fünf Kilometer von der russischen Grenze entfernt liegt. Russische Soldaten rückten dort nach Polizeiangaben bereits bis an den Stadtrand vor. Mehr als 30 Ortschaften in der Region Charkiw seien am Montag von "feindlichem Artillerie- und Mörserfeuer getroffen" worden, erklärte Gouverneur Oleh Synehubow in Online-Netzwerken. Das gesamte Grenzgebiet um Charkiw stehe "fast rund um die Uhr" unter russischem Beschuss. In den vergangenen Tagen seien mehr als 5700 Menschen aus der Region in Sicherheit gebracht worden.

Nach Angaben des Telegram-Kanals "Deepstate", der der ukrainischen Armee nahesteht, nahm die russische Armee während ihrer Offensive bereits ein Gebiet von rund hundert Quadratkilometern ein. "Der Feind rückt weiter auf Wowtschansk vor, er fasst Fuß am Stadtrand, um weiter in die Stadt einzudringen", hieß es.

Schätzungen zufolge befinden sich noch rund 500 Zivilisten in Wowtschansk. Die Polizei bringe weiterhin Einwohner in Sicherheit, sagte der Polizeichef der Region Charkiw, Wolodymyr Tymoschko. Wowtschansk werde von drei Seiten angegriffen.

Selenskyj nennt Lage "äußerst schwierig"

Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von "erbitterten Kämpfen" in der Region. Das Ziel des russischen Militärs sei es, "unsere Kräfte auseinander zu ziehen und die Moral zu untergraben". Die Lage rund um Wowtschansk sei "äußerst schwierig".

Eine alte Frau wird aus einem Dorf in der Nähe von Charkiw herausgebracht
Eine alte Frau wird aus einem Dorf in der Nähe von Charkiw herausgebracht Bild: SERGEY KOZLOV/EPA

Armeechef Oleksandr Syrsky erklärte am Sonntag, dass "die Versuche, unsere Verteidigung zu durchbrechen, gestoppt worden" seien. Er räumte jedoch ein, dass sich die Situation in der Region Charkiw "bedeutend verschlechtert" habe und "kompliziert" bleibe. Die ukrainischen Streitkräfte "tun alles, was sie können, um ihre Verteidigungslinien aufrechtzuerhalten und dem Feind Schaden zuzufügen", betonte Syrsky.

Armeechef Oleksandr Syrsky bei einem Frontbesuch
Armeechef Oleksandr Syrsky bei einem FrontbesuchBild: Ukrainian Armed Forces via AFP

Moskau hat seit Beginn seiner Invasion im Februar 2022 versucht, die Grenzregion Charkiw zu erobern; im Herbst 2022 musste sich die russische Armee von dort aber wieder weitgehend zurückziehen. Doch wie überall an der Front sind es auch in dieser Region seit dem Scheitern der ukrainischen Gegenoffensive im Sommer 2023 die russischen Streitkräfte, die derzeit auf dem Vormarsch sind.

Putin verändert Machtgefüge im Kreml

Mehr als zwei Jahre nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine hat Kremlchef Wladimir Putin seinen Verteidigungsminister und engen Vertrauten Sergej Schoigu entlassen. Der 68-Jährige war seit 2012 Verteidigungsminister. Ein offizieller Grund für die Entlassung wurde nicht genannt. Schoigus Nachfolger soll der bisherige Vize-Regierungschef Andrej Beloussow werden, wie das Oberhaus des russischen Parlaments mitteilte.

Der abgelöste Verteidigungsminister Sergej Schoigu
Der abgelöste Verteidigungsminister Sergej Schoigu (Archivbild)Bild: Russian Defense Ministry Press Service/dpa/picture alliance

Die Auswechslung Schoigus kam nicht überraschend, ist aber zu Beginn von Putins fünfter Amtszeit die brisanteste Personalie. Schoigu soll nun Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates werden; diesen Posten hat bislang Nikolai Patruschew bekleidet. Patruschews neue Verwendung werde in Kürze bekannt gegeben, erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow. 

Neue Angriffe auf russische Energieanlagen

Die Ukraine griff derweil nach Angaben aus Verteidigungskreisen in Kiew ein Tanklager und ein elektrisches Umspannwerk im Westen Russlands mit Drohnen an. Demnach handelte es sich um eine Aktion des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU. Der Gouverneur von Lipezk, Igor Artamonow, erklärte, ein Umspannwerk sei in Flammen aufgegangen.

Das Verteidigungsministerium in Moskau hatte zuvor den Abschuss von 31 ukrainischen Drohnen über russischem Gebiet und der annektierten Halbinsel Krim gemeldet. Am Sonntag waren in der russischen Stadt Belgorod nach Behördenangaben bei einem ukrainischen Luftangriff 15 Menschen getötet worden. Russland und die Ukraine hatten in den vergangenen Wochen die Angriffe auf Energiestandorte der jeweils anderen Seite ausgeweitet.

kle/gri (rtr, afp, dpa)