Ukraine-Verhandlungen: Hurra und Häme in Moskau
20. Februar 2025Zwei Tage Zeit lässt sich Wladimir Putin für eine Reaktion auf die Verhandlungen in Riad. In der saudischen Hauptstadt hatten sich diese Woche die Außenminister der USA und Russlands zu Ukraine-Gesprächen getroffen.
Dann erst zeigt der russische Präsident verhaltenen Optimismus - allerdings, wie um die Erwartungen zu dämpfen, eher nebenbei: Er werde sich gern mit Trump treffen, der US-Präsident sei intelligent, die Verhandlungen in Riad seien "hoch" einzuschätzen, sagte er am Rande des Besuchs einer Drohnenfabrik in Sankt Petersburg vor Reportern.
Während die jüngsten Äußerungen Donald Trumps gegenüber dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kyjiw und anderen europäischen Hauptstädten für Entsetzen sorgen, lobt Putin seinen US-Kollegen und greift die Europäer an: "Ich wundere mich ehrlich gesagt über die Zurückhaltung des US-Präsidenten Trump in Bezug auf seine Alliierten, die sich, sagen wir es direkt, unverschämt verhalten haben."
Kritik an den Europäern und der NATO kommt auch von Putins Sprecher Dmitri Peskow. "Die Stationierung von Militärs der NATO-Länder in der Ukraine ist unzulässig für Russland", sagt Peskow über die Idee, ein Ukraine-Abkommen durch europäische Friedenstruppen absichern zu lassen.
"Absolut unzulässig" nennt Peskow auch Selenskyjs Wortwahl gegenüber Trump in ihrer verbalen Auseinandersetzung diese Woche. Als Trump dem ukrainischen Präsidenten vorgeworfen hatte, nur noch vier Prozent Zustimmung in seiner Heimat zu haben, konterte Selenskyj, der US-Präsident lebe in einer "Blase der Desinformation".
Vorwurf der Realitätsverweigerung
So viel Einigkeit zwischen Moskau und Washington wie jetzt gab es seit langem nicht mehr. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa bemerkt: "Russland nimmt die nervöse Reaktion des Westens auf die russisch-amerikanischen Kontakte zur Kenntnis. Sie werden dabei richtig hysterisch." Sacharowas Meinung nach habe der Westen - offenbar meint sie damit europäische Staaten - einen Weg der "Realitätsverweigerung" und "Ablehnung jeglicher moralischer und ethischer Konzepte" gewählt.
Häme kommt auch vom ersten russischen Fernsehen "Perwyj Kanal". In der Sendung "60 Minuten" stellt die Moderatorin Olga Skabejewa fest: "Europa will nicht wahrhaben, dass sich die Welt verändert. Sie verändert sich aber mit großer Geschwindigkeit." Skabejewa beklagt zwar, dass die EU mittlerweile ein sechzehntes Sanktionspaket gegen Russland beschlossen habe. Sie sei aber überzeugt, dass alle Sanktionen "schon nächste Woche zurückgenommen werden."
Die auflagenstarke Boulevardzeitung "KP" nennt Selenskyj einen "Buben in grüner Hose," den Europa "kompromisslos und absolut sinnlos" verteidige. Das Einzige, was man dabei erreichen werde, sei, dass Trump näher an Russland heranrücke.
Die Zeitung "AiF" zitiert einen russischen Politikwissenschaftler, der überzeugt ist, dass Trump sehr bald Selenskyj beseitigen werde: "Trump möchte, dass Selenskyj, der mit seinen Feinden in Verbindung steht (...), verschwindet." Die Zeitung geht noch weiter und spekuliert über die "am besten geeigneten Zufluchtsorte" für den ukrainischen Staatschef nach dessen künftiger Entmachtung. Kremlchef Putin dagegen wird als Gewinner gefeiert, der in der westlichen Welt nicht mehr isoliert sei.
"Kriegsverbrecher als Dialogpartner"
Dass Putin auf einmal bei den Amerikanern salonfähig sei, stellt auch der im Exil lebende russische Ex-Politiker Dmitri Gudkow fest - wenngleich ohne Freude. Im DW-Interview analysiert der Ex-Abgeordnete: "Der Kriegsverbrecher, der das Ganze angefangen hat, wird heute als gleichrangiger Dialogpartner behandelt." Das bedeute: "Du kannst zuerst Probleme schaffen, um dann die Weltpolitiker zu zwingen, mit dir zu verhandeln, wie man diese Probleme löst."
Der oppositionelle russische Ex-Politiker Andrej Piwowarow sieht die Chancen auf eine wirkliche Annährung zwischen Russland und den USA skeptischer. Im Gespräch mit der DW weist er darauf hin, dass die Amerikaner die Möglichkeit einer 180-Grad-Wendung offenlassen würden.
In Bezug auf Putins bevorstehende Gespräche mit Trump, die nach Aussagen aus dem Weißen Haus vielleicht noch in diesem Monat in Saudi-Arabien stattfinden könnten, konstatiert er: "Wir wissen nicht, welche Positionen die USA wirklich vertreten werden. Im Moment sehen wir nur den Austausch von Höflichkeiten mit Russland und Putin." Das sei aber nur das Zuckerbrot, die Peitsche komme, wenn sich die Amerikaner mit den Russen nicht einigen würden.
Auch die bekannten russischen Militär-Blogger, die Russlands Krieg gegen die Ukraine klar befürworten, warnen von voreiligen Hurra-Rufen. Die USA seien Hauptnutznießer des Krieges. Europa sei zersplittert, Russland geschwächt - das Einfrieren des Konflikts wäre für alle von Vorteil und eine Normalisierung der Beziehungen zu den USA für Russland notwendig. Aber: Man müsse bedenken, dass der nächste US-Präsident in vier Jahren alles wieder rückgängig machen könnte.