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KonflikteUkraine

Ukraine und Syrien: Kann Moskau an zwei Fronten kämpfen?

Grzegorz Szymanowski Riga
5. Dezember 2024

Wegen des Krieges gegen die Ukraine konnte Russland seine Unterstützung für den syrischen Diktator Assad nicht so einfach verstärken. Dennoch wird Moskau ihn nicht im Stich lassen - für den Kreml ist Syrien zu wichtig.

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Syrischer Präsident Baschar al-Assad und Wladimir Putin
Baschar al-Assad und Wladimir Putin bei einem Treffen im Kreml im Juli 2024Bild: Valeriy Sharifulin/IMAGO/SNA

Aleppo galt lange als Symbol für Russlands Stärke. Es war das russische Militär, das dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad Ende 2016 half, die Stadt nach vier Jahren militärischer Kämpfe einzunehmen. Nun ist Aleppo in weniger als vier Tagen an Rebellen gefallen - ein Rückschlag für den Kreml.

"Russland ist nicht mehr in der Lage, das Assad-Regime so zu unterstützen, wie es das vor zehn Jahren getan hat", sagt Ruslan Suleimanov, ein russischer Orientalist, der an der ADA-Universität in Baku in Aserbaischan forscht. Zwar führe Russland erneut Luftangriffe gegen die Rebellen aus, doch das reiche derzeit nicht aus, um sie zu stoppen, so Suleimanov. 

Der Hauptunterschied zu damals: Seit Februar 2022 ist Russland viel stärker mit seinem Angriff auf die Ukraine beschäftigt. "Natürlich begann die russische Präsenz in Syrien danach zu schrumpfen," sagte Suleimanov.

Russland war bisher vor allem an Luftangriffen beteiligt

Dabei war das russische Truppenkontingent in Syrien schon immer klein. Als Wladimir Putin 2015 entschied, Baschar al-Assad im Bürgerkrieg militärisch zu stärken, setzte er dort vor allem seine Luftwaffe ein. Schätzungen zufolge kamen zwischen 2000 und 4000 Soldaten dazu. Diese Zahl dürfte ungefähr gleich geblieben sein, offizielle Angaben wurden nie gemacht. Hinzu kamen damals aber auch nahezu gleich viele Söldner, wie etwa die der Wagner-Gruppe. Sie waren es, die häufiger als reguläre Soldaten an Bodenkämpfen in Syrien beteiligt waren. Heute kämpfen sie in der Ukraine.

Putin und Assad posieren mit Soldaten vor einem Kampfjet
Wladimir Putin beim Besuch auf dem Luftwaffenstützpunkt Hmeimim im Dezember 2017.Bild: ZUMA Press/imago

"Die Strategie des Kreml bestand darin, dass syrische, iranische und schiitische Milizen kämpfen und russische Streitkräfte Unterstützung leisten. Nicht umgekehrt,” schrieben die US-Analysten Michael Kofman und Matthew Rojansky über die russische Intervention. Nun wurden jedoch der Iran und die mit ihm verbündeten Milizen wie Hisbollah im Konflikt mit Israel geschwächt. Die islamistischen Rebellen der Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) haben die Gelegenheit für ihren Vormarsch genutzt.

Einige Kräfte aus Syrien wohl abgezogen

Kann Russland diese Lücke bei den Bodentruppen füllen? "Es wird sehr schwer sein, die Hilfe für Assad zu vergrößern, ohne eigene Truppen in der Ukraine zu schwächen”, sagt Pawel Luzin, ein Experte für die russischen Streitkräfte, der DW.

Nach dem Angriff auf die Ukraine im Jahr 2022 hatte Russland dementiert, Truppen aus Syrien abziehen zu wollen. Berichten zufolge verlegte es jedoch einige Kampfflugzeuge in die Heimathäfen zurück. Auch das S-300-Flugabwehrraketensystem wurde in einen russischen Hafen nahe der Krim verschifft.

Die Soldaten in Syrien wurden umgruppiert und aus kleineren Posten an größere Stützpunkte verlegt. Und die Verlegung von kampferfahrenen Söldnern in die Ukraine hat die Aufstellung Russlands geschwächt. Heute gebe es zwar andere Kreml-Söldner in Syrien, "aber sie sind nicht auf Kampfeinsätze spezialisiert, sondern zum Beispiel auf die Überwachung einiger Ölförderanlagen," so die Einschätzung von Ruslan Suleimanov.

Moskau will auf Syrien nicht verzichten

Obwohl der Krieg in der Ukraine für Russland klare Priorität hat, wird es nicht auf Syrien verzichten. "Der Kreml wird Assad sicher nicht in Stich lassen,” sagte Suleimanov. Schließlich geht es für Moskau auch um zwei wichtige Standorte: Der Marinestützpunkt in Tartus sichert den Zugang zum Mittelmeer. Und der Luftwaffenstützpunkt Hmeimim ermöglicht es, in der gesamten Region einsatzfähig zu sein. 

Der russische Raketenkreuzer Moskwa in der Heckansicht
Der russische Raketenkreuzer Moskwa vor dem Hafen von Tartus in Syrien im Dezember 2015. Im April 2022 sank das Schiff während des Kriegs gegen die UkraineBild: Zhang Jiye/Xinhua/IMAGO

Syrien ist zudem wichtig für den Kreml, um sein Image als Supermacht zu pflegen. Nach gescheiterten westlichen Interventionen im Irak und in Libyen wollte man sich als Stabilitätsfaktor in der Region präsentieren und konnte sich so erfolgreich als Mitspieler im Nahen Osten etablieren.

Lieber verhandeln als neue Truppen schicken

Die ersten Reaktionen Russlands auf die Rebellenoffensive deuten an, dass Moskau lieber keine zusätzlichen Militärressourcen nach Syrien verlegen würde. Allerdings fliegt die russische Luftwaffe vermehrt Angriffe. Laut dem russischen Telegramkanal "Rybar” kam zudem General Alexander Tschaiko in Syrien an, der schon in der Vergangenheit die eigenen Truppen in dem Land angeführt hat.

Gleichzeitig sucht Moskau Kontakt zu anderen Mächten, die in dem Konflikt involviert sind, allen voran zur Türkei, die von dem Vormarsch der Rebellen am meisten profitiert. Putin telefonierte mit dem türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan, am kommenden Wochenende sollen sich Vertreter Russlands, des Irans und der Türkei treffen.

"Es stehen sehr schwierige und sehr anstrengende Verhandlungen für den Kreml an, der bereits so viele Nerven, Energie und Ressourcen für die Ukraine aufwendet”, sagt der Orientalist Ruslan Suleimanov. Nun werde der Kreml einen Teil dieser Ressourcen für Syrien abzweigen müssen.

Islamistische Rebellen gegen Assad-Regime