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KonflikteUkraine

Russland setzt massivste Luftangriffe seit Kriegsbeginn fort

27. August 2024

Russland überzieht seit Montag die Ukraine mit schweren Luftangriffen. Der ukrainische Präsident Selenskyj kündigte Vergeltung an. In der russischen Grenzregion Belgorod gehen die Kämpfe weiter.

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Ukrainische Rettungskräfte stehen in den Ruinen eines zerstörten Hotels in Krywyj Rih nach einem russischem Raketenangriff
Ein zerstörtes Hotel in Krywyj Rih nach den russischen RaketenangriffenBild: Stringer/REUTERS

Russland hat die Ukraine die zweite Nacht in Folge mit schweren Luftangriffen überzogen. Dabei wurden nach ersten Überblicken der ukrainischen Behörden mindestens vier Menschen getötet. Zwei Menschen durch einen Raketentreffer auf ein Hotel in Krywyj Rih und mindestens zwei weitere durch Drohnenangriffe auf Saporischschja. 16 Menschen wurden verletzt.

Wegen des nächtlichen Luftalarms flüchteten sich nach Medienberichten 52.000 Menschen in Kiew in U-Bahnhöfe, die als Bunker dienen. Herabstürzende Trümmer lösten am östlichen Stadtrand der Millionenstadt Grasbrände aus. Alle Flugobjekte mit Ziel Kiew seien abgeschossen worden, teilte die Militärverwaltung des Kiewer Umlands mit.

Sanitäter bringen Verletzte in Krankenwagen versorgen nach russischem Raketenangriff in Krywyj Rih
Trotz der "effektiven Arbeit ukrainischer Luftabwehrsysteme" wurden vier Menschen getötet und 16 verletzt, teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit.Bild: Stringer/REUTERS

Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe konnten insgesamt 5 russische Marschflugkörper und 60 von 81 eingesetzten Drohnen abgefangen werden. Drei Hyperschallraketen Kinschal (Dolch) und zwei Raketen des Typs Iskander konnten nicht abgeschossen werden, wie Luftwaffenkommandeur Mykola Oleschtschuk auf Telegram mitteilte. Treffer und Schäden gab es nach regionalen Behördenangaben auch in den Gebieten Sumy, Charkiw, Donezk, Cherson und Chmelnyzkyj.

Die Zahlen des ukrainischen Militärs sind nicht bis ins Detail überprüfbar, vermitteln aber einen weitgehend genauen Überblick über das Ausmaß eines Angriffs.

"Verbrechen gegen die Menschlichkeit"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj schrieb zu nach Angriffen im Onlinedienst X, dass man "Russland unzweifelhaft auf diese und alle anderen Attacken" antworten werde. "Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen nicht ungestraft bleiben", sagte er weiter.

Für die militärische Antwort auf die russischen Attacken hat die Ukraine auch vom Westen gelieferte F-16-Kampfjets genutzt, bestätigte Selenskyj in einer Pressekonferenz in Kiew am Dienstag. Er dankte dafür. Zugleich drängte er weiter darauf, dass westliche Partner Beschränkungen für den Einsatz der gelieferten Waffen gegen Militärziele in Russland aufheben.

Am Montag hatte Russland einen Angriff mit 127 Raketen und Marschflugkörper sowie mehr als 100 Kampfdrohnen gegen die Ukraine geflogen. Das war die höchste vom ukrainischen Militär gemeldete Zahl in zweieinhalb Jahren Krieg in der Ukraine.

Wie russische Drohnen die Ukraine terrorisieren

Zerstörung ukrainischer Energieversorgung

Die Attacke richtete sich nach Einschätzung von Beobachtern erneut vor allem gegen das Energiesystem der Ukraine. Über Treffer auf militärische Ziele informiert die Ukraine nicht. Nach unbestätigten Berichten könnte die Luftwaffenbasis Starokostjantyniw im westlichen Gebiet Chmelnyzkyj ein Ziel gewesen sein.

Die Angriffsserie sei der "Beginn einer neuen Vernichtungskampagne gegen die ukrainische Energieinfrastruktur", sagte auch SPD-Außenpolitikers Michael Roth. Damit solle zum einen die ukrainische Rüstungsproduktion lahmgelegt werden, zum andere solle damit eine neue Fluchtbewegung in die EU ausgelöst werden, erklärte Roth auf dem Portal Politico. 

Sorge um Atomkraftwerk in Kursk

In dem umkämpften russischen Gebiet Kursk steht auch ein Atomkraftwerk, das Moskau durch die ukrainischen Angriffe in Gefahr sieht. Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, hat sich am Dienstag in Russland ein Bild von der Lage gemacht. Wie russische Medien berichteten, hat Grossi das AKW in der Stadt Kurtschatow im Gebiet Kursk besichtigt und auch das Gebiet um den Meiler herum. Von russischer Seite nahmen AKW-Direktor Alexander Uwakin und der Bürgermeister von Kurtschatow, Igor Korpunkow, an dem Treffen teil. 

Das AKW besitze keine Schutzkuppel, was es "extrem fragil" mache, sagte der IAEA-Chef nach seinem Besuch. Er wolle die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft darauf richten, dass ein Atomkraftwerk niemals angegriffen werden dürfe. "Wir können das, was wir hier gesehen haben, nicht von den jüngsten militärischen Aktivitäten trennen."

Russland hatte zuletzt beklagt, dass das AKW nach dem Einmarsch ukrainischer Truppen in das nur etwa 30 Kilometer entfernte Kursk in Gefahr sei. Während des Besuchs gab es laut russischen Medien Luftalarm wegen angeblich möglicher Raketenschläge. Grossi wollte laut russischen Medien im Anschluss nach Kiew reisen, um auch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu sprechen. Schon vor seiner Ankunft in Russland hatte Grossi gesagt, angesichts der Kämpfe in der Nähe des Atommeilers sei die Situation „ernst“.

Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, Rafael Grossi, bei einem Besuch in Japan im März
Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, Rafael Grossi (Archivbild)Bild: Eugene Hoshiko/AP/dpa/picture alliance

Grossi hat bereits mehrfach das russisch besetzte AKW Saporischschja in der Ukraine besucht und dort ein IAEA-Team stationiert. Die ständige Präsenz der internationalen Fachleute dient nicht nur der Beobachtung der Lage, sondern auch dazu, von Kampfhandlungen abzuschrecken, die eine Atomkatastrophe auslösen könnten.

Weitere Kämpfe in Belgorod

Indes versuchen Ukrainische Truppen die Grenze zur Region Belgorod zu durchbrechen. Rund 500 ukrainische Soldaten griffen Kontrollpunkte in Nechotejewka und Schebekino an, hieß es auf dem russischen Telegramkanal Mesch. In beiden Gebieten werde gekämpft.

"Es gibt Informationen, wonach der Feind versucht, die Grenze in der Region Belgorod zu überqueren", teilte Regionalgouverneur Wjatscheslaw Gladkow im Onlinedienst Telegram mit. Laut dem russischen Verteidigungsministerium ist die Lage an der Grenze weiterhin schwierig, aber "unter Kontrolle". 

ch/fab (dpa, afp, ap, rtr)