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PolitikUkraine

Ukraine-Krieg: Mit westlichen Waffen Russland angreifen?

19. November 2024

Die Ukraine darf nun amerikanische Raketen gegen Ziele in Russland einsetzen, heißt es aus den USA. Das setzt die deutsche Regierung unter Druck, TAURUS-Marschflugkörper zu liefern.

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Rakete auf einer Abschussrampe
Vom Einsatz von US-Raketen des Typs ATACMS gegen Ziele in Russland erhofft sich die Ukraine eine Wende im KriegBild: U.S. Army/ABACA/picture alliance

Medienberichten zufolge hat der scheidende US-Präsident Joe Biden der Ukraine erstmals erlaubt, Raketen des Typs ATACMS gegen Ziele in Russland einzusetzen. Biden soll seine bisherige Ablehnung aufgegeben haben, nachdem bekannt wurde, dass Russland nordkoreanische Truppen in der russischen Grenzregion stationiert hat. Großbritannien und Frankreich haben der Ukraine ebenfalls weitreichende Waffen geliefert, die aber bisher nicht gegen Russland selbst eingesetzt werden, während Deutschland bislang eine Lieferung ähnlicher Waffen ablehnt.

ATACMS

Die ATACMS ist eine Kurzstreckenrakete des US-Herstellers Lockheed Martin. Die ersten Modelle wurden 1990 an die amerikanischen Streitkräfte ausgeliefert. Sie kamen u.a. im Irak und in Afghanistan zum Einsatz. Seitdem wurden sie mehrfach weiterentwickelt. Die Rakete wird von einem Kettenfahrzeug oder Artillerie-Raketenwerfer aus gestartet und erreicht in einer Kreisbahn ihr Ziel, die maximale Reichweite beträgt etwa 300 Kilometer.

Als Gefechtskopf wird vor allem Streumunition verwendet. Der Stückpreis liegt bei bis zu 1,7 Millionen US-Dollar. Nach Angaben des Online-Magazins "The Warzone" setzten ukrainische Streitkräfte im Herbst 2023 erstmals ATACMS-Raketen gegen russische Stellungen ein, allerdings auf russisch besetztem Territorium der Ukraine. Nach der Entscheidung von Präsident Joe Biden dürfen die Raketen auch auf Ziele in Russland selbst abgefeuert werden; zum Beispiel in der Region Kursk.

Storm Shadow/SCALP

Die britischen Storm Shadow und baugleichen französischen SCALPs sind Marschflugkörper. Im Unterschied zu Raketen, deren Flug eine weitgehend vorgegebene Kreisbahn beschreiben, fliegen Marschflugkörper parallel zum Boden in geringer Höhe von weniger als 50 Metern und tasten dabei das Gelände ab. Der Vorteil: Sie können vom Radar nur schwer erfasst werden. Im Gegensatz zur ATACMS werden die Storm-Shadows und SCALPs von Flugzeugen aus abgeschossen. Hersteller der seit 2002 eingesetzten Systeme ist das europäische MBDA-Konsortium. Der Stückpreis beträgt bis ca. 1,1 Millionen Euro.

Hellgrauer, ca. 5 Meter langer Marschflugkörper mit der Aufschrift "Storm Shadow/SCALP" auf einem Gestell
Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow/SCALP aus Großbritannien und Frankreich sind bereits in der Ukraine im EinsatzBild: Lewis Joly/AP Photo/File/picture alliance

Einsätze gab es u.a. 2003 im Irak, bei der Durchsetzung der Flugverbotszone in Libyen 2011 und bei Einsätzen gegen die Terrororganisation Islamischer Staat. Großbritannien und Frankreich haben der Ukraine die Marschflugkörper bereits 2023 geliefert, sie wurden von ukrainischen Bombern des Typs Suchoi Su-24 aus abgefeuert. Wie die amerikanischen ATACMS-Raketen kamen die britisch-französischen Marschflugkörper aber bisher nur in russisch besetzten ukrainischen Gebieten zum Einsatz. Die Reichweite der in die Ukraine gelieferten Modelle beträgt etwa 250 Kilometer.

TAURUS

Auch die deutsch-schwedischen TAURUS sind Marschflugkörper, die von einem Kampfflugzeug abgefeuert werden, dann sehr niedrig über dem Boden fliegen und sich ein vorher einprogrammiertes Ziel selbständig suchen. Mit 500 Kilometern hat der TAURUS aber eine doppelt so hohe Reichweite wie die an die Ukraine gelieferten Storm Shadows und SCALPs. Mögliche Ziele der TAURUS mit einem Stückpreis von circa einer Million Euro sind zum Beispiel Bunker oder Führungsgefechtsstände, von denen aus feindliche Truppen Einsätze steuern.

Taurus-Raketen für die Ukraine?

Taurus kann auch mehrere dicke Stahlbetonwände durchdringen. Dazu steigt der Flugkörper kurz vor dem Ziel steil auf und schlägt in senkrechtem Sturzflug mit hoher Bewegungsenergie von oben ein. Bundeskanzler Olaf Scholz hat bisher eine Lieferung in die Ukraine wiederholt abgelehnt, weil er befürchtet, dass Deutschland dann in den Krieg hineingezogen wird. Führende Grüne in der Regierungskoalition, aber auch die CDU/CSU-Opposition sind aber dafür. Sie würden der Ukraine auch erlauben, mit TAURUS Ziele in Russland anzugreifen, so wie es Joe Biden jetzt entschieden hat.

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik