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Politik

Aktuell: USA sagen Ukraine weitere humanitäre Hilfe zu

10. Juli 2022

Die USA wollen der Ukraine wegen des russischen Angriffskrieges weitere humanitäre Unterstützung zukommen lassen. Kiew denkt über eine neue Raketenabwehr nach. Russland greift Donezk weiter an. Ein Nachrichtenüberblick.

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Ukraine Tschasiw Jar, Region Donezk | Raketenangriff, Rettungsoperation
Zerstörung in Stadt Tschasiw Jar in der Region DonezkBild: Donetsk region governor Pavlo Kyrylenko/Handout via REUTERS

 

Das Wichtigste in Kürze: 

  • US-Regierung sichert weitere Hilfsgelder zu
  • Ukraine denkt über neue Raketenabwehr nach
  • Baerbock unglücklich über westliche Hilflosigkeit
  • Kanada schickt Gasturbine für Nord Stream 1-Pipeline
  • Internetseite der "Welt" in Russland blockiert

 

US-Außenminister Antony Blinken hat nach dem G20-Außenministertreffen in Bali versichert, "dass die Vereinigten Staaten fast 368 Millionen Dollar (361 Millionen Euro) an zusätzlicher humanitärer Hilfe bereitstellen werden, um die vom brutalen Krieg Russlands gegen die Ukraine Betroffenen zu unterstützen".

USA Washington | Pressekonferenz: Antony Blinken und  Jens Stoltenberg
US-Außenminister Antony Blinken (Archivbild)Bild: Jacquelyn Martin/AP/picture alliance

Seit Beginn der russischen Invasion im Februar hätten die USA als wichtigstes Geberland mehr als 1,28 Milliarden Dollar an humanitärer Hilfe für die Ukraine zugesagt. Blinken forderte Russlands Präsidenten Wladimir Putin auf, "die Kriegshandlungen sofort zu beenden". 

Kiew denkt über neue Raketenabwehr nach

Die Ukraine benötigt nach Einschätzung von Verteidigungsminister Olexij Resnikow eine andere Raketenabwehr als das israelische System "Iron Dome" (Eisenkuppel). "Selbst Iron Dome schützt nicht zu 100 Prozent. Iron Dome wurde gegen langsam und niedrig fliegende Raketen gemacht, die von der Sache her in Garagen angefertigt werden. Vor Marschflugkörpern und ballistischen Raketen schützt Iron Dome nicht", sagte Resnikow. Die Ukraine müsse ein System der Luftverteidigung entwickeln oder es von ihren Partnern erhalten.

Rettungskräfte bergen ein Opfer des russischen Raketenangriffs in der Stadt Tschasiw Jar
Rettungskräfte bergen ein Opfer des russischen Raketenangriffs in der Stadt Tschasiw JarBild: Donetsk region governor Pavlo Kyrylenko/Handout via REUTERS

18 Tote bei russischem Beschuss in Donezk

Die russische Armee greift die Region Donezk weiter an. Bei einem Raketenangriff in der Stadt Tschasiw Jar sind nach jüngsten Angaben des Gouverneurs der ostukrainischen Region 15 Menschen getötet und fünf verletzt worden. Eine russische Rakete sei am Samstagabend in ein fünfgeschossiges Wohngebäude eingeschlagen, teilte Pawlo Kyrylenko mit. Bewohner befürchteten, dass noch mindestens 24 Menschen in den Trümmern eingeschlossen seien.

Zuvor starben bei russischem Beschuss in Donezk bereits mindestens drei Menschen, acht erlitten Verletzungen. Die prorussischen Separatisten warfen ihrerseits der ukrainischen Armee Angriffe vor. Die Ukraine beschuldigt Russland, immer wieder bewusst zivile Ziele anzugreifen. Berichte aus den Kampfgebieten lassen sich von unabhängiger Seite kaum überprüfen.

Ukrainer erzählen vom Leben unter russischer Besatzung

Ukraine: Seitenkanal zur Donau wieder nutzbar

Nach dem Abzug der russischen Soldaten von der ukrainischen Schlangeninsel im Schwarzen Meer ist nach Angaben aus Kiew wieder ein Gütertransport durch einen Seitenkanal zur Donau möglich. Die Schifffahrt südwestlich von Odessa werde fortgesetzt, teilte die ukrainische Hafenbehörde mit. Angesichts der Befreiung der Schlangeninsel sei die Passage frei, hieß es. Zahlreiche Schiffe warteten auf eine Durchfahrt. Neben drei ukrainischen Donauhäfen arbeiten ein Hafen der Republik Moldau und zwei rumänische Häfen unmittelbar an der Donau-Mündung. Von den an den Seitenkanal angrenzenden Donauinseln waren die russischen Soldaten auf der Schlangeninsel von der ukrainischen Armee wiederholt unter Feuer genommen worden.

Baerbock bedauert militärische Hilflosigkeit des Westens

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bedauert, dass der Westen zum Schutz von Zivilisten nicht militärisch in den Ukraine-Krieg eingreifen kann. "Ich hätte zum Beispiel gerne versprochen, dass wir humanitäre Korridore aus den umkämpften Gebieten in der Ukraine garantieren", sagte Baerbock dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". "Aber wir können das nicht leisten. Ein solches Versprechen müsste militärisch abgesichert werden."

Deshalb habe sie auch "klar sagen" müssen, dass es keine Flugverbotszonen geben werde, fügte die Grünen-Politikerin hinzu. "Gute Außenpolitik heißt eben auch, einen kühlen Kopf zu bewahren, auch wenn das Herz brennt", sagt Baerbock in einem gemeinsamen "Spiegel"-Gespräch mit ihrem luxemburgischen Amtskollegen Jean Asselborn. "Ertragen zu müssen, dass man nichts tun kann - das ist manchmal auch die Brutalität von Außenpolitik." Asselborn äußerte sich ähnlich. "Man muss die Realität des Kriegs anerkennen, auch wenn sie barbarisch ist", sagte er.

Kanada schickt Turbine 

Unterdessen ist der Weg für die Lieferung der in Kanada gewarteten Siemens-Turbine für die Gaspipeline Nord Stream 1 frei. Die Regierung in Ottawa erklärte, man werde eine Ausnahme von den Russland-Sanktionen machen und die Turbine nach Deutschland zurückschicken.

Russland hatte eine Drosselung von Gaslieferungen durch die Pipeline unter anderem mit der fehlenden Turbine begründet. Die Bundesregierung hatte indes betont, sie halte dies für vorgeschoben und sehe, dass Russland Gaslieferungen als politische Waffe einsetze. Russland wiederum hatte erklärt, die Gaslieferungen nach Europa würden wieder erhöht, wenn die in Kanada reparierte Turbine zurückkomme.

Infografik Karte Erdgasleitungen aus Russland und Kaukasus in die EU DE
Die Infografik zeigt den Verlauf der Erdgasleitungen aus Russland und dem Kaukasus in die EU

Die kanadische Regierung teilte nun mit, man werde eine zeitlich begrenzte und widerrufbare Genehmigung für Siemens Canada erteilen, um die Rückführung reparierter Nord Stream 1-Turbinen nach Deutschland zu ermöglichen. Ohne die notwendige Versorgung mit Erdgas bekäme die deutsche Wirtschaft große Probleme und es bestehe die Gefahr, dass die Deutschen ihre Häuser im Winter nicht mehr heizen könnten, hieß es.

"Zutiefst enttäuscht" reagierten das Energie- und das Außenministerium der Ukraine. Die kanadische Regierung müsse die Entscheidung rückgängig machen, hieß es in einer Erklärung. Kanada würde sich sonst "den Launen Russlands" unterwerfen.

Internetseite der "Welt" in Russland blockiert

Russlands Behörden haben die Homepage der deutschen Tageszeitung "Welt" blockiert. Auf Gesuch der Generalstaatsanwaltschaft ist die Seite aus dem russischen Internet heraus nicht mehr erreichbar, wie aus einem Register der Medienaufsicht Roskomnadsor hervorgeht. Ein Grund wurde nicht genannt. Die "Welt" hatte nach Russlands Einmarsch in die Ukraine damit begonnen, unter dem Titel "Krieg in der Ukraine" Nachrichten auch auf Russisch zu veröffentlichen. Auf der "Welt"-Homepage wurde eine Meldung über die Blockade mit dem Schlagwort "Medienzensur" versehen.

Gemischte Reaktionen auf Melnyks Aus

Die Abberufung des ukrainischen Botschafters in Berlin, Andrij Melnyk, hat in Deutschland gemischte Reaktionen hervorgerufen. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), sagte, Melnyk habe mit umstrittenen Äußerungen Grenzen teils "deutlich" überschritten. Melnyk sei "mehr Politiker als Diplomat" gewesen. Aber: Für den Druck auf Deutschland für mehr Unterstützung der Ukraine "muss man ihm dankbar sein".

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Roderich Kiesewetter, bescheinigte Melnyk hingegen große Verdienste. "Botschafter Melnyk hat in dieser schwierigen Zeit für sein Volk gekämpft", sagte der CDU-Politiker der "Augsburger Allgemeinen". "Dass er hier nicht immer den diplomatischen Ton traf, ist angesichts der unfassbaren Kriegsverbrechen und des Leids für das ukrainischen Volk, mehr als verständlich."

Andrij Melnyk muss seinen Posten als Botschafter der Ukraine in Deutschland aufgeben
Nun offiziell: Andrij Melnyk muss seinen Posten als Botschafter der Ukraine in Deutschland aufgebenBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Am Samstag war bekanntgegeben geworden, dass Melnyk seinen Posten räumen muss. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte den 46-Jährigen abberufen, ebenso die Botschafter in Norwegen, Tschechien, Ungarn und Indien. Gründe wurden nicht genannt. In einer Videobotschaft sprach Selenskyj von einem normalen Vorgang.

Melnyk hatte sich als scharfer Kritiker der Bundesregierung einen Namen gemacht. Immer wieder prangerte er insbesondere die deutsche Russland-Politik an. Zuletzt aber geriet er selbst massiv in die Kritik wegen Äußerungen über den ukrainischen Nationalisten und Antisemiten Stepan Bandera.

Verbraucher sollen geschützt werden

Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) kündigte ein Moratorium für das Abstellen von Strom und Gas an, sollte die Bundesnetzagentur den Energieversorgern erlauben, die gestiegenen Weltmarktpreise an die Verbraucher weiterzugeben. "Wir müssen einerseits sicherstellen, dass die Versorger die Energieversorgung im Land aufrechterhalten können," sagt Lemke der "Bild am Sonntag".

Bundespressekonferenz Gesetzesentwürfe in Berlin - Steffi Lemke
Verbraucherschutzministerin Steffi LemkeBild: Frederic Kern/Geisler-Fotopress/picture alliance

Andererseits dürfe niemandem in einer Krisensituation der Strom oder das Gas abgestellt werden, weil er mit der Rechnung in Verzug sei. "Und im Krisenfall müssten wir auch über ein weiteres Hilfspaket entscheiden." 

Sorge vor Überlastung der Schulen

Der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, befürchtet, dass nach den Sommerferien Schulen durch eine wachsende Zahl ukrainischer Schülerinnen und Schüler überlastet werden könnten. Die Schulpflicht für Kinder aus dem Ausland beginne spätestens nach sechs Monaten.

Deutshcland Mainz | Ukrainische Schüler im Gymnasium
Der Verband Bildung und Erziehung warnt vor einer Überlastung der Schulen Bild: Frank Rumpenhorst/dpa/picture alliance

"Dies bedeutet einen weiteren Zuwachs von ukrainischen Schülerinnen und Schülern in den Schulen, über die 140.000 hinaus, die sich bereits im System befinden", sagte Beckmann den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Dieser erwartbare Anstieg trifft auf ein Bildungssystem, das durch jahrelange finanzielle Unterversorgung in dramatischer Weise personell geschwächt ist", sagte Beckmann. "Lehrkräfte arbeiten seit Jahren am Limit und müssen dringend entlastet werden." 

cwo/qu/haz/ack/kle/sti (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.